Morgen kommt der Weihnachtsmann. Andreas Scheepker
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Carl Edzard drehte sich zu Lothar Uphoff um. »Zuerst gilt mein Mitgefühl ihm und seiner Familie. Aber ich verhehle Ihnen nicht, dass mich dieser Vorfall in eine recht unangenehme Situation bringt. Es geht dabei nicht nur um mich, sondern auch um die Regierung und einige Persönlichkeiten, die sich in den Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen recht weit aus dem Fenster gelehnt haben. Es geht – wenn ich das so sagen darf – um den öffentlichen Frieden.« Jetzt war er wieder ganz der Staatsmann.
Mister Christmas
»Tammo Tjarksen?«, wiederholte Hauptkommissar Gerrit Roolfs erstaunt, während er seine Taschen nach dem Schlüssel für das Schrankfach durchsuchte.
»Nun setz dich erst mal hin, Gerrit«, forderte ihn Habbo Janssen auf. »Du machst mich ganz verrückt mit deinem Gesuche. Der Schrankschlüssel ist in deiner rechten Innentasche, da gibt es noch eine zweite Tasche in der ersten. Da versteckte er sich neulich auch schon mal.«
Roolfs zog den Schlüssel hervor und bestaunte ihn. Dann schloss er sein Fach auf und verstaute seine Jacke. »Mister Christmas ist tot? Das ist ja nicht zu fassen.«
»Komisch, erst jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auf.« Verblüfft sah Habbo Janssen seinen Kollegen an und kraulte mit Daumen und Zeigefinger bedeutungsvoll sein Kinn. »Mensch, Gerrit, das ist ja sein Spitzname: Mister Christmas. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
Ungeduldig trommelte Gerrit Roolfs mit der Hand auf den Tisch. »Los Habbo, erzähl, was passiert ist!«
Janssen berichtete von den Ereignissen des Morgens, und dann stellten sie Informationen über Tammo Tjarksen zusammen.
Tjarksen hatte in letzter Zeit viel von sich reden gemacht. Er hatte sich mit seinen dreiundsiebzig Jahren durchaus noch nicht aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Er besaß mehrere gutgehende Geschäfte mit Geschenkartikeln und Feinkostläden in den Küstenorten und auf den Inseln Ostfrieslands.
Seit zwei Jahren engagierte er sich besonders im Kampf gegen die Ladenschlussgesetze des Fürstentums und tat dies mit aufsehenerregenden Aktionen. Im vergangenen Jahr hatte er eine »Christmas-warm-up-Party« am Totensonntag veranstaltet. Er hatte damals sein Bußgeld bar in der Fürstlichen Landeskasse eingezahlt und sich dabei von Presseleuten fotografieren lassen. Dieses Bild war am nächsten Tag auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu sehen gewesen.
Tjarksen genoss den Konflikt mit Gewerkschaften, Kirche und Regierung, und er trug seinen Spitznamen Mister Christmas wie einen Ehrentitel.
In diesem Jahr hatte Tjarksen den Totensonntag zum »Nullten Advent« erklärt und seine Buden mit Glühwein und Würstchen auf dem Markt postiert. Er selbst hatte im Weihnachtsmannkostüm bedient. Zum Eklat war es nach dem Totensonntagsgottesdienst gekommen, in dem der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres gedacht worden war. Als die Angehörigen beim Verlassen der Ludgerikirche mit Rudolph the Rednosed Reindeer beschallt worden waren, war es zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gekommen. Schließlich hatte jemand die Polizei eingeschaltet.
Der Fürst hatte sich bisher nur sehr zurückhaltend zu diesem Konflikt geäußert. Aber nun musste er handeln. Am Montag war in allen Tageszeitungen ein Appell Carl Edzards an Tjarksen und seinen immer größer werdenden Unterstützerkreis veröffentlicht worden, auf geschmacklose Aktionen dieser Art künftig zu verzichten.
Tammo Tjarksen hatte im Zorn sofort eine Antwort verfasst und umgehend an alle Zeitungen gefaxt. In diesem Brief machte Tjarksen den Fürsten persönlich verantwortlich für die schwierige wirtschaftliche Situation in Ostfriesland und verdächtigte ihn, von Einzelhandelsverbänden aus Niedersachsen und der Provinz Groningen Geld dafür zu bekommen, dass Ostfriesland an strengeren Ladenschlussgesetzen festhalte und im Wettbewerb benachteiligt werde.
Der Regierungspräsident hatte Tjarksen daraufhin wegen Majestätsbeleidigung angezeigt. Die Liberalen hatten sich geschlossen hinter Tjarksen gestellt und forderten die Abschaffung der Gesetze, die Majestätsbeleidigung betrafen.
Schließlich hatte sich Tjarksen überreden lassen, sich für seine Entgleisung öffentlich zu entschuldigen, während der Regierungspräsident seine Anzeige fallen ließ.
»Gehört der Fürst zu den Tatverdächtigen?«, fragte Roolfs seinen Oberinspektor, von dem er wusste, dass er ein überzeugter Monarchist war.
»Niemals!«, empörte sich Habbo Janssen und erläuterte verständnisvoll: »Aber das ist für den Fürsten ja jetzt eine schwierige Situation. Bestimmt macht man ihn mitverantwortlich. Oder was denkst du, Gerrit? Jedenfalls hat der Mörder Tjarksen in einem Weihnachtskostüm erhängt. Da muss es doch einen Zusammenhang geben.«
»Na denn, fröhliche Weihnachten!«
Der Weihnachtskodex
»Der Weihnachtskodex?« Johannes Fabricius runzelte die Stirn und sah den Verlagsvertreter fragend an.
Der Verlagsvertreter roch durchdringend nach Schweiß. Und er hatte – was Johannes Fabricius noch unangenehmer fand – schlechte Manieren. Während er sprach, fingerte er ständig an Johannes’ Sakko herum.
»Also, Herr Fabricius, so was haben Sie noch nicht gelesen. Das ist der echte Wahnsinn! Das ist ein Thriller, in dem alle Register gezogen werden. Es geht um geheime Papiere, die wiederentdeckten Tagebücher des Zimmermanns Joseph von Nazareth. Da steht drin, dass Jesus gar nicht Gottes Sohn, sondern …«
»… Inhaber einer Herrenboutique in Wuppertal ist«, unterbrach Fabricius.
»Nee, er hat an das Gute im Menschen geglaubt, und daraus haben seine Anhänger dann eine Religion gemacht. Eine Forscherin hat auf der Suche nach dem Heiligen Gral diese geheimen Tagebücher entdeckt, und nun machen alle Jagd auf sie – besonders die Kirche, die das natürlich unterdrücken will.«
»Na klar. Und CIA und Mossad sicher auch?«, fragte Fabricius.
»Sie kennen das Buch ja schon«, lächelte der Vertreter.
»Ja, so ungefähr. Könnte man in die Handlung nicht auch noch das Verschwinden des Bernsteinzimmers reinbringen?«
Glücklicherweise unterbrach seine Mitarbeiterin Tanja das Gespräch. »Chef, Telefon für Sie. Der Fürst.« Ehrfurchtsvoll reichte sie Fabricius das Handy.
»Vielen Dank, Tanja, ich telefoniere hinten in meinem Büro.«
»Und was ist mit meinem Weihnachtskodex?«, fragte der Vertreter.
»Geben Sie mir ein Dutzend davon. Tanja, stellen Sie die Bücher zu den Promi-Autobiografien.«
Lametta
Mit ein paar Schritten hatte Johannes Fabricius sein kleines Büro in den hinteren Räumen der Buchhandlung erreicht und schloss die Tür hinter sich.
»Hallo, hier ist Johannes. Jetzt können wir reden.«
»Johannes, das nützt nun alles nichts, du musst mir helfen!« Der Fürst klang sehr aufgeregt.
»Entschuldige