Klopfen mit Kindern. Michael Bohne
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Nun werden Sie sich vielleicht fragen: Was hat denn ein schlechtes Gewissen aufseiten der Eltern mit dem Verhalten des Kindes zu tun? Wie soll denn das, was ich denke, direkt das Kind beeinflussen? So ganz direkt lässt sich das natürlich nicht zuordnen, aber es gibt da massive Wirkeinflüsse.
Stellen Sie sich doch nur die Situation aus dem letzten Kapitel vor: Das Baby brüllt unablässig in der Nacht oder beim Einkaufen. Welche Eltern haben nun mehr Stress: diejenigen, die denken, »so ist das nun mal mit Neugeborenen«, oder diejenigen, die sich vorstellen, was die Nachbarn wohl sagen, und die jedes Kopfschütteln eines Passanten auf ihre Unfähigkeit beziehen, das Baby zu beruhigen?
So gibt es unzählige Situationen, in denen der Stresszuwachs durch unsere im Vorderteil des Gehirns abgespeicherten Glaubenssätze oder Beziehungsmuster, gerne auch »kognitives Gerümpel« genannt, abgespeichert sind. Ich möchte betonen, dass es sich dabei nicht um einen weiteren Schritt in Richtung eines gesellschaftlichen Trends namens »Was scheren mich die anderen?« handelt. Aber Eltern, die lösungsinkompetent werden, weil sie sich so viele Vorwürfe machen, sind auch nicht hilfreich, um im Mietshaus nachts für Ruhe zu sorgen.
Vor zwei Jahren kam eine Mutter zu mir in die Praxis, die »größte Schwierigkeiten mit den Tobsuchtsanfällen« ihres dreijährigen, adoptierten Mädchens hatte. Sie brülle los, werfe sich in den unmöglichsten Situationen auf den Boden und gebärde sich wie eine »Wahnsinnige«. So habe das Kind schon dermaßen gebrüllt, als sie es im Autositz anschnallen wollte, dass ein Passant stehen blieb und sie barsch fragte: »Was machen Sie denn mit dem Kind? Da müsste man ja die Polizei holen!«
Nun kennt man ja solche Verhaltensweisen von Kindern in der Trotzphase, und bei der Vorgeschichte des Kindes ließe sich auch genug finden, was als Erklärung für so viel Wut dienen könnte. Dennoch hatte die Mutter einen enormen Leidensdruck. Warum? In ihrem Kopf geisterte immer der Gedanke herum:
»Was ist, wenn jemand beim Jugendamt meldet, wie das Kind tobt, und behauptet, ich sei damit überfordert? Dann nehmen sie mir das Kind wieder weg« – eine furchtbare Vorstellung, vor allem, wenn der Weg zur Adoption über großes Leid verlorener eigener Kinder geführt hat. Diese Vorstellung in einem solchen Moment blockiert alle guten Ideen, die sich zur Unterbrechung des Musters, das bei der Tochter ablief, eignen könnten.
In einer solchen Situation wäre es natürlich sehr hilfreich, wenn die Mutter einfach vor dem tobenden Kind stehen bliebe und die 16 Punkte klopfte, bis ihr Stresspegel sinkt. Dazu müsste sie aber das Gefühl der Peinlichkeit überwinden, das in ihr aufkam.
Wir haben die Variante gewählt, dass man sich die Stress erzeugende Situation auch vorstellen kann, um mit Klopfen in der Vorstellung den Stress zu reduzieren. Machen Sie doch gleich mit und denken Sie an eine Situation, die in Ihnen schon mal starken Stress erzeugt hat! Es funktioniert am besten so:
1.Konzentrieren Sie sich auf das Thema, stellen Sie sich lebhaft vor, wie die letzte, gut erinnerbare Situation abgelaufen ist. Wo Sie waren, wie es da aussah, wer dabei war, wie es dort roch und was Sie dabei fühlten und wo sich das Gefühl in Ihrem Körper befand – wenn es das Gefühl ist, das Sie verändern wollen.
2.Schätzen Sie auf der Skala von 0 bis 10 die Stärke des Unbehagens ein.
3.Dann schließen Sie die Augen und konzentrieren sich ganz auf Ihren Atem.
4.Jetzt führen Sie für 30 Sekunden bis 2 Minuten die Überkreuzübung durch, damit beide Hirnhälften besser miteinander kommunizieren. Dazu überkreuzen Sie im bequemen Sitz die Beine so, dass ein Bein auf Knöchelhöhe über dem anderen liegt. Genauso verfahren Sie mit den Armen. Legen Sie die gestreckten Arme übereinander, Daumen nach unten zeigend, Handflächen zueinander (siehe Abbildung S. 37). Greifen Sie mit den Händen nun ineinander und führen Sie die Hände zwischen den Unterarmen hindurch auf die Brust und lassen Sie sie dort ruhen, während Sie sich vor Ihrem inneren Auge eine Pendelwaage in Balance vorstellen. Konzentrieren Sie sich auf »Balance«.
Überkreuzübung
5.Dann machen Sie zur Konzentration und Zentrierung ähnlich lange die Fingerberührübung (siehe S. 38). Dabei liegen die Ellenbogen seitlich am Körper an. Die Fingerspitzen berühren sich zart. Beim Einatmen kann die Zungenspitze den Gaumen berühren, beim Ausatmen wieder in den Mundboden sinken.
Fingerberührübung
6.Dann kommt passend zu Ihrem Thema die Selbstakzeptanzübung.
Notieren Sie sie doch hier:
Auch wenn ___________
____________________
____________________.
Im Falle der Mutter aus dem Fallbeispiel oben könnte sie lauten:
•Auch wenn ich nicht verhindern kann, dass mein Kind manchmal tobt, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin.
•Auch wenn mich das völlig hilflos und wütend macht, bin ich trotzdem eine gute Mutter.
Nun war dies ein prädestiniertes Beispiel dafür, dass ein Thema ein anderes antriggert: dass man sich gar nicht »lieben und akzeptieren« kann – so, wie man ist, nämlich mit diesem Problem. So konnte sich diese Mutter nicht wirklich »lieben und akzeptieren«, weil ihr Körper ihrer Meinung nach versagt hatte und keine Kinder bekommen wollte. Und deshalb fühlte sie sich jetzt dieser Ohnmacht ausgesetzt, weil sie sich vor dem Jugendamt ja beweisen müsse. So führten wir erst mal eine Reihe von Selbstakzeptanzübungen mit »verdünntem« Inhalt durch, denn sie lehnte einen Teil in sich ab, der mit dem Problem zu tun hatte. Beispielweise:
•Auch wenn ich sehr unglücklich über meine Kinderlosigkeit bin, sollte ich demnächst anfangen, mich so zu lieben und zu akzeptieren, wie ich bin.
•Auch wenn ich mit meiner Gebärfähigkeit nicht zufrieden bin, würde ich mich gerne so lieben und akzeptieren, wie ich bin.
•Auch wenn ich damit einen kleinen Krieg gegen mich führe, werde ich prüfen, ob ich mich so lieben und akzeptieren mag, wie ich bin.
•Auch wenn mein Groll über meine Situation mir ein klein wenig im Wege steht, um aktuell anstehende Probleme mit meinem Kind zu lösen, sagt mir meine Therapeutin, es wäre gut, mich so zu lieben und zu akzeptieren, wie ich bin
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