Der Landdoktor Classic 39 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Classic 39 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Classic

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nächste Patient ist Herr Waldecker«, kündigte Schwester Gertrud mit vielsagendem Blick an.

      Der Landarzt wusste, dass der reiche Unternehmer seinem Praxisdrachen ein Dorn im Auge war. Johann Waldecker gehörte zu den Menschen, die glaubten, sich die Welt kaufen zu können. Bei seinem ersten Besuch in der Praxis, welcher zwei Jahrzehnte zurücklag, hatte er die Sprechstundenhilfe mit einem großzügigen Geldschein für die Personalkasse bestechen wollen, damit er nicht hätte warten müssen. Beim zweiten Besuch dann hatte er verstanden, dass bei Schwester Gertrud alle der Reihe nach aufgerufen wurden. Diese Einsicht hatte ihn jedoch in den Augen des Praxisdrachen nicht sympathischer gemacht.

      »Waldecker?« Matthias hob die graumelierten Brauen. »Was fehlt ihm?«

      »Keine Ahnung, Sie wissen doch, Herr Waldecker redet nicht mit dem Fußvolk«, lautete Gertruds bissige Antwort. »Blass sieht er aus, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« Dann drehte sie sich um und verließ das Sprechzimmer.

      Ja, blass sieht er aus, dachte der Landarzt nur wenige Lidschläge später, als Johann Waldecker den Raum betrat. Er bemühte sich, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.

      »Guten Tag, Herr Waldecker«, begrüßte er seinen Patienten. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Ich brauche irgendwelche Pillen, die mich wieder munter machen«, antwortete der Unternehmer, der sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und dabei den Boden unten den Füßen verloren hatte.

      »Pillen?« Matthias musste lachen. Noch bestimmte er selbst über die Therapiemethoden seiner Patienten. »Wie wäre es, wenn Sie mir erst einmal sagen, welche Beschwerden Sie haben.«

      Mit einladender Geste zeigte er auf den Patientensessel vor seinem Schreibtisch, welcher Johann Waldecker dann auch stumm Folge leistete. Matthias setzte sich dem fülligen Mann mit frostweißem Haar gegenüber und sah ihn erwartungsvoll an.

      »Ich bin überarbeitet«, legte der Unternehmer dann auch gleich los, in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Was kein Wunder ist. Ich habe ja keine Nachkommen, die mich in meinen Firmen unterstützen könnten. Meine älteste Tochter Charlotte meinte, sich als Architektin selbstständig machen zu müssen, um es ihrem Vater zu beweisen, und meine Jüngste, die Pauline …« Er winkte ab, was Matthias mehr verriet als weitere Worte.

      In diesem Punkt musste er seinem Gegenüber sogar recht geben. Pauline Waldecker war eine verzogene wehleidige Person, die, wenn sie ihre Eltern in deren Ferienhaus im Ruhweiler besuchte, stets mit irgendwelchen Wehwehchen in seine Praxis kam.

      »Dieser Stress in meinem Alter, in dem sich andere Männer längst zur Ruhe gesetzt haben, schadet mir natürlich«, fuhr sein Patient fort. »Seit einiger Zeit habe ich Schwindel, Kopfschmerzen und bin häufig erkältet, was auch für einen medizinischen Laien wie mich für ein schwaches Immunsystem spricht, was wiederum stressbedingt ist.«

      Der Landarzt hatte dem schwergewichtigen Hünen schweigend zugehört, allerdings mit aufsteigendem Ärger im Bauch. Er liebte es, wenn Patienten mit ihrer selbst gebastelten Diagnose zu ihm kamen. Dass Johann Waldecker zu diesen gehörte, hätte er sich eigentlich denken können. Der Unternehmer war dafür bekannt, alles besser zu wissen als andere, und dafür, Befehle zu erteilen.

      Aber nicht bei mir, sagte sich Matthias. Er unterdrückte ein feines Lächeln, bevor er ruhig erwiderte: »Die Symptome, die Sie gerade aufgezählt haben, sind Hinweise auf sehr viele Krankheitsbilder, nicht nur auf Überarbeitung.«

      Da blitzte es in den steingrauen Augen Johann Waldeckers auf.

      »Ich leide aber unter Überarbeitung«, beharrte er in hartem Ton. »Ich kenne schließlich meine Situation besser als Sie.«

      Matthias biss sich kurz und fest auf die Lippe. Er war Arzt aus Leidenschaft und fühlte sich seiner Berufung verpflichtet. Wenn er seine medizinische Aufgabe lockerer genommen hätte, wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen, seinen Patienten hinauszubegleiten. So jedoch unterdrückte er seine Verärgerung und sagte freundlich, jedoch bedeutend kühler: »Ich verschreibe meinen Patienten niemals Medikamente, ohne vorher selbst eine Diagnose aufzustellen. Wenn Sie möchten, dass ich Ihnen helfe, müssen Sie mir schon erlauben, Sie zu untersuchen.«

      Ein Brummen war die Antwort, was er als Zustimmung auslegte, zumal sich Waldecker jetzt erhob und zur Untersuchungsliege marschierte, als würde er ins Gefecht ziehen.

      »Muss ich mich ganz ausziehen?«, fragte er mürrisch.

      »Ich horche erst einmal nur Ihren Oberkörper ab, Herz und Lunge, und messe Puls sowie Blutdruck.«

      Diese Routineuntersuchung wies keinerlei Auffälligkeiten auf. Herztöne, Blutdruck und Puls waren normal. Auch beim Abhorchen der Lunge ergaben sich keine Geräusche, die ihn hätten aufhorchen lassen. Was ihm jedoch auffiel, waren drei große blaue Flecken. Zwei auf dem Rücken seines Patienten, einer auf der linken Brustseite. Er zeigte darauf.

      »Woher haben Sie den?«

      »Keine Ahnung. Ich muss mich wohl gestoßen haben. Ist mir jedoch nicht aufgefallen«, lautete die schnodderige Antwort.

      »Leiden Sie manchmal unter Übelkeit?«

      Sein Gegenüber hob die fleischigen Schultern. »Manchmal, in der letzten Zeit, was am fetten Essen liegen mag. Unsere neue Haushälterin …«

      »Kopfschmerzen?«

      »Auch.«

      »Sie können sich wieder anziehen.«

      Während sein Patient dieser Aufforderung nachkam, bereitete der Landarzt alles vor zur Blutabnahme. Er wollte ein großes Blutbild erstellen, in welchen sich viele Krankheiten niederschlugen.

      »Was machen Sie denn da?«, fragte Waldecker da in entsetztem Ton, als er die Kanülen zur Blutentnahme wahrnahm.

      Matthias erklärte ihm, was er vorhatte.

      »Das kommt gar nicht infrage«, widersprach ihm da sein Patient rigoros. »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich Medikamente brauche, damit ich möglichst bald wieder fit bin. Ich habe Ihnen doch gerade genau geschildert, worunter ich leide. Geben Sie mir ein Rezept mit ein paar chemischen Keulen, damit ich weiterarbeiten kann. Ich besitze ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern, die mich brauchen.«

      Nicht nur diese Forderung und der rüde Ton, sondern auch das Ansinnen als solches verschlug Matthias zunächst die Sprache, jedoch nur drei, vier Sekunden lang. Dann suchte er den Blick seines Gegenübers und hielt ihn unbarmherzig fest.

      »Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, Herr Waldecker«, begann er ganz ruhig. »Ich werde Ihnen heute überhaupt nichts verschreiben. Zuerst will ich ein Blutbild von Ihnen machen. Ohne ein solches geht bei mir überhaupt nichts. Falls Ihnen das nicht passt, gehen Sie lieber zu einem anderen Arzt und versuchen Sie mit Ihrer charmanten Art dort Ihr Glück. Gern gebe ich Ihnen den Rat mit auf den Weg, erst einmal beruflich kürzer zu treten, jeden Tag eine Stunde zu ruhen und spazieren zu gehen sowie Ärger zu vermeiden. Vielleicht geht es Ihnen dadurch schon nach ein paar Wochen besser, vielleicht aber tragen Sie auch eine Krankheit mit sich herum, die nicht durch diese Maßnahmen zu bekämpfen ist. Für den Fall, dass Sie keine Besserung erfahren, lege ich Ihnen ans Herz, einen Kollegen aufzusuchen, der nach den Ursachen Ihrer Symptome sucht. Und nun wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.«

      Der fassungslose Blick des Unternehmers sagte ihm alles. Johann Waldecker hatte es nun ebenfalls die Sprache verschlagen. Der weißhaarige

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