Gesang der Fledermäuse. Olga Tokarczuk

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Gesang der Fledermäuse - Olga Tokarczuk

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Hügel. Matogas Holzklafter könnte man als ein lokales Kunstwerk auffassen. Dem Reiz dieser schönen, spiraligen Ordnung kann ich mich nicht entziehen. Immer wenn ich dort vorbeigehe, bleibe ich einen Moment stehen und bewundere diese beispielhafte Zusammenarbeit von Hand und Kopf, die mit etwas so Banalem wie Brennholz die vollkommenste Bewegung im Universum ausführt.

      Der Pfad vor Matogas Haus ist so gleichmäßig mit Kies bestreut, dass man glauben könnte, es sei ein besonderer Kies, aus identischen Steinchen, von Hand ausgesucht, in unterirdischen Felsenhöhlen oder in von Kobolden geführten Kiesfabriken. Vor seinen Fenstern hängen saubere Gardinen, gleichmäßig gefältelt, sicher verwendet er für diesen Effekt eine spezielle Vorrichtung. Seine Blumen im Garten stehen fein säuberlich und ordentlich da, gerade aufgerichtet und schlank, als hätten sie ein Fitnesstraining absolviert.

      Als Matoga in der Küche hantierte und uns Tee machte, fiel mir auf, wie akkurat die Tassen in seinem Geschirrschrank standen, was für ein makelloses Deckchen auf der Nähmaschine lag. Er hatte sogar eine Nähmaschine! Beschämt hielt ich meine Hände zwischen die Knie gepresst. Meinen Händen hatte ich lange Zeit kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Also, es ließ sich nicht verbergen, dass meine Fingernägel ganz einfach schmutzig waren.

      Als er die Teelöffelchen holte, sah ich kurz das Innere der Schublade, und ich konnte meinen Blick nicht davon abwenden. Sie war breit und flach wie ein Tablett. In den mittleren Fächern lagen sorgfältig nebeneinander das Besteck und daneben die anderen Küchenutensilien. Jeder der mir größtenteils unbekannten Gegenstände hatte seinen eigenen Platz. Matogas knochige Finger wählten bedächtig zwei Löffel aus und legten sie auf die zartgrünen Servietten neben unseren Teegläsern. Leider zu spät, denn ich hatte meinen Tee bereits ausgetrunken.

      Es war nicht leicht, mit Matoga ein Gespräch in Gang zu halten. Er war sehr wortkarg. Wenn man nicht sprechen kann, muss man schweigen. Mit manchen Personen sind Gespräche fast unmöglich, besonders mit männlichen. Ich habe eine Theorie zu dem Thema. Viele Männer erkranken mit fortschreitendem Alter an Testosteron-Autismus, was mit einem langsamen Schwinden der sozialen Intelligenz und einem zunehmenden Unvermögen, was zwischenmenschliche Kommunikation betrifft, einhergeht und auch das Formulieren von Gedanken beeinträchtigt. Ein von diesem Leiden befallener Mensch wird schweigsam, er scheint immer in Gedanken versunken zu sein. Er ist mehr an Gegenständen und Mechanismen interessiert. Etwa am Zweiten Weltkrieg, den Biografien bekannter Persönlichkeiten, besonders von Politikern und Verbrechern. Er verlernt fast völlig, Romane zu lesen, denn der Testosteron-Autismus behindert das psychologische Verstehen der Figuren. Ich glaube, dass Matoga so ein Fall war.

      Doch an diesem Morgen konnte man von niemandem besondere Redseligkeit verlangen. Wir waren einfach nur bedrückt.

      Andererseits war ich erleichtert. Manchmal, wenn man sein Denken weiter fasst und die Gewohnheiten des Geistes ebenso mit einbezieht wie die Bilanz der Tätigkeiten, wird einem klar, dass das Leben des einen nicht in jedem Fall gut für die anderen ist. Ich glaube, jeder wird mir Recht geben.

      Ich bat um ein weiteres Glas Tee, eigentlich nur, um ihn mit dem hübschen Löffel umzurühren.

      »Einmal habe ich mich wegen Bigfoot bei der Polizei beschwert«, sagte ich.

      Matoga hielt kurz beim Trockenreiben eines Kuchentellers inne.

      »Wegen dem Hund?«, fragte er.

      »Ja. Und wegen Wilderei. Ich habe eine Klage verfasst.«

      »Und? Was dann?«

      »Nichts.«

      »Willst du sagen, es ist gut, dass er jetzt tot ist?«

      Noch vor letzten Weihnachten war ich zur Gemeinde gegangen, um den Fall persönlich anzuzeigen. Bis dahin hatte ich Briefe geschrieben. Niemand hatte darauf geantwortet, obwohl es eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt. Die Polizeidienststelle war winzig und erinnerte mit ihren überhaupt nicht zusammenpassenden Materialien an ein tristes Einfamilienhaus aus kommunistischen Zeiten. Dementsprechend war auch die Stimmung. Die mit Ölfarbe gestrichenen Wände waren über und über mit Zetteln bedeckt, die allesamt mit »Bekanntmachung« überschrieben waren – übrigens ein fürchterliches Wort. Die Polizei verwendet ziemlich viele ausnehmend abstoßende Worte, etwa »Mordopfer« oder »Lebensgefährte«.

      In dieser Stätte Plutos war es zuerst ein junger, hinter einer Holzschranke sitzender Mann, der versuchte, mich abzuwimmeln. Später übernahm sein älterer Vorgesetzter den Job. Ich wollte den Kommissar sprechen und ließ mich nicht abweisen. Ich vertraute darauf, dass letztlich beide die Geduld mit mir verlieren und mich ihm vorführen würden. Man ließ mich lange warten, und ich fürchtete schon, die Geschäfte könnten schließen, denn ich hatte noch Einkäufe zu erledigen. Es dämmerte bereits, also es war etwa sechzehn Uhr, ich hatte zwei Stunden gewartet.

      Endlich, kurz vor Ende der Amtszeit, erschien im Flur eine junge Frau. »Bitte, Sie können hineingehen.«

      Ich war in Grübeleien versunken, doch was ich jetzt brauchte, war Geistesgegenwart. Als ich der Frau zur Audienz in den ersten Stock folgte, wo der Chef der lokalen Polizei sein Arbeitszimmer hatte, sammelte ich meine Gedanken.

      Es war ein beleibter Mann, etwa in meinem Alter, doch er sprach mich so an, als sei ich seine Mutter oder sogar Großmutter. Er warf mir einen flüchtigen Blick zu und sagte:

      »Setzen, bitte.« Als er merkte, dass er mit diesem Infinitiv seine Unbildung verraten hatte, räusperte er sich und korrigierte sich.

      »Bitte, nehmen Sie Platz.«

      Ich konnte seine Gedanken beinahe hören, bestimmt nannte er mich erst »Frauenzimmer« und, als meine Klagerede nachdrücklicher wurde, »Weib«, und zum Schluss »Besessene« bzw. »Wahnsinnige«. Es war nicht zu übersehen, mit welcher Aversion er meine Bewegungen verfolgte und wie sehr er meinen Geschmack verurteilte. Weder meine Frisur gefiel ihm noch meine Kleidung noch meine mangelnde Unterwürfigkeit. Er musterte mein Gesicht mit wachsendem Widerwillen. Doch auch ich nahm eine Menge wahr – dass er Apoplektiker war, dass er zu viel trank und eine Schwäche für fettes Essen hatte. Während meines Monologs überzog eine leichte Röte seinen großen, kahlen Kopf bis zur Nasenspitze, auf seinen Wangen erschien deutlich ein Geflecht aus erweiterten Adern, wie eine phantastische Kriegstätowierung. Sicher war er es gewohnt, Befehle zu erteilen und von Anderen Gehorsam zu ernten, und sicher kam er leicht in Rage. Eine typische Jupiterpersönlichkeit.

      Ich sah auch, dass er nicht alles verstand, was ich sagte, einerseits aus dem offensichtlichen Grund, dass ich mich einer ihm fremden Argumentation bediente, andererseits aber auch, weil sein Wortschatz nicht ausreichte. Er war einer von den Menschen, die all das verachten, was sie nicht verstehen.

      »Er ist eine Bedrohung für viele Lebewesen, für Mensch und Nichtmensch.« Das war der Schluss meiner Anklage gegen Bigfoot, die meine Beobachtungen und meinen Verdacht enthielt.

      Er wusste nicht, ob ich mich über ihn lustig machte oder ob er wirklich an eine Wahnsinnige geraten war. Andere Möglichkeiten gab es für ihn keine. Ich sah, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, typisch für diese Art der Pykniker, die irgendwann einen Schlaganfall erleiden.

      »Wir haben nicht gewusst, dass er wildert. Wir werden uns darum kümmern.« Er biss die Zähne zusammen. »Bitte gehen Sie jetzt nach Hause und denken Sie nicht mehr daran. Ich kenne ihn bereits.«

      »Gut«, sagte ich versöhnlich.

      Er stand auf, stützte sich auf die Hände, was ein sichtbares Zeichen dafür war, dass er die Audienz für beendet hielt.

      Wenn man etwas

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