Der Landdoktor Classic 39 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Classic 39 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Classic

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musst nichts sagen. Der Fall liegt auch für mich klar auf der Hand«, stimmte dieser ihm zu. »Da hat Johann Waldecker seine Hand im Spiel gehabt.«

      »Der Verdacht drängt sich auf. Vor einer Woche hat Waldecker die Hälfte der Anteile an der Zeitung gekauft, und heute habe ich die Kündigung auf den Tisch bekommen. Wenn da kein Zusammenhang besteht …«

      »Was sagt denn dein Chef dazu?«

      »Was soll er sagen? Er kann nichts daran ändern. Waldeckers Stimme zählt.«

      »Vielleicht hast du dich vor einem Jahr doch etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, als du über Waldeckers Unternehmen berichtet hast.«

      »Hätte ich die Ungereimtheiten, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin, verschweigen sollen?«, fragte der Journalist aufgeregt. »Waldecker hat in den vergangenen Jahren Arbeitsrechtbestimmungen unterlaufen, gewerkschaftliche Tätigkeiten in seinen Werken unterbunden und bei der Produktion gegen Umweltschutzbestimmungen verstoßen. Als Journalist bin ich der Aufdeckung von Wahrheiten verpflichtet. Ich habe mir einen Namen in der Branche gemacht, gerade weil ich gesellschaftliche und politische Missstände ans Licht bringe.« Benjamin hielt erschöpft inne und schüttelte dann mutlos den Kopf.

      Sein gut geschnittenes Gesicht mit dem markanten Kinn und den stahlblauen Augen, die unerschrocken in die Welt blickten, wirkte unter der Sonnenbräune grau. Niemals zuvor hatte Thorsten seinen Freund derart ratlos und niedergeschlagen erlebt, obwohl er breitbeinig vor seinem Krankenbett stand, wie im Boden verankert. Er schwieg eine Weile, genauso betroffen und bedrückt wie Benjamin.

      »Mit deinem guten Namen und deinem Gespür für brisante und interessante Storys wirst du überall wieder eine Anstellung finden«, sagte er schließlich mit fester Stimme. »Wir haben in Deutschland ja nicht nur die eine Zeitung, die jetzt Waldecker gehört.«

      »Stimmt, aber ich habe gern bei diesem Blatt gearbeitet. Außerdem hatte ich bis jetzt nicht vor, aus Freiburg wegzuziehen. Nun sieht es ja so aus, als müsste ich das tun, um wieder irgendwo in Deutschland bei einer anderen Zeitung arbeiten zu können.«

      »Noch ist nicht aller Tage Abend«, sagte er in zuversichtlichem Ton.

      Wie seine Mutter sah auch Thorsten das Leben stets positiv.

      Da glitt ein verschmitztes Lächeln über Benjamins Gesicht.

      »Es gibt jedoch noch etwas, was mir den Abgang bei Waldeckers Tageblatt versüßen wird«, sagte er mit wieder blitzenden Augen.

      »Das wäre?«

      »In zwei Wochen soll ich über die Hochzeit von Waldeckers jüngster Tochter berichten. Mein Kollege, der sonst solche Reportagen macht, ist zu dieser Zeit in Urlaub, und mein Chef, der Johann Waldecker auch nicht mag, hat mir den Auftrag gegeben, was diese eingebildete Unternehmerfamilie natürlich nicht weiß.« Jetzt lachte Benjamin schon wieder fröhlich in sich hinein. »Diese feine Gesellschaft wird Augen machen, wenn ich mit dem Kamerateam in ihrer Villa in Baden-Baden auftauchen werde. Und eines kann ich dir jetzt schon versichern. Meine Reportage wird ein schönes Hochzeitsgeschenk werden.«

      *

      Als sich Benjamin von seinem Jugendfreund verabschiedete, hatte sich der Himmel über Freiburg schon wieder gelichtet. Die Wolkendecke war aufgerissen, und hier und da warf die Sonne ein paar Strahlen auf das Münster.

      Benjamin fühlte sich schon deutlich besser. Es hatte ihm gut getan, mit Thorsten über die Kündigung zu reden und über die Waldeckers so richtig abzulästern. Mit neuem Elan lief er die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Als er im ersten Stock angekommen war, hörte er fröhliches Kinderlachen. Er blieb auf dem Treppenabsatz stehen und lauschte. Er liebte Kinder. Er träumte davon, irgendwann einmal eine große Familie zu haben. Aus rein journalistischer Neugier betrat er nun den langen Gang und studierte die Aufschriften und bunten Bilder auf den Türen, die darauf hinwiesen, dass er sich auf der Kinderstation befand. Unwillkürlich musste er lächeln. Er hatte nicht erwartet, dass es dort so lustig zuging. Im nächsten Augenblick kam eine Krankenschwester aus einem der Zimmer heraus.

      »Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sie sich freundlich.

      »Eigentlich nicht«, erwiderte er. »Ich bin nur überrascht, dass es hier so fröhlich zugeht«, bekannte er dann freimütig.

      »Unsere Vorleserin ist gerade bei den kleinen Patienten«, erzählte sie ihm bereitwillig. »Sie kommt jede Woche einmal zu uns. Manchmal auch zweimal, um die Kinder hier und auf der Krebsstation mit schönen Geschichten aufzuheitern. Die Kids vergöttern sie und wir Schwester ebenfalls. Das alles macht sie sogar ehrenamtlich«, fügte die ältere Schwester mit bewundernder Miene hinzu. »Ohne Geld dafür zu bekommen.«

      »Sehr beeindruckend«, antwortete er ebenfalls voller Anerkennung für die Vorleserin.

      »Wenn Sie wollen, schauen Sie doch einfach mal ins Spielzimmer hinein. Selbst für Erwachsene sind ihre Vorträge hörenswert«, bot ihm die Krankenschwester an.

      Zuerst zögerte er noch. Dann ging er den Gang hinunter, immer dem Kinderlachen nach, das ihm den Weg wies. In der Tür des Spielzimmers blieb er stehen.

      Er sah in einen großen hellen Raum mit bunten Holzmöbeln, in dessen Mitte kleine Stühle zu einem Kreis aufgestellt waren. Leuchtende Kinderaugen waren auf die junge Frau gerichtet, die in dem Halbkreis saß.

      Benjamin hielt unwillkürlich den Atem an. Das Bild berührte ihn tief im Herzen. Wahrscheinlich hätte ihm auch der Atem gestockt, wenn er diese Frau auf der Straße gesehen hätte. Wunderschön war sie. Auf eine ganz besondere Art. Ihre für eine Frau sehr tiefe Stimme empfand er wie ein Streicheln. Sie zog ihn sofort in ihren Bann. Genauso weich waren ihre sparsamen Gesten, mit denen sie ihre Sätze begleitete. Die langen schwarzen Wimpern lagen auf ihren Wangen, dunkelrote Locken umspielten ihr Gesicht, das wie aus Elfenbein gemeißelt wirkte. Er wusste, dass ihre Augen grün waren. Er wusste es einfach. Sie konnten gar keine andere Farbe haben. Und ihre Beine, die sie grazil übereinander geschlagen hatte, waren sowieso nicht von dieser Welt.

      Wie angenagelt blieb er in der Tür stehen, die Kinder saßen mit dem Rücken zu ihm. Irgendwann war die Geschichte zu Ende. Die Vorleserin blickte von ihrem Buch auf und schenkte ihren Zuhörern ein Lächeln, das ihn verzauberte. Es erhellte ihre regelmäßig geschnittenen Züge und ließ ihre Augen, natürlich waren sie grün, aufleuchten. Und während die kleinen Hände begeistert klatschten, glitt der Blick aus diesen Frauenauen zu ihm herüber. Ein paar Atemzüge lang tauchte er in seinen, blieb in ihm liegen, mit einem Ausdruck des Erstaunens, der dann dem von Verwirrung Platz machte, bis er zurückkehrte zu den Kindergesichtern.

      Er schluckte, sein Herz schlug schneller. Ihm wurde warm unter dem Kapuzenpulli. Und dann musste er sich umdrehen. Er empfand seine Situation, hier zu stehen und zugehört zu haben, als peinlich. Was hatte er hier zu suchen? Zumal die Kinder jetzt begannen, alle durcheinander zu reden.

      Was für eine Frau, dachte er, als er langsam wie benommen den Gang zur Treppe hinunterging. Sie war nicht nur äußerlich schön. So selbstlose Menschen wie sie, denen es ein Anliegen war, andere zu erfreuen, gab es nur wenige. Vor dem Klinikausgang zögerte er.

      Sollte er auf sie warten? Irgendwann musste sie ja auch kommen. Nein, sagte er sich dann. Er war nie ein Draufgänger gewesen. Das hatte er bis jetzt auch nie nötig gehabt. Die Frauen bemühten sich stets um ihn. So war er es gewohnt. Er biss sich auf die Lippen, überlegte noch. Schließlich trat er ins Freie und blickte nachdenklich zum Besucherparkplatz hinüber. Da entdeckte er sie.

      Mit

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