Sophienlust Bestseller 13 – Familienroman. Anne Alexander
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Alfredo wollte mit ihr sofort über Selina sprechen, doch Marion schüttelte den Kopf. »Wir sind heute den ganzen Tag zusammen, Alfredo. Uns wird sicher eine Lösung einfallen«, meinte sie. »Ich bin nicht dafür, etwas zu überstürzen.«
»Auf eine gute Lösung.« Alfredo hob sein gefülltes Glas. Seine dunklen Augen blitzten.
Bald darauf schlenderten sie zum Hafen hinunter. Marion trug einen breitkrempigen Sonnenhut, der sie noch jünger erscheinen ließ. Sie wirkte wie ein junges Mädchen. Galant half ihr Alfredo an Bord. Während sie sich setzte, warf er den Motor an. Wie ein Pfeil schoß die Delphina über das Wasser. Sie fuhren durch den Hafen und jagten in Richtung Blaue Grotte davon.
»Das ist, was ich unter leben verstehe«, schrie Alfredo. Er drehte sich zu ihr um.
Marion hielt sich fest. Sie liebte es, mit Alfredo durch das Wasser zu jagen. Sein Geschwindigkeitsrausch riß sie förmlich mit. Das Boot beschrieb jetzt eine ausladende Kurve. Alfredo ließ mit einer Hand das Steuer los, winkte zum wolkenlosen Himmel hinauf, riß aber bereits in der nächsten Sekunde das Steuer wieder zur anderen Seite. Er war wie besessen.
Marion stand vorsichtig auf, stellte sich neben ihn. Alfredo beugte sich zu ihr hinüber. Ihre Lippen trafen sich zu einem leidenschaftlichen Kuß.
Vor ihnen tauchte eine Klippe auf. Die Delphina raste auf die Felsen zu, wurde beim Zusammenprall hochgehoben und stürzte zur Seite. Es ging alles so schnell, daß den beiden nicht einmal Zeit blieb, aufzuschreien, als sie wie ein Ball durch die Luft gewirbelt wurden und ins Wasser eintauchten.
*
»Schade, daß Selina nicht schon zu Ostern bei uns ist«, meinte Angelina Dommin, eines der Dauerkinder von Sophienlust. Vorsichtig bemalte sie ein ausgeblasenes Hühnerei mit Filzstiften.
»Finde ich auch.« Irmela Groote betrachtete kritisch das Ei, das sie bemalt hatte. »Was meinst du, soll ich noch die Wolken weiß ausmalen, Pünktchen?«
Angelina schüttelte den Kopf. »Laß es lieber, so finde ich es hübscher.« Sie nahm einen anderen Filzstift und malte auf ihr Ei einen kleinen braunen Hasen. »Selina hat noch nie erlebt, wie lustig es an Ostern bei uns ist.«
»Ich freue mich schon aufs Ostereiersuchen«, sagte Irmela. Sie war zwar bereits fünfzehn, stürzte sich aber jedes Jahr wie die ganz Kleinen ins Vergnügen. »Ostern und Weihnachten können nirgendwo schöner sein als bei uns in Sophienlust.«
»Meine ich auch«, mischte sich Fabian Schöller ein. Er und Wolfgang Binder, ein Junge, der nur für drei Wochen in Sophienlust lebte, waren dabei, Osterkörbchen für die Jüngsten zu basteln. »Na, was sagt ihr dazu?« Er hielt ein Körbchen hoch, das rechts und links mit roten Schleifen umwickelte Bastschwänzchen hatte.
»Prima.« Angelika Langenbach lachte. Sie und ihre Schwester Viktoria lebten schon seit Jahren in Sophienlust. »Das soll doch sicher Heidis Körbchen sein.«
»Erraten.« Fabian grinste. »An diesen Rattenschwänzchen kann ich ziehen, ohne daß sich sofort ein Protestgeschrei erhebt.«
»Typisch Fabian«, meinte Angelina. »Ich…« Sie blickte zur Tür. Die fünfjährige Heidi Holsten, das jüngste der Sophienluster Dauerkinder, steckte den Kopf durch den Türspalt. »Sag’ mal, Heidi, hast du vergessen, daß das Bastelzimmer momentan für jedes Kind unter zehn tabu ist?«
Die Kleine schüttelte den Kopf. Sie trat jetzt ganz in den Raum. Die Kinder konnten sehen, daß sie eines ihrer Zwergkaninchen im Arm hielt. »Ich glaube, es ist krank.« Tränen kullerten aus ihren Augen. »Schneeweißchen liegt einfach nur so da.«
Pünktchen und Irmela sprangen auf. Während die Ältere Heidi das Kaninchen aus dem Arm nahm, versuchte Angelina die Kleine zu trösten.
»Was hat es denn?« Angelika und die übrigen Kinder waren ebenfalls aufgestanden. Fabian hatte nur noch rasch das Körbchen verschwinden lassen.
»Ich weiß nicht«, antwortete Irmela. »Es sieht wirklich komisch aus. Vielleicht hat es sich den Magen verdorben. Was hat es denn gefressen, Heidi?«
»Es muß sterben, nicht wahr?« Heidi schluchzte laut auf.
»Aber wer wird denn gleich so was denken?« fragte Angelina sanft. Sie tupfte der Kleinen die Tränen vom Gesicht. »Was sagt denn Justus?«
»Justus ist nicht da«, stammelte Heidi. »Er ist doch heute morgen nach Maibach gefahren und kommt erst am Abend wieder.« Erneut liefen dicke Tränen über ihre Wangen.
»Wir bringen Schneeweißchen zu Waldi & Co«, entschied Irmela. »Onkel Hans-Joachim kann ihm bestimmt helfen.«
Heidis Gesichtchen klärte sich etwas auf. »An Onkel Hans-Joachim habe ich gar nicht gedacht«, sagte sie. »Oh, ich bin dumm!«
»Nein, nicht dumm.« Wieder schlang Pünktchen ihre Arme um die Kleine. »Wenn man Kummer hat, vergißt man nur manchmal, wer einem helfen kann.«
»Wir gehen alle mit«, schlug Wolfgang vor. »Dürfen wir doch, oder?«
»Wir müssen nur Schwester Regine Bescheid sagen.« Fabian rannte bereits in die Halle, um die Kinder und Krankenschwester zu suchen. Angelina und Irmela betteten inzwischen das kranke Kaninchen in eine gepolsterte Schachtel.
Zehn Minuten später befanden sich die Kinder schon auf dem Weg zum Tierheim. Schneeweißchen lag in seinem Karton im Gepäckkorb von Irmelas Fahrrad. Sie fuhr ganz besonders vorsichtig, um den Karton nicht unnötig zu erschüttern. Unterwegs trafen sie noch Nick und Henrik, die Söhne Denise von Schoeneckers, der Verwalterin des Kinderheims. Ohne lange zu fragen, schlossen sich die beiden ihnen an. Pünktchen schenkte Nick ein freundliches Lächeln.
Waldi & Co., das Heim der glücklichen Tiere, lag neben dem langgestreckten Landhaus des Tierarztes Hans-Joachim von Lehn. Seine Frau Andrea trat gerade mit dem zweijährigen Peter-Alexander aus dem Haus, als die Kinder eintrafen. Sie stellte den kleinen Jungen auf den Boden. Auf seinen dicken Beinchen rannte er ihnen entgegen.
»Komm zu Onkel Henrik, Peterle«, rief der neunjährige Henrik. Er breitete die Arme aus, um seinen kleinen Neffen aufzufangen.
Peterle machte Anstalten, in Henriks Arme zu laufen, doch dann wandte er sich abrupt nach rechts. »Peterle Nick gehen«, krähte er und umklammerte die Beine des Sechzehnjährigen.
»Sein Onkel Henrik scheint heute nicht sein Favorit zu sein«, scherzte die zwölfjährige Angelika. Sie bückte sich zu Peterle hinunter und hob ihn hoch. »Was bist du doch für ein süßes Kerlchen«, meinte sie.
»Verwöhnt ihn nur richtig.« Andrea von Lehn begrüßte lachend die Kinder. Ihr Blick blieb an Heidi hängen. »Aber was hast du denn, Herzchen?« Sie faßte unter Heidis Kinn und hob ihren Kopf leicht an. »Sieht aus, als hättest du geweint.«
»Ganz doll hab’ ich geweint«, sagte Heidi. »Schneeweißchen ist krank.«
Sie zog die Nase hoch. »Aber Onkel Hans-Joachim macht doch Schneeweißchen wieder gesund, nicht wahr?«
Es wäre für Andrea leicht gewesen, ganz einfach ja zu sagen, doch sie wollte dem Kind nicht Hoffnung machen, wo es vielleicht gar keine mehr gab. »Am besten, wir zeigen dein Schneeweißchen erst einmal Onkel Hans-Joachim«, schlug sie vor.
»Wir