KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL. Klaus Hübner

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KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL - Klaus Hübner

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und damit eine Perspektive einnehmen, die gewisse Einsichten verschaffen könnte.

      So viel zum Thema »Biografie«. Ihre Frage war eine ganz andere, aber die habe ich ja oben beantwortet. Ich weiß, abgesehen von höchstens zwei grundlegenden Sachen, nicht, was richtig ist. Am wenigsten, wenn es um eine Aussage über meine Texte geht. Ich kann einen Text von mir genauso wenig beurteilen oder deuten wie mich selbst. Ich kann nur sagen, was meine Absicht war und worum ich mich am meisten bemüht habe – und das ist eben, meine Erfahrung von mir selbst loszulösen, damit sie für den Leser dann als seine eigene funktioniert. Natürlich finde ich es inzwischen anmaßend, dem heutigen Leser das zuzumuten. Aber das war der Hintergrund von Rauchschatten und Minus. Jetzt bin ich auf der Suche nach einem neuen Standpunkt, der dem Leser und vor allem dem Feuilleton, sagen wir, eher entgegenkommt.

       Minus sei keine Reportage aus einem Wettlokal, sondern reflektiere in erster Linie »die Unmöglichkeit des objektiven Erzählens über >fremde< Welten«. Auch richtig?

      Zu Rauchschatten habe ich einen gewissen zeitlichen Abstand, zu Minus ist er kleiner. Trotzdem ist es nicht meine Absicht, meine eigenen Texte zu interpretieren. Ich kann das nicht. Vor allem, wenn es sich um Rauchschatten und Minus handelt. Sobald ich diese Texte zu lesen beginne, spüre ich, dass da etwas zugange ist, das mich sehr stark, vielleicht zu stark beschäftigt hat. Ich wüsste nicht, womit ich diesen Zustand vergleichen soll. Ist es eine Erinnerung, ein Einschnitt, der einen viel zu sehr vereinnahmt hat? Ich kann es nicht sagen. Deshalb kann ich meine Bücher auch nicht beurteilen, bewerten oder positionieren. Wenn ich das tue, geschieht es meistens nur auf einer einzigen Ebene. Auf der Ebene nämlich, auf die ich mich im laufenden Gespräch beziehe. Aber ich spüre immer, während ich das tue, dass das eine Verallgemeinerung, eine Einschränkung des Textes ist. Also bin ich am Ende oft selbst derjenige, der die Schubladisierung durchführt. Ich liebe Bücher, die von unterschiedlichen Lesern unterschiedlich gelesen werden. Offenbar bieten auch meine Texte solche Möglichkeiten. Der Moment, in dem ich mit dieser Erkenntnis konfrontiert werde, bildet eine der wesentlichsten und wenigen Belohnungen, die ich als Autor überhaupt erfahre. In erster Linie freue ich mich darüber, weil das auf eine Auseinandersetzung mit dem Text hinweist. Trotzdem kann ich diese Betrachtungen nicht beurteilen. Genauso wenig wie die Gleichgültigkeit des Feuilletons in Bezug auf Minus. Ich ziehe Schlüsse daraus, aber ich beurteile sie nicht.

      Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, diese Beobachtung nehme ich als einen Hinweis darauf, dass das Buch organisch geworden ist und sich je nach Perspektive und Voraussetzungen der Leser verändern kann – und das strebe ich auf jeden Fall an.

       Ihre Bücher werden oft als authentische Texte über fremde Welten gelesen und auf Inhalte reduziert. Kränkt Sie das? Oder haben Sie sich damit abgefunden und bedienen erfolgreich eine Marktlücke? Sind Sie »Berufsalbaner« geworden?

      Für einen Autor ist es wichtig, dass seine Bücher gelesen werden. Für mögliche Missverständnisse, so glaube ich, ist nicht der Leser, sondern der Autor verantwortlich. Das hat bei mir zu einer massiven Reflexion über meine Arbeit und meine Herangehensweise geführt. In der Tat fühle ich mich missverstanden, wenn ständig nur gewisse Hintergründe meiner Erzählerfiguren stark in den Vordergrund rücken, während die Kernaussagen der Texte völlig übergangen werden. Aber laut Holger Englerth sind sie vorhanden und auch erkennbar. Die Tatsache, dass sie übersehen werden, scheint im Rückschluss gewisse Ansichten meiner Erzählerfiguren zu bestätigen. In welchem Maße bin ich selber diese Erzählerfiguren? Tatsache ist, ich bin diese Erzählerfiguren, ich bin sie eigentlich in der Zeit, in der ich schreibe, zu einhundert Prozent Aber ich bin sie nur vorübergehend. Eine Art Method-Acting, das ich bislang oft als Herangehensweise angewendet habe. Ich habe den Eindruck, dass ich mich inzwischen davon entferne. Natürlich ist das für mich auch ein Spiel gewesen: mal sehen, wer es schafft, dahinterzukommen, was sich da abspielt, mal sehen, wer sich auf dieses Identitätsspiel einlässt. In der Entstehungszeit von Rauchschatten und Minus kamen solche Identitätsspiele in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur oft vor. Ich habe Rezensionen anderer Bücher gelesen, die dieser spielerischen Komponente besondere Aufmerksamkeit schenkten. Da habe ich mich schon gewundert – wie kann es sein, dass der Perspektivenwechsel bei Rauchschatten, der namenlose Ich-Erzähler bei Minus bestenfalls in einem Nebensatz erwähnt wurden? Während das, literarisch betrachtet, meine Spielwiese war. Aber vielleicht fand dieses Identitätsspiel in der Literatur in einem umzäunten Park statt, und man konnte mich da nicht sehen oder hereinlassen? Ich weiß nicht.

      Was den Berufsalbaner beziehungsweise die Marktlücke anbelangt: Irgendetwas daran wird wohl stimmen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich der Quotenalbaner oder -migrant bin. Aber mich stört das nicht im Geringsten. Ich empfinde ein größeres Interesse für Migranten als notwendig, auch ein steigendes Interesse für Albanien. Die albanische Bevölkerung innerhalb wie außerhalb der albanischen Grenzen darf nicht mehr zur Geisel profithungriger Politiker oder ultranationalistischer Diktatoren werden. Das geht einfach nicht. Es ist gut, dass das europäische Gewissen in dieser Hinsicht langsam aufzuwachen erscheint.

       Sprachwechsler wie Chamisso oder Nabokov, Joseph Conrad oder Elias Canetti sind heute weltberühmte Schriftsteller. Was bringt es für das Verständnis ihrer Werke, wenn man immer wieder auf ihre sprachlichen und kulturellen Wurzeln hinweist?

      Ich denke, dass es nicht viel bringt. Nicht, weil sie für mich unbedeutend wären. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sind für mich von enormer Wichtigkeit. Ich bin in Albanien geboren und dort sozialisiert worden. Ich habe dort gelernt, was Freundschaft bedeutet, was Vertrauen bedeutet. Ich habe die wichtigsten Werte von dort mitgenommen. Anfangs habe ich gedacht, dass ich mich anpassen sollte, und habe all diese Wertvorstellungen neu auszurichten versucht. Jetzt, da ich in Österreich auch eine Familie gegründet habe und in einer Gegend lebe, in der ich mich sehr wohl, ja angekommen fühle, habe ich erkannt, dass diese Neuausrichtung die Menschen, denen ich begegnet bin, irritiert hat. Ich habe zu dem Menschen zurückgefunden, der ich in Albanien schon war, und ihn hier in Wien wieder zum Leben erweckt. Jetzt sehe ich, dass ich in Wien die gleiche Art von Freundschaften und die gleiche Art von Vertrauen finde, wie ich das als Jugendlicher in Albanien kannte. Dafür musste ich mich, wie gesagt, nicht nur öffnen, sondern von der Vorstellung befreien, dass ich mich da ändern, verändern, anpassen müsste. Ich glaube, dass Authentizität, im Sinne von Offenheit, vor allem auch von Ehrlichkeit, eine sehr bedeutende Stütze jedes menschlichen Zusammenlebens ist. Und damit meine ich, dass jeder zu seinem eigenen Wohl verpflichtet ist, seine Ängste, seine Bedenken oder seine Kritik ehrlich anzusprechen. Aber natürlich auch die Gemeinsamkeiten, die meiner Meinung nach immer überwiegen, wenn man eben ehrlich zu sich selber ist.

      Das ist ein zentraler Punkt der westlichen Demokratie, finde ich. Nämlich, dass man auf die Kritik und die Bedenken seines Gegenüber eingeht. Ich finde, dass hier gewisse Rückschritte gemacht werden: Menschen, die Bedenken zu Themen wie Migration und Flüchtlinge äußern, werden gleich in eine Ecke geschoben. Diese Menschen haben aber nicht zuletzt durch die Präsidentschaftswahlen in Österreich und Frankreich ganz deutlich gezeigt, dass sie sich keineswegs so leicht blenden lassen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Dialogkultur etwas schwächer geworden. Aber diese Dialogkultur macht die Demokratie eigentlich aus! Die Österreicher sagen: »Durchs Reden kommen die Leit zamm!«

      Aber nun wieder zurück zur Frage, die ich nicht korrekt beantworten kann, wenn ich das oben Gesagte verschwiegen hätte. Also, je länger ich mich in Österreich aufhalte, umso mehr merke ich, dass meine kulturellen Wurzeln nicht einmal so exotisch sind. Aber ich sehe ich mich auch nicht als ein starres System. Wie alle anderen Personen, denen ich begegne, verändere ich mich ständig. Ich verändere mich aber in besonderem Ausmaß. Das hat auch mit meiner Tätigkeit als Autor zu tun. Bei jedem neuen Roman verändere mich beinahe vollständig. Mir scheint, ich bin dann ein ganz neuer Mensch. Ob da die Wurzeln gleich bleiben, vermag ich nicht zu sagen. Sicher wäre es einfacher, wenn es so wäre, aber ich kann nicht sagen, ob das so ist. Man wird sagen: Mit Wurzeln meint

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