Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle страница 16
So weit war ich gekommen, als wir den Ort der Handlung aufsuchten. Es hat Sie überrascht, dass ich mit meinem Stock den Gehweg abklopfte. Ich wollte feststellen, ob der Keller sich nach vorn oder nach hinten erstreckte. Er ging nicht nach vorn. Dann klingelte ich, und wie ich gehofft hatte, öffnete der Gehilfe die Tür. Wir hatten einige Scharmützel miteinander gehabt, aber wir hatten uns noch nie zuvor Auge in Auge gegenübergestanden. Ich sah mir sein Gesicht kaum an. Seine Knie waren es, die ich sehen wollte. Sie müssen selbst bemerkt haben, wie abgewetzt, zerknittert und fleckig sie waren. Sie kündeten von den vielen Stunden des Grabens. Jetzt war nur noch die Frage zu klären, wonach die Männer gruben. Ich ging um die Ecke, sah die City and Surburban Bank an das Grundstück unseres Freundes angrenzen und hatte das Gefühl, ich hätte mein Problem gelöst. Als Sie nach dem Konzert nach Hause fuhren, stattete ich Scotland Yard und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank einen Besuch ab – mit dem Ergebnis, das Sie gesehen haben.«
»Und wie konnten Sie wissen, dass sie es heute Nacht versuchen würden?«, fragte ich.
»Nun, als sie ihr Liga-Büro schlossen, war das ein Zeichen dafür, dass Mr. Jabez Wilsons Anwesenheit sie nicht mehr störte, mit anderen Worten: Sie waren fertig mit ihrem unterirdischen Gang. Aber es war sehr wichtig, ihn bald zu benutzen, da er möglicherweise entdeckt oder das Gold fortgeschafft werden konnte. Sonnabend würde ihnen besser passen als irgendein anderer Tag, da sie dann zwei Tage Vorsprung auf ihrer Flucht hätten. Aus all diesen Gründen erwartete ich sie heute Nacht.«
»Sie haben alles hervorragend durchdacht«, rief ich voll aufrichtiger Bewunderung aus. »Es ist eine so lange Kette, und doch passt jedes Glied.«
»Es bewahrte mich vor Langeweile«, entgegnete er gähnend. »Ach, ich fühle, wie sie mich schon wieder überkommt! Ich verbringe mein Leben damit, den Alltäglichkeiten des Daseins zu entfliehen. Diese kleinen Probleme helfen mir dabei.«
»Und Sie sind ein Wohltäter der Menschheit«, sagte ich.
Er zuckte die Schultern. »Nun ja, vielleicht ist es letzten Endes doch ein wenig nützlich«, bemerkte er. »L’homme c’est rien – l’œuvre c’est tout, wie Gustave Flaubert an George Sand schrieb.«
Übersetzung von Karin Polz
Eine Frage der Identität
»Mein lieber Freund«, sagte Sherlock Holmes, als wir uns zu beiden Seiten des Kaminfeuers in seiner Wohnung in der Baker Street niederließen, »das Leben ist unendlich viel seltsamer als irgendetwas, das der menschliche Geist erfinden könnte. Wir würden nicht wagen, die Dinge auszudenken, die in Wirklichkeit bloße Selbstverständlichkeiten unseres Lebens sind. Wenn wir imstande wären, Hand in Hand aus diesem Fenster zu fliegen, über diese große Stadt zu schweben, behutsam die Dächer zu entfernen und auf all die sonderbaren Dinge zu blicken, die da vorgehen: die merkwürdigen Zufälle, die geplanten Projekte, die Widersprüche, die wunderbare Kette von Ereignissen, die durch Generationen fortwirken und zu höchst ausgefallenen Ergebnissen führen – das würde die gesamte Romanproduktion mit ihren Klischees und vorhersehbaren Folgen höchst abgestanden und unnütz erscheinen lassen.«
»Und doch bin ich nicht davon überzeugt«, antwortete ich. »Die Fälle, die in den Zeitungen erscheinen, sind in der Regel dürftig und vulgär genug. Wir haben in unseren Polizeiberichten einen bis an die äußersten Grenzen getriebenen Realismus, und doch ist das Ergebnis, wie man zugeben muss, weder spannend noch künstlerisch.«
»Um eine realistische Wirkung hervorzurufen, muss man eine bestimmte Auswahl treffen und besondere Diskretion walten lassen«, bemerkte Holmes. »Dies fehlt in einem Polizeibericht, wo mehr Gewicht vielleicht auf die nichtssagenden Äußerungen von Amtspersonen gelegt wird als auf Einzelheiten, welche für einen Beobachter den entscheidenden Kern der ganzen Angelegenheit darstellen. Glauben Sie mir, nichts ist so ungewöhnlich wie das Alltägliche.«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich kann durchaus verstehen, warum Sie so denken«, sagte ich. »Natürlich, in Ihrer Stellung als inoffizieller Ratgeber und Helfer für jeden, der in Schwierigkeiten ist, über drei Kontinente hinweg, kommen Sie mit allem, was fremdartig und bizarr ist, in Berührung. Aber hier«, ich hob die Morgenzeitung vom Boden auf, »lassen wir es auf eine praktische Prüfung ankommen. Hier ist die erste Überschrift, auf die ich stoße: ›Ehemann misshandelt seine Frau.‹ Es handelt sich um eine halbe Druckspalte, aber ohne sie zu lesen, weiß ich, dass mir alles völlig vertraut ist. Da gibt es natürlich eine andere Frau, den Alkohol, den kritischen Augenblick, den Schlag, die Beule, die teilnahmsvolle Schwester oder Vermieterin. Der geschmackloseste Schreiberling könnte sich nichts Geschmackloseres ausdenken.«
»Dies ist allerdings ein unglückliches Beispiel für Ihre Argumentation«, sagte Holmes, nahm die Zeitung und warf einen kurzen Blick darauf. »Es geht um den Scheidungsfall Dundas, und wie es sich so trifft, war ich damit beschäftigt, einige kleine Punkte in diesem Zusammenhang aufzuklären. Der Ehemann war Abstinenzler, es gab keine andere Frau, und worüber Klage geführt wurde, war die Tatsache, dass er die Gewohnheit angenommen hatte, jede Mahlzeit damit zu beenden, dass er seine Zähne herausnahm und sie seiner Frau hinschleuderte, was – mit Ihrer Erlaubnis – doch wohl keine Handlung ist, die mit einiger Wahrscheinlichkeit der Phantasie eines durchschnittlichen Geschichtenerzählers entspringt. Nehmen Sie eine Prise Schnupftabak, Doktor, und geben Sie zu, dass ich Sie bei Ihrem Beispiel ausgepunktet habe.«
Er hielt mir seine altgoldene Tabaksdose hin, die mitten auf dem Deckel einen Amethyst trug. Diese Pracht stand so sehr im Gegensatz zu seiner einfachen Lebensweise, dass ich nicht umhinkonnte, eine Bemerkung darüber zu machen.
»Ach«, sagte er, »ich vergaß, dass ich Sie einige Wochen nicht gesehen habe. Es ist ein kleines Andenken an den König von Böhmen als Entschädigung für meine Unterstützung im Fall der Irene-Adler-Papiere.«
»Und der Ring?«, fragte ich und schaute auf den beachtlichen Brillanten, der an seinem Finger glitzerte.
»Der stammt von der holländischen Königsfamilie. Jedoch war die Angelegenheit, in welcher ich ihr behilflich sein konnte, so heikel, dass ich sie nicht einmal Ihnen anvertrauen kann, der so freundlich gewesen ist, einen oder zwei meiner kleinen Fälle aufzuzeichnen.«
»Und haben Sie eben jetzt irgendwelche auf Lager?«, fragte ich interessiert.
»Etwa zehn oder zwölf Fälle, aber keinen, der interessante Gesichtspunkte aufweist. Sie sind wichtig, verstehen Sie, ohne interessant zu sein. Ja, ich habe herausgefunden, dass sich gewöhnlich gerade bei unwichtigen Fällen ein Feld für Beobachtung sowie eine schnelle Ursachen- und Wirkungsanalyse bietet, was den Reiz einer Ermittlung ausmacht. Die größeren Verbrechen neigen dazu, einfacher zu sein; denn je schwerer das Verbrechen, desto offensichtlicher ist in der Regel das Motiv. In diesen Fällen, ausgenommen eine ziemlich verwickelte Sache, die mir aus Marseille berichtet wurde,