Kalte Nacht. Anne Nordby

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Kalte Nacht - Anne Nordby

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Unfall überlebt. Schade, dass wir sie bisher nicht befragen konnten. Der Arzt sagt, das Mädchen muss noch einige Zeit im künstlichen Koma bleiben.«

      Maja packt die Geldbörsen und die Telefone in Beweismitteltüten und sieht ihren Chef eindringlich an. »Wir müssen die Mutter finden.«

      Göran will etwas sagen, doch draußen poltern plötzlich Schritte auf der Treppe, und kurz darauf wird die Tür aufgestoßen. Polizeiassistent Joakim Larsson stürmt herein. Sein roter Haarschopf und sein jungenhaftes Gesicht stehen im Kontrast zu seiner dunkelblauen Uniform. Er wirkt wie 20, denkt Maja. Dabei ist er mit Mitte 30 nur ein paar Jahre jünger als sie.

      »Göran, ich habe was gefunden. In der Scheune!« Joakim grinst stolz.

      »Was denn, Jokke? Etwa die Frau?«, raunzt Göran den Polizeiassistenten an, der weiterhin grinst. »Nun sag schon. Die Show kannst du dir sparen.«

      Danke, Göran, denkt Maja genervt und wartet darauf, dass ihr neuer Kollege Joakim endlich auspackt.

      Dessen Grinsen ist verschwunden. »Also, d-da sind … Knochen in der Scheune, ja, und … Blut.«

      »Blut und Knochen? Mann, und das sagst du erst jetzt? Hoffentlich hast du alles so gelassen, wie du es vorgefunden hast. Scheiße!«

      »Äh, ich hab nichts angefasst … bis auf die Knochen … vielleicht.«

      »Blödmann.« Göran stößt Jokke zur Seite und läuft nach draußen. Maja folgt ihm. Hinter ihnen stolpert der neue Kollege über den Rasen und muss seine Båtmössa festhalten, damit ihm die Mütze nicht herunterrutscht.

      Die Scheune ist größer als das Wohnhaus. Ihre groben Bretterwände sind ebenfalls mit roter Farbe gestrichen, die allerdings in größeren Flocken abblättert. Unter dem Giebel hängen mehrere Schwalbennester, in denen reger Flugverkehr herrscht. Pfeifend zischt eine Schwalbe über Maja hinweg und stößt in den blauen Himmel empor.

      »Ich hab nichts angefasst, wirklich. Nur die Knochen. Und die sind a…«

      »Schnauze!« Göran tritt durch das offene Tor ins dämmrige Innere. Auf dem Boden sind Reifenspuren zu erkennen, vermutlich haben die Nowaks ihren Volvo hier geparkt. Altes Heu liegt herum, und verrostete Gartengeräte stehen an den Wänden. Hacke, Axt, Säge, Sense. In einer Ecke sind frische Bretter gestapelt, ein Haufen Holzverschnitt wartet darauf, im Kamin verbrannt zu werden. Auf einer schiefen Kommode daneben stehen fünf Eimer Farbe. Falunrot und Weiß.

      »Wo ist es?«, fragt Göran.

      Jokke schleicht mit eingezogenem Kopf an ihm vorbei. »Dort ist das Blut.« Er zeigt auf einen tellergroßen Fleck auf dem Boden.

      Göran und Maja beugen sich hinab.

      »Hm.« Göran tippt mit seinem behandschuhten Finger in die eingetrocknete Lache. »Das ist kein Blut.«

      »Nicht?«

      »Nein, du Idiot!«

      Joakim reißt erstaunt die Augen auf.

      »Das ist Farbe, vermischt mit …«, Göran hält sich den Finger unter die Nase, »keine Ahnung. Wie Öl riecht es nicht. Vielleicht stammt es von einem Fahrzeug, das in der Scheune gestanden hat. Einem Traktor oder dem Volvo der Familie. War ja ein älteres Modell.«

      »Oh.« Mehr kommt nicht von Joakim, der knallrot anläuft.

      Maja sagt nichts. Das Farb-Irgendwas-Gemisch wirkt tatsächlich wie Blut. Sie hätte auch darauf reinfallen können. Allerdings hätte sie es sich zuerst genauer angesehen, ehe sie darüber Meldung gemacht hätte. Sie schaut sich um. Über ihnen befindet sich ein offener Heuboden. Rechter Hand führt eine klapprige Leiter bis unters Dach. »Warst du dort oben?«, fragt sie Jokke.

      Der Polizeiassistent schüttelt den Kopf.

      Ohne Umschweife klettert Maja die morschen Sprossen hinauf. Oben erwarten sie uralte Heureste, Taubenkot und Spinnweben. Die Luft ist drückend und stickig, und irgendwo summt ein Insekt. Durch ein paar Löcher im Wellblech fallen Lanzen aus Licht.

      »Hier ist nichts«, ruft sie ihren Kollegen unten zu. Der falsche Blutfleck prangt genau zwischen Göran und Joakim auf dem Boden. Sie dreht sich um und will die Leiter hinabsteigen, da entdeckt sie etwas auf dem Boden. »Da liegt ein Messer.«

      »Ein Messer?«

      »Ja. Ein altes Schnitzmesser. Damit hat jemand Buchstaben in einen der Dachbalken geritzt. Wirkt alles frisch. Ein L, ein Pluszeichen und ein … schiefes I. Ich lasse alles, wie es ist, für die Spurensicherung.« Mit ihrem Handy macht Maja einige Fotos und klettert nach unten, wo sie Göran die Aufnahmen zeigt.

      Nachdem er sie betrachtet hat, wendet er sich an Jokke: »Und wo sind die Knochen?«

      Jokke führt sie zu der klapprigen Kommode und weist in das dunkle Viereck hinter den geöffneten Türen. Ein weißes Bündel liegt darin. »Erst hab ich gedacht, es ist ein Haufen Äste, den jemand in ein Laken gewickelt hat, aber dann …«

      Göran schiebt sich an Jokke vorbei. Mit spitzen Fingern nimmt er einen der größeren »Äste« aus dem Bündel. Es ist ein menschlicher Oberschenkelknochen.

      »Das Laken scheint neu zu sein, der Knochen ist definitiv alt«, stellt Maja fest.

      »Sag ich doch«, entgegnet Jokke zaghaft. »Ob die was mit dem Fall zu tun haben?«

      »Not sure. Die waren irgendwo vergraben oder so, da klebt trockene Erde dran.« Göran legt den Knochen zurück in das Bündel und untersucht vorsichtig den Rest der Gebeine. »Kein Schädel.« Er richtet sich auf. »Puh, die Jungs von der Spurensicherung beneide ich nicht. Die erwartet jede Menge Arbeit.«

      Maja wackelt mit dem Handy. »Und deshalb rufe ich jetzt auch diesen Typen von Skanpol an. Seine Unterstützung können wir gut brauchen. Wie heißt der noch mal?«

      »Skagen.«

      »Nein! Etwa Tom Skagen?«

      »Ja.«

      »Das gibt’s nicht.« Maja schnalzt mit der Zunge.

      »Was ist?«, fragt Göran mit gerunzelter Stirn.

      »Wenn es der Tom Skagen ist, an den ich denke, dann war seine Schwester damals eine Schulfreundin von mir. Tom war zwei Klassen über mir. Mein Gott, was für ein Zufall.«

      »Der ist in Karlskrona aufgewachsen? Warum hat er mir vorhin nichts davon gesagt?«

      »Vielleicht, weil du ihn nicht hast zu Wort kommen lassen?« Maja wirft ihrem Vorgesetzten einen spöttischen Blick zu. Der quittiert das mit einem Augenrollen und diktiert ihr schließlich die Durchwahl von Skagen.

      6

      Tom Skagen tritt vor die Tür des Einfamilienhauses in Bargstedt und blickt mit bleischwerem Herzen auf den von der Hitze verdorrten Vorgarten. Gelbes Gras, runzlige Stauden, eine im trockenen Wind raschelnde Hecke.

      Im Haus hinter ihm sitzen die Eltern von Jochen Nowak, deren Leben er soeben eine verstörende Wende gegeben hat. Er fühlt noch immer Gänsehaut auf seinem Rücken und zuckt fröstelnd zusammen. Zumindest hat er jetzt eine klare Identifizierung

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