KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL. Klaus Hübner

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KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL - Klaus Hübner

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man endlich Onan Kirchen baut, diesem Propheten, der, radikal das Wachset und Werdet mehr! verweigernd, von allen Propheten der weitsichtigste ist. Weniger müssen wir werden, nicht mehr!« Prophetisch? Zuallererst: Spracherotik pur!

      Christoph Braendle: Onans Kirchen. Roman. Wien 2012: Czernin Verlag. 269 S.

      Ein Maler in Rom. Erotisches von Christoph Braendle

      Bei Christoph Braendle, dem Schweizer Weltenbummler aus Wien, geht es selten ganz ohne Erotik ab. Braendle hat als Journalist und Reporter gearbeitet, er hat skurrile Theaterstücke und glänzende Essays verfasst, und er hat eine beachtliche Menge an literarischen Büchern publiziert, unglücklicherweise in ganz unterschiedlichen Verlagen. Was seiner Sichtbarkeit nicht guttat. Seinen Werken gemeinsam sind ihre hohe sprachliche Qualität, der wache, neugierige Blick auf die Welt sowie die immer wieder verblüffende Originalität des jeweiligen Themas und der dafür gewählten literarischen Form. Und darüber hinaus eben: die Beschäftigung mit der Lust und der Liebe, mit den zahllosen Spielarten des Erotischen. Das gilt auch für seinen jüngsten Roman.

      Aus den Augen spielt in Rom, wo ein aus dem geistfeindlichen und intriganten Wiener Künstlermilieu geflüchteter junger Maler die alten Meister studiert, vor allem die Marien- und sonstigen Frauenfiguren in den zahlreichen Kirchen der Ewigen Stadt. Langweilig? Nein, denn gleich zu Beginn begegnet er in seinem Stammcafé nahe der Piazza Navona einem alten und offenbar sehr reichen Mann, der ihm ein ungewöhnlich hohes Honorar verspricht, wenn er dessen wesentlich jüngere Gattin Lisa porträtiert. Nackt natürlich. Öl auf Leinwand, zwei Meter fünfzig mal ein Meter sechzig. Zum Deal gehört, dass ihm der alte Herr in aller Ausführlichkeit seine Lebens- und Liebesgeschichte erzählen darf – was dem Maler anfangs gar nicht recht ist. Doch diese Geschichte, dominiert von der Jagd nach einem erfüllten und glücklichen, einem erotischen und zugleich ästhetischen Leben, ist extrem spannend. Zumal die üppige, kluge und lebensweise Gemahlin und der in den Sog der pikanten Konstellation hineingezogene Ich-Erzähler ganz andere, vielleicht zeitgemäßere Sichtweisen einbringen als der alte Herr, »der typische Repräsentant einer verzweifelten Linken, saturierten Wohlstand genießend inmitten einer finsteren, Depression erzeugenden Welt«. Aus den Augen entfaltet drei auf ganz unterschiedliche Weise vom Eros getriebene Lebensläufe mit oft überraschenden Wendungen und jähen Volten. »Wir sind Gefangene unseres Schicksals«, heißt es einmal, und womöglich ist das durchaus programmatisch gemeint. Drei Hauptfiguren also. Das bedeutet hier auch: häufige Perspektiven- und Sprachwechsel, Vermischung und Verschachtelung der Erzählebenen und -zeiten, Zitate aus der Kunst-, Literatur- und Filmgeschichte – modernes Erzählen eben. Der Lesbarkeit schadet das nicht, und die Leserneugier bleibt bis zum Schluss erhalten. Ja, vielleicht hat der junge Maler am Ende wirklich ein vollendetes Meisterwerk geschaffen! Doch hat es ihm geholfen? Kann Kunst helfen? Und wenn nicht, wozu ist sie dann überhaupt da? Aus den Augen ist, ganz nebenher, auch ein kunstphilosophischer Roman. Mehr wird nicht verraten.

      Christoph Braendle: Aus den Augen. Roman. Weitra 2019: Verlag Bibliothek der Provinz. 226 S.

      Vom kleinen großen Leben. Ein ergreifender Roman über Armut und Glück

      Den Ton dieser Prosa lässt schon ihr Prolog anklingen: »Einmal wird die Sonne untergehen, abends um acht werden die Nachrichten gesendet und später wird das Wetter für den folgenden Tag angekündigt. All das wird geschehen, aber du wirst nicht mehr da sein.« Der fünfjährige Josef hat Angst, der Krieg kommt ins Dorf. Die einjährige Rosa schläft im Arm ihres Vaters, plötzlich zischt es, der Apfelbaum zerbirst – die Granate hat beide nur um eine Armlänge verfehlt. So fangen zwei Leben an, die füreinander bestimmt sein werden. Die Magie, die von Motoren ausgehen kann, wird Josef seit seinem dreizehnten Geburtstag begleiten: zuerst das Moped, dann der jahrelang mit Hingabe instand gesetzte Fiat Topolino, später der rote Buick. Mit zwanzig besucht er den Jahrmarkt in der nahen Kreisstadt, und sein Herz ahnt, »dass sich schon bald etwas ganz Großes ereignen würde«. Von diesem ganz Großen, einer lebenslangen innigen Liebe nämlich, handelt der nicht nur durch Vor- und Rückblenden gekonnt rhythmisierte Roman. Rosa und Josef stammen aus armen Verhältnissen, und als sie die »Anzeige einer Textilfirma im Westen« sehen, verlassen sie ihre Heimat. Die Armut wird sie begleiten, auch der Hunger. Die Fabrikarbeit ist eintönig und macht krank. Als sie heiraten, sagt Rosa: »Glücklicher kann man gar nicht sein.« Glück gibt es immer wieder, Angst und Schmerz auch. Gemeinsam werden sie alt, Rosa geht, die Liebe bleibt. Noch als sterbensmüder alter Mann gleicht Josef einem Schiff, »das niemals ein Ufer erreicht« – aber er weiß, dass es doch ein Ufer für ihn gibt, und dort wird Rosa auf ihn warten. Was bedeutet ihm die Welt noch, ohne sie? Ohne seinen roten Buick? »Gebt acht auf jeden Augenblick eures Lebens!«, hatte die Großmutter gesagt. Das taten sie, bis zum Ende.

      In Österreich ist der 1966 in Vorarlberg geborene Jürgen-Thomas Ernst kein Unbekannter. In Deutschland schon. Das kann sich ändern. Schweben ist kein intellektuell anspruchsvoller oder formal besonders avancierter Text, sondern ein sympathisches, oft ergreifendes und erschütterndes Buch. Leicht zu lesen ist es außerdem. Ein wunderbares Geschenk für die Großeltern – darüber hinaus aber auch für alle, die sich vom poetischen Glanz eines kleinen großen Lebens verzaubern lassen möchten.

      Jürgen-Thomas Ernst: Schweben. Roman. Wien 2017: Braumüller Verlag. 204 S.

      Gott schuf keine Brücken. Gespräch mit Ilir Ferra

      Ilir Ferra wurde 1974 in Durrës (Albanien) geboren und gelangte 1991 nach Österreich. An der Universität Wien studierte er Translationswissenschaften (Englisch und Italienisch). Heute lebt er als Schriftsteller, Dolmetscher und Übersetzer mit seiner Familie in Wien. Für seine Erzählung Halber Atem (2008) erhielt er den Preis des Vereins Exil (»Schreiben zwischen den Kulturen«), für seinen Roman Rauchschatten (2010; Neuauflage 2015) den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis. Es folgten der Roman Minus (2014) und der Prosaband Aus dem Fluss (2014). Die Studie Erzählen zwischen Macht und Ohnmacht: Ilir Ferra von Holger Englerth, von der in diesem Gespräch mehrfach die Rede ist, findet sich in dem von Wiebke Sievers herausgegebenen Band Grenzüberschreitungen. Ein literatursoziologischer Blick auf die lange Geschichte von Literatur und Migration (Böhlau Verlag, 2016) auf den Seiten 201–234.

      Die meisten eingewanderten Schriftsteller wollen als deutschsprachige Autoren wahrgenommen und nicht immer wieder auf ihre andere Muttersprache oder ihre kulturelle Herkunft aus einem anderen Land angesprochen werden. Sie auch? Warum? Weil Albanien nur in Ihren ersten sechzehn Lebensjahren prägend war?

      Ich kann nicht beurteilen, wie das andere Autoren sehen. Als Autor fokussiere ich mich nur auf das Schreiben. Schreiben ist ein sehr konzentrierter, sehr reduzierter Prozess, dabei befasse ich mich nur mit dem Stoff, alles andere existiert für mich in diesem Moment nicht. Als Person, die ich zwischendurch natürlich auch bin, kann ich diese Frage aber schon beantworten: Die Wahrnehmung meiner Texte durch das Feuilleton, aber vor allem durch die Leser, spielt für mich eine immense Rolle. Ein Text ist meiner Einschätzung nach gelungen, wenn er dem Leser einen direkten Zugang verschafft zum Inhalt, zum Thema, zur Sprache und zur verdichteten Welt des Textes. Mein Schreiben strebt seit Anfang an immer nur zum Leser, während ich gleichzeitig bemerke, dass meine kulturelle Herkunft als Filter herangezogen wird. In der Sportwettenterminologie nennt man das ein Handicap. Und wenn ich bei diesem Vergleich bleiben darf, Handicapwetten werden für alle Teilnehmer eines Rennens angeboten – auf wen man dann eine Handicapwette abschließt, entscheidet der Kunde. Das Feuilleton hingegen, das dann die Vermittlerrolle eines Buchmachers einnähme, bietet diese Handicapwetten nur für eine bestimmte Gruppe der Beteiligten an. In dieser Sicht ist das unfair, weil es in gewisser Weise manipulierend ist. Andererseits muss aber auch hinterfragt werden, ob die Autorengruppe, der ich angehöre, durch ihre Wahl von Thema und Schauplatz nicht auch selbst einen

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