Kalte Nacht. Anne Nordby
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Maja stößt einen Seufzer aus und beobachtet einen der Männer von der Straßenwacht dabei, wie er Glassplitter, Sand und die restlichen Trümmerteile zusammenfegt, während Göran mit dem Fahrer des Abschleppwagens spricht. In weiser Voraussicht haben sie von allem genug Fotos gemacht und alle relevanten Stellen auf dem Asphalt mit Sprühfarbe markiert. Sollte es nötig sein, ihre Untersuchungen vertiefen zu müssen, würden sie alles wiederfinden.
Nachdem sie die Flutlichter und Pylonen abgebaut haben, können sie diesen unseligen Ort endlich verlassen. Doch Maja bezweifelt, dass es das für heute gewesen ist. Die eigentliche Arbeit würde jetzt erst beginnen. Sie müssen die Mutter der beiden Mädchen ausfindig machen. Bei diesem Gedanken zieht sich alles in ihr zusammen.
4
»Tom, da ist ein Polizist aus Schweden am Telefon. Das fällt in dein Ressort.«
»Okay, stell ihn durch.«
Der norwegische Kollege Jens Fram drückt einen Knopf, und Skagen nimmt den Hörer ab. »Skanpol, Tom Skagen am Apparat?«
»Polizeiinspektor Göran Berg. Dienststelle Karlskrona, guten Morgen«, meldet sich eine Stimme in holprigem Englisch.
»Hej. Hur kan jag hjälpa dig?« Mühelos wechselt Skagen auf eine gemeinsame Sprachebene.
»Oh, Sie sprechen Schwedisch?«
»Mein Vater ist Schwede.«
»Schön, dann muss ich mein Anliegen ja nicht zum x-ten Mal auf Englisch herunterleiern. Bei euch kommt man sich vor, als würde man den Präsidenten der Vereinigten Staaten anrufen. Bis man da die richtige Stelle am Apparat hat …«
»Wir haben nun mal mehrere Abteilungen«, entgegnet Skagen ruhig.
»Aber Sie gehören doch zur Polizei in Hamburg?«
»Nein, Skanpol ist eine eigenständige Einheit, besser gesagt eine Untergruppe von Europol. Wir sind für grenzübergreifende Konflikte zwischen Skandinavien und Deutschland zuständig. Allerdings befindet sich unser Büro im selben Gebäude wie die Polizei von Hamburg und das Landeskriminalamt. Das erleichtert uns die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden. Worum geht es denn?«
»Wir haben einen tödlichen Autounfall mit deutscher Beteiligung in Hultsjö, das liegt 30 Kilometer nördlich von Karlskrona. Sehr ländliche Gegend.«
Skagen kennt den besagten Landstrich, er ist dort aufgewachsen. Während Kriminalinspektor Berg erzählt, öffnet er auf dem Computer eine Karte vom südöstlichsten Zipfel Schwedens.
»Bei dem Unfall gestern sind zwei Menschen ums Leben gekommen. Ein 49-jähriger Deutscher und eine Jugendliche, vermutlich die Tochter des Mannes. Ein zweites Mädchen wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Der Zustand der Kleinen ist noch immer kritisch, die Unfallursache bisher unklar. Wir haben beim Fahrer einen Personalausweis gefunden. Der Mann heißt Jochen Nowak und wohnt in Hamburg-Eimsbüttel.« Berg nennt auch die Straße und das Kennzeichen des Fahrzeugs, was Skagen sich notiert.
»Ist eine schlimme Sache«, redet der Schwede weiter. »Es besteht außerdem Anlass zur Vermutung, dass die Jugendliche, die auf dem Rücksitz lag, schon vor dem Unfall gestorben ist.«
»Vor dem Unfall? Wie lange?«
»Wissen wir bisher nicht. Die Todesursache ist ebenfalls noch nicht sicher, obwohl sie eine Kopfverletzung hat. Die Obduktionsergebnisse werden wir frühestens in ein paar Tagen erhalten.«
»Gibt es eine Ehefrau oder andere Verwandte oder Freunde? Wer war alles mit im Auto?«
»Nur die genannten drei Personen. Und das ist das nächste Problem. Wir konnten noch niemanden ausfindig machen, mit dem sie vielleicht im Urlaub waren. Im Auto befand sich kein Handy. Leider wissen wir auch nicht, ob die Familie in Hultsjö untergekommen ist oder auf der Durchreise war. Jedenfalls haben wir seit dem Unfall gestern Abend keinen Anruf erhalten. Niemand scheint den Vater und die Kinder zu vermissen. Ich habe einige Kollegen nach Hultsjö geschickt, die werden die Bewohner befragen und die Campingplätze und Ferienhäuser in der Umgebung abklappern.«
»Wenn das Mädchen schon vor dem Unfall tot war, haben wir es womöglich mit einem …«
»… Tötungsdelikt zu tun, das weiß ich selbst«, unterbricht der schwedische Polizist gereizt. »Hören Sie mal, ich war die ganze Nacht auf den Beinen. Es wäre schön, wenn Sie für uns herausfinden könnten, ob sich die Mutter in Deutschland aufhält. Es ist zwar gut möglich, dass sie auch tot ist, aber man weiß ja nie. Und vielleicht ermitteln Sie in dem Zuge gleich weitere Angehörige. Das wäre hilfreich. Der kurze Dienstweg sozusagen.«
»In Ordnung. Ich kümmere mich darum«, sagt Skagen geduldig. »Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. Sie haben ja jetzt meine Durchwahl, Herr Berg.«
»Ja, ja, bis dann.« Kein Danke, kein Auf Wiedersehen. Was für ein unangenehmer Zeitgenosse. Skagen legt auf und fährt sich seufzend über den Bart.
Neugierig lugt Jens Fram hinter seinem Computerbildschirm hervor. »Was war es denn?«
Skagen berichtet seinem Kollegen die Ereignisse in Kurzform, und Fram verzieht das Gesicht. »Gar nicht gut.«
»Kommst du mit dem Oslo-Fall einen Augenblick ohne mich klar? Ich würde gerne überprüfen, ob sich die Frau in Hamburg aufhält.«
Fram nickt. »Kein Ding. Kümmere dich um die Sache.«
»Okay, danke.« Skagen zieht seinen Stuhl näher an den Schreibtisch. Skanpol ist eine kleine Abteilung, da müssen sie sich gut absprechen. Außer dem Norweger Jens Fram gibt es noch zwei weitere Kollegen, die Finnin Kaisa Baumann und Jette Vestergaard aus Dänemark, seine Chefin. Alle bei Skanpol sprechen mehrere Sprachen. Eine Voraussetzung, die für ihre Arbeit unerlässlich ist.
Skagen öffnet die Suchmaske für Kfz-Kennzeichen. Tatsächlich ist der Fahrzeughalter des verunglückten Wagens ein Herr Jochen Nowak, wohnhaft in Eimsbüttel. Die Adresse stimmt mit der überein, die Berg ihm übermittelt hat. Ansonsten keinerlei Einträge zu Nowak bei INPOL. »Jens?«
»Jo!«
»Ich fahr mal kurz raus. Sehen wir uns zum Mittagessen in der Kantine?«
»Warum nicht.«
Skagen verabschiedet sich und verlässt das Büro. Mit dem Fahrstuhl erreicht er wenig später die Tiefgarage des sternförmigen Gebäudes des Hamburger Polizeipräsidiums am Bruno-Georges-Platz und steigt in seinen Dienstwagen. Zwei Minuten später gleitet der anthrazitfarbene VW Passat hinaus ins grelle Sonnenlicht. Die Temperaturanzeige am Armaturenbrett verkündet unerträgliche 30 Grad im Schatten. Und das bereits um 9 Uhr morgens. Skagen schiebt sich die getönte Brille auf die Nase und stellt die Klimaanlage auf maximale Stärke. Vom Hamburger Stadtteil Alsterdorf bis nach Eimsbüttel ist es mindestens eine halbe Stunde Fahrt.
Er biegt auf die Straße ein und dreht die Musik lauter. Gerade läuft seine Lieblingsscheibe: Morcheeba mit »Who can you trust«.
Das vierstöckige Haus in der Emilienstraße, in dem die Nowaks wohnen, wirkt schlicht. Weißer Putz, kleine Balkone und ein wenig Grün vor der Haustür. Skagen lebt seit mehreren Jahren in Hamburg und weiß, dass die Gegend trotzdem teuer ist. Jedoch eher spießig als hip.
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