Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle страница 18
»Nein?«
»Nun, Sie wissen, Vater mochte nichts dergleichen. Wenn er es vermeiden könnte, würde er nie Besucher haben, und er pflegte zu sagen, eine Frau solle mit ihrem eigenen Familienkreis zufrieden sein. Aber andererseits, wie ich immer zu Mutter sagte, möchte eine Frau erst einmal ihren eigenen Kreis aufbauen, und ich hatte noch keinen.«
»Aber Mr. Hosmer Angel? Machte er keinen Versuch, Sie wiederzusehen?«
»Nun, eine Woche später ging Vater wieder nach Frankreich, und Hosmer schrieb und meinte, dass es sicherer und besser wäre, uns nicht zu sehen, bis er abgereist sei. Wir konnten uns in der Zwischenzeit schreiben, und er pflegte jeden Tag zu schreiben. Ich nahm die Briefe morgens an mich, denn es war nicht nötig, dass Vater es erfuhr.«
»Waren Sie zu dieser Zeit mit dem Herrn verlobt?«
»O ja, Mr. Holmes. Nach dem ersten Spaziergang, den wir unternahmen, waren wir verlobt. Hosmer – Mr. Angel – war Kassier in einem Büro in der Leadenhall Street – und –«
»Was für ein Büro?«
»Das ist das Schlimmste, Mr. Holmes, ich weiß es nicht.«
»Wo wohnte er denn?«
»Er schlief auch dort.«
»Und Sie wissen seine Adresse nicht?«
»Nein, nur, dass es in der Leadenhall Street war.«
»Wohin richteten Sie denn Ihre Briefe?«
»An das Postamt in der Leadenhall Street, postlagernd. Er sagte, wenn sie ins Büro geschickt würden, würde er von all den anderen Angestellten aufgezogen werden, weil er Briefe von einer Dame bekommt. So schlug ich vor, sie mit der Maschine zu schreiben wie er die seinen, aber das wollte er nicht; denn, sagte er, wenn ich sie selbst schriebe, schiene es, als kämen sie von mir; aber wenn sie maschinegeschrieben wären, hätte er immer das Gefühl, als hätte sich die Maschine zwischen uns gedrängt. Das zeigt Ihnen deutlich, wie sehr er mich mochte, Mr. Holmes, und wie er alle Kleinigkeiten bedachte.«
»Es war äußerst beeindruckend«, sagte Holmes. »Es ist schon lange einer meiner Grundsätze, dass die kleinen Dinge bei weitem die wichtigsten sind. Können Sie sich an irgendwelche anderen Kleinigkeiten bei Mr. Hosmer Angel erinnern?«
»Er war ein sehr schüchterner Mann, Mr. Holmes. Er wollte lieber abends mit mir spazieren gehen als bei Tageslicht, denn er sagte, er hasste es aufzufallen. Er war sehr zurückhaltend und sanft. Sogar seine Stimme war sanft. Als er jung war, hatte er Mandelentzündung und geschwollene Drüsen gehabt, erzählte er mir, und davon blieben ihm ein anfälliger Hals und eine schleppende, flüsternde Sprechweise. Er war immer gut gekleidet, sehr sauber und schlicht; aber seine Augen waren schwach wie die meinen, und er trug getönte Gläser gegen das blendende Licht.«
»Gut. Und was geschah, als Ihr Stiefvater, Mr. Windibank, nach Frankreich zurückkehrte?«
»Mr. Hosmer Angel kam wieder ins Haus und schlug vor, wir sollten heiraten, bevor Vater wieder zurückkäme. Es war ihm schrecklich ernst, und er ließ mich mit der Hand auf der Bibel schwören, dass – was immer auch geschähe – ich ihm stets treu sein würde. Mutter sagte, er hätte ganz recht, mich schwören zu lassen, und dass das ein Zeichen seiner Leidenschaft wäre. Mutter war ihm von Anfang an zugetan und mochte ihn noch lieber als ich. Aber dann, als sie davon sprachen, noch diese Woche zu heiraten, fing ich an, wegen Vater zu fragen, aber sie sagten beide, ich sollte mir wegen Vater keine Gedanken machen, sondern es ihm einfach hinterher mitteilen, und Mutter sagte, sie würde das schon mit ihm in Ordnung bringen. Mir gefiel das nicht so recht, Mr. Holmes. Es schien mir lachhaft, dass ich ihn um Erlaubnis fragen sollte, wo er doch nur ein paar Jahre älter ist als ich; aber ich wollte nichts heimlich tun, und so schrieb ich Vater nach Bordeaux, wo die Gesellschaft ihre französischen Büros hat, aber der Brief kam gerade am Hochzeitsmorgen an mich zurück.«
»Er hatte ihn also verfehlt?«
»Ja, Sir, weil er gerade nach England abgereist war, bevor der Brief ankam.«
»Ha, das war bedauerlich. Ihre Hochzeit war also für Freitag festgesetzt. Sollte sie in der Kirche stattfinden?«
»Ja, Sir, aber in aller Stille. Sie sollte in St. Saviour sein, bei King’s Cross, und wir wollten hinterher im Hotel ›St. Pancras‹ frühstücken. Hosmer kam in einer zweirädrigen Droschke, um uns abzuholen, aber da wir zu zweit waren, setzte er uns beide hinein und stieg selbst in eine vierrädrige, die zufällig gerade die einzige Droschke in der Straße war. Wir kamen zuerst bei der Kirche an, und als die vierrädrige vorfuhr, warteten wir, dass er aussteigen sollte, aber er tat es nicht, und als der Droschkenkutscher von seinem Bock herunterstieg und nachschaute, war niemand drinnen! Der Droschkenkutscher sagte, er könne sich nicht vorstellen, was aus ihm geworden sei, denn er habe ihn mit eigenen Augen einsteigen sehen. Das geschah letzten Freitag, Mr. Holmes, und ich habe seither nichts gesehen oder gehört, das ein Licht darauf werfen könnte, was aus ihm geworden ist.«
»Mir scheint, Sie sind sehr schändlich behandelt worden«, sagte Mr. Holmes.
»O nein, Sir! Er war zu anständig und liebenswürdig, um mich so zu verlassen. Und dann sagte er den ganzen Morgen zu mir, dass ich, was auch immer geschähe, ihm treu bleiben solle; und dass auch, wenn etwas ganz Unvorhergesehenes eintreten und uns trennen würde, ich mich stets daran erinnern solle, dass ich ihm versprochen sei und dass er früher oder später dieses Versprechen einfordern werde. Es schien ein befremdliches Gespräch für einen Hochzeitsmorgen, aber was seither geschah, gibt dem Ganzen einen Sinn.«
»Ganz sicherlich tut es das. Ihre eigene Meinung ist also, dass ihm eine unvorhergesehene Katastrophe widerfahren ist?«
»Ja, Sir. Ich glaube, dass er eine Gefahr ahnte, sonst hätte er nicht so gesprochen. Und dann, denke ich, ist seine Befürchtung eingetreten.«
»Aber Sie haben überhaupt keine Vorstellung, was das gewesen sein könnte?«
»Keine.«
»Eine weitere Frage. Wie nahm Ihre Mutter die ganze Sache auf?«
»Sie war ärgerlich und sagte, dass ich nie wieder davon sprechen solle.«
»Und Ihr Vater? Erzählten Sie ihm davon?«
»Ja, und er dachte genau wie ich, dass etwas passiert sei und dass ich wieder von Hosmer hören würde. Wie er sagte: Welches Interesse sollte irgendjemand daran haben, mich bis zur Kirchentür zu bringen und dann zu verlassen? Also, wenn er Geld von mir geliehen hätte oder wenn er mich geheiratet hätte und ihm mein Geld überschrieben worden wäre, dann hätte er einen Grund gehabt; aber was Geld anbetrifft, war Hosmer völlig unabhängig und würde niemals einen Schilling von mir anschauen. Und dennoch, was könnte geschehen sein? Und warum schreibt er wohl nicht? Oh, es macht mich halb wahnsinnig, daran zu denken! Und ich kann nachts kein Auge zutun.« Sie zog ein kleines Taschentuch aus ihrem Muff und fing an, heftig hineinzuschluchzen.
»Ich werde für Sie einen Blick auf den Fall werfen«, sagte Holmes und erhob sich, »und ich zweifle nicht, dass wir ein eindeutiges Ergebnis erreichen werden. Überlassen Sie die Bürde dieser Angelegenheit nun mir, und lassen Sie Ihre Gedanken nicht länger dabei verweilen. Vor allem, versuchen Sie, Mr. Hosmer Angel aus Ihrem Gedächtnis verschwinden zu lassen, so wie er schon aus Ihrem Leben verschwunden ist.«
»Dann