KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL. Klaus Hübner

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KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL - Klaus Hübner

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      Für meine Texte spielt mein »kultureller Hintergrund« eine enorme Rolle. Ich kann ihn nicht leugnen und möchte ihn nicht missen. Wenn ich versuche, mich von ihm zu lösen, fallen die Texte in sich zusammen, sie verlieren – ich kann es nicht anderes sagen – ihr Wesen. Doch alles ist im Text bereits enthalten und wird durch jede Schubladisierung verfälscht. Andererseits wird dadurch eine Metaebene erschaffen, die für mich selbst sehr spannend ist: Ganz gleich, welche Rolle man gegenüber Autoren mit einer anderen Muttersprache einnimmt, und sei es die wohlwollendste, sie wird immer falsch sein, wenn sie nicht den Text in den Vordergrund stellt und vom Text ausgeht – und nicht von seinem »Background«. Als Autor wünscht man sich kaum etwas mehr als eine Kritik, die sich voll und ganz auf den Stoff einlässt. Im Idealfall sollte sie von der Person des Autors und den Schauplätzen seines Texts unabhängig sein. Natürlich sieht das das Feuilleton ganz anders. Das wird anders gehandhabt, weil in meinen Augen die Grenzen zwischen Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Kunst verschwimmen. Die Literatur genügt nicht mehr. Sie genügt natürlich sich selbst, sie genügt vereinzelten Wissenschaftlern und Lesern, aber dem Feuilleton genügt sie meiner Wahrnehmung nach nicht. Womit das Feuilleton sich überflüssig macht, nicht die Literatur. Trotzdem kann ich nicht abstreiten, dass ich mit der Themenwahl meiner Romane solche Erwartungen auch selbst geschürt habe. Vielleicht auch aus dem Grund, dass ich selbst der Vorstellung erlegen bin, dass Literatur allein sich nicht genügen kann, soll, darf.

       Warum werden deutschsprachige Literaten, die mit einer anderen Kultur verbunden sind, häufig als Experten für ihre frühere Heimat angesehen – oft auch für eine Region, die niemals ihre Heimat war? Warum muss Ilir Ferra immer wieder über Albanien Auskunft geben? Muss das so sein?

      Ich glaube, das liegt einfach in der menschlichen Natur. Lesungen schaffen immer einen beträchtlichen Grad an Intimität. Jedenfalls meine Lesungen. Manche Besucher lassen sich auf die Texte ein. Das verleiht mir als Autor eine gewisse Autorität. Ich denke, dass das mit Vertrauen zu tun hat. Wenn eine Person so viel von sich preisgibt wie ein heutiger Autor, erwartet man von ihr automatisch, dass sie auf Fragen nach Politischem und Gesellschaftlichem auch ehrlich antwortet. Tatsache ist, dass ich bei Lesungen deutschsprachige Besucher habe, die öfter als ich in meinem Heimatland gewesen sind. Nicht so lang, sicherlich, aber öfter. Tatsache ist aber auch, dass diese Besucher einen anderen Zugang zu dem Land haben als ich. Deshalb denke ich, dass sie da meine Meinung interessiert. Das kann man auch als Zeichen der Wertschätzung sehen. Das Problem ist nur, was man daraus macht. Ich versuche oft, neutral zu sein. Als Person ergreife ich schon Partei: Wenn ich deutlich zu sehen vermeine, dass Ungerechtigkeit herrscht, muss ich mich dagegen stellen. Das sollte ich vielleicht als Autor nicht. Aber das ist dann der schmale Grat, auf dem man sich zu bewegen hat. Beantwortet man die Frage als Autor oder als Person? Meistens bin ich ein Zwischending, weit entfernt von einem Experten. Deshalb bin ich nicht einmal so undankbar über solche Fragen. Ich höre sie gern und versuche mich darauf einzulassen. Ich bezweifle aber, dass die Gesprächspartner sich dann auf meine Antworten einlassen. Denn, abgesehen von sehr grundsätzlichen Themen, zu denen ich eine klare Haltung habe, sind meine Antworten sehr relativierend, und vielleicht wirken sie schwammig und abschweifend. Das kann so sein, weil ich selbst während der Antworten einen Standpunkt suche, ihn fallen lasse und damit vielleicht vermittle, dass es einfach nicht möglich ist, sich eine Meinung über Lebensumstände in einem anderen Land zu bilden, wenn man sich nicht auf die Menschen einlässt, die dort leben.

      Zusammenfassend: Das ist eine Erwartungshaltung, die ich gerne erfülle, für die ich auch dankbar bin. Bei der aber oft ein schaler Beigeschmack zurückbleibt, weil ich sehe, dass man mich meistens fragt, um eigene Vorstellungen und Expertenaussagen bestätigt zu finden, während ich eher eine Einladung ausspreche, mich mit dem Gesprächspartner darauf zu einigen, dass es so viele unterschiedliche Welten gibt wie Menschen. Und dass das natürlich auch für die Albaner gilt.

       Sie sind monolingual aufgewachsen, ganz im Albanischen. Toskisch oder Gegisch?

      Meine Familie kommt aus dem Süden, also ist der toskische Einfluss am größten. Ich bin aber in Durrës zur Welt gekommen und aufgewachsen, und da spricht man den Dialekt Mittelalbaniens, der eigentlich schon fast die Standardsprache ist. Natürlich bleibt ein starker Bezug zum Toskischen, da bewegt sich was in mir, das eigentlich außerhalb von mir liegt. Klingt wahrscheinlich etwas nach Hokuspokus, fühlt sich aber auch so an.

       Von den rund sechs Millionen Albanern auf dem Balkan – die in den Westen ausgewanderten lassen wir hier einmal weg – lebt nur knapp die Hälfte in der Republik Albanien. Viele wohnen im Kosovo und in Mazedonien, auch in Griechenland, Montenegro und Serbien. Lebt Ihre Familie, leben Ihre früheren Freunde alle in Albanien?

      Das hier angesprochene Thema verdiente eine gesonderte Abhandlung. Ich sage nur: Das albanische Volk will faktische Gleichbehandlung und, wenn es in der Minderheit ist, will es die Rechte, die Minderheiten zustehen. Meine Haltung zu dieser Frage entspringt aber nicht meinem besonderen Bezug zu den Albanern, sondern sie ist schlicht meine Haltung zu Menschenrechten, welche für alle Menschen überall gleich gelten sollen. Zu Ihrer Frage: Ja, ich fühle eine starke Bindung zu meiner Familie, unabhängig davon, wo sie sich befindet. Natürlich sind einige meiner Verwandten ausgewandert. Viele sind aber auch in Albanien geblieben. Ich versuche hinzufliegen, so oft ich kann. Leider aber geschieht das sehr selten.

       Welche Spuren haben Österreicher und Deutsche in Albanien hinterlassen?

      Das muss ein Historiker beantworten. Ich komme ja aus Durrës. Man nennt die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, »der Hügel«, weil sie am Fuße eines Hügels liegt. Ganz oben auf diesem Hügel steht die königliche Residenz. Dort hat König Zog gewohnt, der ja mithilfe der Österreicher an die Macht kam. Er war in der k.u.k.-Monarchie ein Offizier albanischer Abstammung. Eine prominentere Spur kann man sich kaum vorstellen, wie mir eigentlich erst jetzt bewusst wird. Tatsache ist, dass jeder gebildete Albaner Österreich gegenüber eine große Dankbarkeit an den Tag legt. Österreich hat sich nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches stark dafür eingesetzt, dass der Staat Albanien gegründet wird, und sich der gewaltsamen Vertreibung der Bevölkerung aus den Gebieten, die diesem Staat nicht eingegliedert wurden, entgegengesetzt. Das war noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs, und noch immer ist die Dankbarkeit für diese politische und diplomatische Unterstützung deutlich spürbar. In der Tat herrscht in der albanischen Bevölkerung ein großes Vertrauen in die deutsche und österreichische Politik und Diplomatie. Dieses Vertrauen ist so groß, dass sich manche der dortigen Politiker, vor Wahlen, gerne auf Fotos mit deutschen und österreichischen Politikern zeigen. Wobei einige dieser albanischen Politiker nicht als ganz bedenkenlos betrachtet werden sollten.

       Wann und wo haben Sie zum ersten Mal von Deutschland, Österreich, der deutschen Sprache gehört? Gab es eine Art frühes (jugendliches) Bild von Deutschland und Österreich?

      Das Bild von Deutschland war höchst gespalten. Ich war anfangs in einer Musikschule, dort war stets Musik zu hören, meist Übungsstücke. Ich vermute, dass es sich dabei vorwiegend um Bach gehandelt hat. Bewusst erkannt habe ich damals aber nur die gängigsten Stücke von Beethoven. Doch diese Musik stand für mich nicht in direktem Zusammenhang mit Deutschland. Sie wurde als Teil der menschlichen Kulturgeschichte betrachtet und hat sich offenbar von ihrer nationalen Identität völlig gelöst. Wie bei den Versen von Goethe oder Schiller, die in meinen damaligen Schulbüchern auch vertreten waren. Und was kann Kunst Schöneres geschehen, als allen Menschen zu gehören?

      Aber zu Ihrer Frage: Ich kann mich erinnern, dass ich in meiner Kindheit eine albanische Inszenierung von Brechts Arturo Ui gesehen habe. Auch das hatte in meiner Wahrnehmung nichts mit Deutschland zu tun. Vielmehr war meine erste Deutschlandassoziation – als durchschnittlicher Junge in einem kommunistischen Land – der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus. Das ist erstaunlich, weil ich in der gleichen Zeit ein sehr differenziertes Bild von Italien hatte, vor allem durch das Fernsehen. Und bei

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