SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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so ausgesucht und hochgerechnet, dass sie ins Konzept passen, siehe Lohnentwicklungen in Polen oder Lettland.

      RT-Deutsch kommt auch in seinem letzten Absatz zu einem ganz anderen Schluss als der Spiegel: „Festzuhalten bleibt: Eine offensichtlich nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte Studie nutzt den Schein der Wissenschaftlichkeit, um die fortgesetzte Zuwanderung für notwendig zu erklären und Werbung für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Regierung zu machen. Und der gesamte mediale Mainstream spielt mit.“

      Das hätte ich auch nicht treffender formulieren können.

      Schon einen Tag, nachdem der erste Artikel dazu erschienen war, ging die Lobbywelle zu dem Thema weiter. Unter dem Titel „Fachkräftemangel – FDP fordert lockereres Zuwanderungsgesetz“ schrieb der Spiegel über das geforderte Zuwanderungsgesetz:112 „Das Bundeskabinett beschloss im Dezember ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es sieht vor, dass die Hürden für die Einreise von Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten gesenkt werden. Wer qualifiziert ist und gut Deutsch spricht, soll bereits im Frühjahr auch ohne Arbeitsvertrag kommen dürfen, um sich einen Job zu suchen. Das war bisher nur für Hochschulabsolventen möglich.“

      Die Tür nach Deutschland steht also für alle weit offen, obwohl man im selben Artikel lesen kann, in welchen Berufen tatsächlich ein Mangel an Arbeitskräften herrscht: „Ein Mangel an Fachkräften herrscht derzeit unter anderem bei Informatikern, Ingenieuren für Elektrotechnik und Metallbau, in den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie in einigen Handwerksberufen.“

      Natürlich muss man einen solchen Mangel, wenn er tatsächlich besteht, beheben. Aber man sieht auch, dass es eben in erster Linie Berufe mit Hochschulabschluss, also Ingenieure, Informatiker und Ärzte sind, wo Deutschland Zuwanderer braucht. Warum aber werden dann im Gesetz auch Menschen ohne Hochschulabschluss zur Einreise aufgefordert, selbst wenn es in ihrem Beruf gar keinen „Fachkräftemangel“ gibt? Warum dieses Gießkannenprinzip? Einzige logische Antwort: um zu verhindern, dass die Löhne steigen. Solange es genug Bewerber gibt, hat kein Betrieb einen Grund, mit höheren Löhnen um Mitarbeiter zu werben.

      Sinnvoll wäre es, wenn man Kriterien festlegen würde, um festzustellen, in welchen Berufen tatsächlich ein echter Mangel herrscht und dann diesen Fachkräften die Einreise zur Arbeitssuche zu erlauben. Wenn man dabei Lohndumping verhindern möchte, kann man auch noch festlegen, dass Ausländer nur dann eingestellt werden, wenn zum Beispiel 35 % über Mindestlohn bezahlt wird. In der Altenpflege zum Beispiel schwanken die Stundenlöhne zwischen Mindestlohn und mehr als 13 Euro pro Stunde. Wenn ein Heim auch für 13 oder 14 Euro Stundenlohn keine Pfleger findet, dann kann man den Bedarf auch mit Arbeitsmigranten decken. Aber wenn diese Migranten dann für Mindestlohn arbeiten müssen, dann ist genau das gegeben, was ich kritisiere: Lohndumping. Das macht das Gesetz in der geplanten Form möglich, und das kann nicht im Interesse der Menschen im Land sein, egal ob sie deutsch oder zugewandert sind.

      Das war im Februar 2019, und es war interessant, wie die Sache dann im Laufe des Jahres Fahrt aufnahm. Schon im Mai war das Gesetz im Bundestag. Der Spiegel schrieb dazu unter der Überschrift „Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung – Union besteht auf Begrenzung der Migration“ einen Artikel113, in dem es um den Streit um das Zuwanderungsgesetz ging.

      Die Geschichte ist schnell erzählt: Die Union wollte weniger Einwanderung von „Fachkräften“ als die FDP. Und in dem Artikel konnte man lesen: „Schon nach den Prognosen von CDU/CSU und SPD reiche das geplante Gesetz nicht aus, um den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken, so Vogel. ‚Dem laut Studien bestehenden jährlichen Bedarf von 260.000 Fachkräften stellt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz lediglich eine erwartete zusätzliche Fachkräftezuwanderung von 25.000 Personen gegenüber.‘“

      Nun stammt die Zahl 260.000 aber gar nicht aus „Prognosen von CDU/CSU und SPD“, sondern aus der genannten Studie der Bertelsmann Stiftung.

      Daran lässt sich die Macht der Bertelsmann Stiftung gut erkennen. Sie veröffentlicht eine völlig unsinnige Studie, und diese Studie wird keine drei Monate später bereits als Argument in der Gesetzgebung herangezogen.

      Wer nun aber glaubt, das wäre schlimm genug, der wurde im Juni eines Besseren belehrt, denn Bertelsmann legte noch einmal nach.

      Der Spiegel hatte seinen Lesern verschwiegen, dass Bertelsmann damit überhaupt etwas zu tun hatte. Die Überschrift des Spiegel-Artikels lautete nämlich: „Ifo-Studie – Arbeitskräftemangel bremst Wirtschaft bis 2035“114

      Warum der Spiegel verschwiegen hat, dass es eine Studie von Bertelsmann war, bleibt sein Geheimnis. Wahrscheinlich sollte es seriöser klingen, wenn es eine Ifo-Studie und nicht eine Bertelsmann-Studie ist. Im Spiegel-Artikel wurde Bertelsmann nur einmal erwähnt, und es wurde der Eindruck erweckt, es sei eine Studie des Ifo-Instituts: „Weil Arbeitskräfte fehlen, wächst Deutschlands Wirtschaft laut Ifo-Institut in den kommenden 15 Jahren deutlich langsamer. (…) Der demografische Wandel beeinträchtigt künftig wohl stark die Wirtschaftsleistung Deutschlands. Bis 2035 werde das Wachstum deutlich geringer ausfallen, als in der Vergangenheit, heißt es in einer Studie des Ifo-Instituts für die Bertelsmann Stiftung.“

      Im Impressum der Studie kann man jedoch ganz eindeutig lesen, dass Bertelsmann die Studie erstellt hat.115 Von den sieben Autoren der Studie sind nur zwei bei Ifo-Instituten, einer ist als Bertelsmann-Mitarbeiter ausgewiesen, und bei den anderen Autoren gibt es keine Informationen über ihren Hintergrund. Aber es steht im Impressum unmissverständlich, dass die Studie von Bertelsmann kommt, und als Verantwortlicher wurde ein Bertelsmann-Mitarbeiter namens Dominic Ponattu genannt.

      Der Inhalt der Studie ist wieder schnell erzählt, obwohl sie 72 Seiten umfasst. Mit unendlichen Zahlenkolonnen wird beschrieben, dass die neuen Bundesländer beim Lebensstandard schlechter dastehen als die alten Bundesländer, was nun weiß Gott keine Neuigkeit ist. Dann schreibt die Studie auf Basis der Daten aus der Vergangenheit eine Projektion in die Zukunft und kommt zu dem Schluss, dass es noch schlechter wird. Auch das kann keinen überraschen, der auch nur ein bisschen etwas von Wirtschaft versteht.

      Es wird in der Studie erklärt, dass in Zukunft immer weniger Arbeitnehmer da sein werden, aber immer mehr Rentner, also der demografische Wandel. Und das führt gemäß der Studie zu weniger Wirtschaftswachstum und weniger Wohlstand. Das alles ist nicht wirklich neu, und auch wenn eine Studie, die 16 Jahre in die Zukunft blickt, natürlich kaum mit ihren Zahlen richtig liegen wird, dürfte die Tendenz so stimmen.

      Man kann aber nicht 16 Jahre in die Zukunft schauen, oder glauben Sie, dass eine Studie aus dem Jahre 2003 die wirtschaftliche Entwicklung bis 2019 korrekt vorhergesehen hätte? Natürlich nicht, denn die Studie hätte weder die Finanzkrise noch die Eurokrise und deren Folgen korrekt prognostizieren können, und schon stimmen die Zahlen nicht mehr, selbst wenn alles andere völlig korrekt berechnet worden wäre.

      Aber die demografischen Probleme sind bekannt, und deshalb dürfte zumindest die Grundannahme richtig sein: Es wird weniger Arbeitnehmer und mehr Rentner geben.

      Die Frage ist, wie man mit diesem Problem umgehen sollte.

      Bertelsmann hat für wirtschaftliche Probleme immer Lösungen, die den Konzernen zugutekommen. Bertelsmann schlägt wenig überraschend in seinem Fazit vor: „Ein Weg läge darin, die Wachstumsfaktoren Arbeit und Kapital zu stärken – ersteren etwa durch eine höhere Erwerbsquote. Allerdings ist eine Steigerung der Erwerbsquote nicht unbegrenzt möglich.“

      Im Klartext: Wir müssen noch mehr arbeiten. „Eine höhere Erwerbsquote“ bedeutet, dass die Deutschen mehr arbeiten müssen.

      Die zweite Lösung von Bertelsmann ist ebenfalls wenig überraschend: „Ebenfalls könnten die immer wieder in der politischen Debatte genannten Maßnahmen im Rahmen einer gezielten Fachkräftezuwanderung zu einer Stärkung des Faktors Arbeit und

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