Die Osterglocken. Clara Viebig

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Die Osterglocken - Clara Viebig

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träumenden Knospen an den nackten Ästen zu schwellen schienen. Von der Kaserne herüber tönte der Zapfenstreich.

      »Es ist schon spät,« Mariechen hielt plötzlich erschrocken inne – »o, wie habe ich mich versäumt! Aber nicht wahr, morgen kommen Sie zu uns?« sie sah in fragend an, »wahrhaftig ins Gott?«

      »Wahrhaftig ins Gott!«, der Mann fuhr wie aus tiefem Sinnen auf.

      »Und nun gut’ Nacht«, sprach sie weiter, »schlafen Sie wohl, das erste Mal in der alten Heimat, ich – ich – « ihre Stimme zitterte leicht – »ich werde an Sie denken – die ganze Nacht!«

      Er faßte ihre Hand und hielt sie fest. »Kommen Sie, ich bringe Sie bis an Ihre Tür.«

      Schweigend schritten sie unter den Bäumen vor, die Straße hinüber, da blinkte heller Laternenschein, zeigte das liebe Mädchenantlitz, das braune, ernste Männergesicht und – einen breiten, schwarzflutenden, unüberschreitbaren Rinnstein. Was war das?! Mariechen wies mit dem Finger hin und lächelte: »Grundwasser!« Und er lächelte auch: »Ja, Grundwasser – wissen Sie noch?« Sie neigte stumm den Kopf, und nun wanderten sie hin und her und suchten einen Übergang – umsonst, wie ein Bach strömte der Rinnstein. – Kein Brett noch gelegt – da hilft nichts! Mit keckem Satz schwingt sich der Mann hinüber, und nun steht er drüben auf dem Trottoirrand und streckt dem Mädchen die Hände entgegen: »Springen Sie!« halb springt sie, halb zieht er sie, sie gleitet aus, sie strauchelt – sie liegt an seiner Brust, fest von seinen Armen umschlungen. »Mariechen, weißt Du noch«, flüstert er leise in ihr Ohr, »Mariechen, bist Du mir denn noch gut?« Sie nickt heftig, dann hebt sie das Gesicht zu ihm auf und lächelt unter Tränen: »Ja, Karl, ich weiß noch, ich weiß alles – und wie wir in der Bütte fuhren –.«

      »Jetzt fahren wir nicht mehr in der Bütte«, spricht er innig, zärtlich und küßt sie wieder und wieder, »jetzt fährst Du mit mir in die weite Welt – ja mein Mariechen?«

      »Ich will sein, wo Du bist,« sagt sie einfach und legt die Hand auf seine Brust. »Dein Volk sei mein Volk. Dein Gott mein Gott!«

      Der Nachtwind rauscht und der Rinnstein rauscht auch, er dehnt sich bedenklich in die Breite. Über den Trottoirrand plätschert schon das schwarze Wasser und schlägt über die Füße der beiden Menschen, die da stehen und sich umschlungen halten – Grundwasser – sie achten es nicht, über ihre Seele flutet ein anderes Wasser, das Hochwasser der Liebe.

       Erklärungen:

       Lohkuchen = wird mit Bauernbrotmehl gebacken. Der Belag besteht u.a. aus Kartoffeln und Schmand;

       Puten = hier wohl eher als Schimpfwort gemeint (dumme Puten); Trottoir = Bürgersteig

       Textquelle:

       Linzer Tages-Post von Mittwoch, dem 17. April 1895, S. 1 und

       Samstag, dem 20. April 1895, S. 1 und S. 2

      Auf der Bleiche

       Eine Skizze

      Als ich auf meiner Bleiche

      Ein Stückchen Garn begoß –

      (Altes Volkslied)

      Doktor Erich Mühler war ernstlich verstimmt. Er hätte nicht geglaubt, daß seine kleine Frau so eigensinnig sein könnte. Ungeachtet seines Gegenredens beharrte sie darauf, morgen, trotz ihrer heftigen Erkältung, hinaus auf die Bleiche zu gehen und die Wäscherinnen selbst zu kontrollieren.

      Er wies zum Himmel hinaus: »Es wird gießen, stürmen, Anna – siehst Du nicht die drohenden Wolken – und Du auf der feuchten Wiese?!«

      »Ach, ich ziehe feste Schuh an.«

      »Die nützen nichts! Du kennst doch Deine Empfindlichkeit; ich ängstige mich, Du bekommst Fieber.«

      »Nein, meine ganze schöne neue Tisch- und Bettwäsche ist draußen, die muß tüchtig gebleicht in den Winter hinein gehen. Alle ordentlichen Hausfrauen bleichen im Herbst noch mal – was denkst Du eigentlich von mir?«

      »Ich denke, es ist besser, Du gehst unverschnupft in den Winter, als die Wäsche gebleicht – ich bitte Dich, Herz, bleib’ zu Haus! Hast Du mich denn gar nicht lieb?«

      »Und die Sonne scheint immer, wenn gebleicht wird. Und ich gehe doch!«, sagte sie mit der bekannten merkwürdigen Frauenlogik.

      Wie gesagt, Doktor Mühler war verstimmt, ordentlich traurig und schlenderte in tiefen Gedanken durch die Gassen der alten Stadt. Der Wind, der von den Bergen jenseits der Mosel um die Ecke blies und welke Blätter vor sich hertrieb, der frühe Abendschein, melancholisch auf die grauen Dächer sinkend, das dumpfe Brummen der Domglocke, das unausgesetzte Beiern von den anderen Türmen und Türmchen machten ihn nervös. Was sollte das werden? Schon um solche Kleinigkeiten ehelicher Zwist?! Zornig polternd war er weggestürzt und hatte sie in Tränen aufgelöst zurückgelassen. Und noch kein Jahr verheiratet! Wie sollte das werden, wenn der Jugendreiz verblaßt und die Leidenschaft verschwunden war – was blieb da übrig? Befürchtungen, Zweifel, Angst stürmten auf ihn ein. Alles paßte zu seiner angebitterten Stimmung.

      Dieser verwünschte Hausfrauentick, der sich nirgendwo breiter macht als in der kleinen Stadt! Weil Frau Nachbarin Linzen bleicht und Frau Nachbarin Schulze muß auch Frau Schmitz bleichen u.s.w. Und da die Bleiche der Reihe nach vermietet wird, geht schon wochenlang vorher das Buch herum und man schreibt sich ein. Früh Morgens, gleichviel ob’s passt oder nicht, ob Regen oder Sonnenschein, früh Morgens um 5 Uhr rumpelt der Karren vor; die Waschweiber, diese Eumeniden, die sich an die Fersen des unglücklichen Hausherren heften, laden die Körbe auf. Hinaus geht’s zur Olewig, dem grünen Wiesen­tälchen zwischen Weinbergen, das ein Bach durchströmt. Und am Nachmittag treten die Hausfrauen an, bringen den Waschweibern Kaffee und Gebäck – wehe der »Madam«, die keinen Kuchen spendiert! – in der wackligen Bretterbude mitten auf der Bleiche entwickelt sich ein Gelage, Kaffeetöpfe rauchen, aufgeweichte Fäuste strecken sich begehrlich danach aus; man hört das Geschwätz den ganzen Bach entlang. Währenddessen spaziert die Hausfrau über die Wiese, hochgeschürzt und stolz, hantiert, ungeschickt mit der schweren Gießkanne und gießt die Füße nasser als die Wäsche. So ist es seit hundert Jahren im guten alten Trier gewesen, so wird’s nach hundert Jahren auch noch sein; man ist eben konservativ in der Moselkapitale.

      Potz Donner, da fiel ihm ein Tropfen auf die Nase, dick wie eine Erbse – noch einer! Der Wind schnob ihn kühl an und schlug ihm den Mantelkragen flatternd auf. Natürlich, ein Herbstschauer im Anzug! Der junge Rechtsanwalt beschleunigte seine Schritte, noch eine Gasse rechts, eine Gasse links; nun stand er vor dem Gitterpförtchen, und hinter den von buntem Weinlaub umrankten Scheiben tauchte ein weißbehaubter Alt-Frauenkopf auf und nickte zu ihm herunter.

      Das war seine Freundin; zu der wollte er. Sie saß in der altmodischen Stube auf dem Tritt am Fenster.

      »Ich halte Dunkelstunde«, klang ihm ihre weiche Stimme entgegen, als er ins Zimmer trat, »seien Sie herzlich willkommen! – Nun, was bringen Sie Gutes, Sie Junger? Ei, Falten auf der Stirn?!«

      Ihre kühle Hand strich ihm die verwehten Haare zurück; ein Duft ging von ihr aus, ein welker, linder Duft aus ihren Kleidern wie aus der ganzen altmodischen Stube. Er kannte diesen Duft schon, als er noch ein Knabe war – richtig, dort auf der Servante standen die beiden großen blaublumigen

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