Kalte Nacht. Anne Nordby

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Kalte Nacht - Anne Nordby

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kaufe dir nachher normale Butter, okay? Kannst bis dahin Müsli essen. Das schwedische ist total lecker. Probier mal.« Tina schiebt ihrer Tochter die Packung hin, doch Lola verzieht das Gesicht.

      »Ich hasse Müsli!«

      »Dann bleibt unserem Fräulein Krüsch nur das Brot. Kannst es ja toasten.«

      »Ich hab eigentlich gar keinen Hunger.«

      Tina ahnt, woher der Wind weht. Lola und ihre beste Freundin Jenny sind seit Kurzem dem allgemeinen Schlankheits- und Fitnesswahn verfallen, der unter den Teenagern in ist. Bloß nichts essen, was einen aufblähen könnte, kein Gramm Fett zu viel an der falschen Stelle. Ein flacher Bauch und ein knackiger Hintern sind alles, worauf es ankommt. So etwas kennt Tina aus ihrer eigenen Jugend, und wer wollte damals nicht dem Ideal entsprechen? FDH und Brigitte-Diät. Aber heute heißt es Ab Crack, Thigh Gap oder Bikini Bridge. Gefährliche Anzeichen der Unterernährung, die durch trendige Namen hip gemacht werden. Dazu jede Menge Schminke, die ein halbes Vermögen kostet. Typisch für die Generation Z: Selbstoptimierung bis über die Schmerzgrenze und immer bereit für das nächste Selfie. Tina hat viel darüber gelesen, sie hat überhaupt viel gelesen, um ihre ältere Tochter besser verstehen zu können. Gebracht hat es allerdings nichts.

      Sie unterdrückt einen Seufzer, als sie bemerkt, dass Lola zu ihrem Handy hinüberschielt. Zum Glück haben sie hier kein WLAN, also muss Lola über ihr Guthaben surfen. Das bedeutet: Wenn es aufgebraucht ist, war es das.

      »Ich hatte gar keine Angst, als ich den Troll gesehen habe«, ruft Ronja stolz.

      »Du bist ja auch unsere kleine Trollprinzessin. Siehst auf jeden Fall aus wie eine. Heute noch nicht gekämmt, oder was?« Jochen fährt ihr durch das verwuschelte Haar. Egal, was man morgens mit Ronja anstellt, binnen kürzester Zeit ist alles an ihr wieder unordentlich.

      Jochen wendet sich an Tina. »Und was war das jetzt für ein Troll, den sie gesehen haben will?«

      »Keine Ahnung.« Sie hebt die Schultern. »Ich war letzte Nacht nicht dabei, als Madame durchs Haus geschlichen ist, obwohl sie eigentlich im Bett liegen sollte.« Sie wirft Ronja einen mahnenden Blick zu, doch ihre jüngere Tochter kichert nur. »Jedenfalls behauptet sie, dass sie draußen etwas im Wald gesehen hat.«

      »War bestimmt ein Elch. Der Bauer Dahlberg sagt, dass es in Südschweden mehr Elche gibt, als man glaubt.«

      »Und Trolle!«, ruft Ronja triumphierend.

      Tina bemerkt, dass Lola auf ihrem Smartphone herumtippt. »Lotta, bitte nicht bei Tisch.«

      »Mann, ich schreibe Jenny nur schnell, wie öde es hier ist.«

      »Wenn dir langweilig ist, such dir eine Beschäftigung. Du musst mal lernen, ohne dieses Ding klarzukommen.«

      »Hey, ich bin ein Digital Native«, entgegnet Lola, ohne aufzusehen. Ihre Finger fliegen über das Display. »Das ist für mich wie für euch früher der Kassettenrekorder.«

      Jochen stößt einen amüsierten Laut aus. »Damit konnte man aber nur Kassetten abspielen, sonst nix. Keine tausend Sachen gleichzeitig. Chatten, shoppen und YouTube-Videos angucken.«

      »Siehst du, wie gut das Handy ist?«

      »Lola, draußen ist so ein super Wetter, und dann diese schöne Natur. Das hast du in Hamburg nicht.«

      »Zum Glück!«

      »Was hältst du davon, wenn wir nachher zum Badesee fahren?« Jochen gibt nicht auf. Er lächelt Lola an, doch die bewegt sich keinen Millimeter auf ihn zu.

      »Und mich überall von den ätzenden Mücken stechen lassen? Nee! Bestimmt nicht.« Mit verächtlicher Miene verschränkt sie die Arme vor der Brust.

      »Du könntest uns auch am Haus helfen. Die Außenfassade muss abgeschabt und neu gestrichen werden.«

      »Pfff. Bin ich euer Sklave? Das ist Kinderarbeit.«

      Jochen verzieht das Gesicht, und Tina seufzt erneut. Sie bezweifelt, dass es eine gute Idee war, Lola ohne ihre Freundin Jenny mit nach Schweden zu nehmen. »Wenn du nicht aufhörst zu nörgeln, schicken wir dich mit dem Zug früher nach Hause.«

      Erfreut blickt Lola auf. »Oh, wirklich? Prima!«

      »Zu Oma und Opa«, fügt Tina hinzu.

      Lolas Gesichtsausdruck verfinstert sich. »Ihr seid so was von lame.«

      »Und Trolle sind so was von grooooß und megasüüüüß«, brüllt Ronja dazwischen.

      »Mann, Ronja! Hör endlich mit deinen dämlichen Trollen auf. Du bist echt ein Pain in the ass.«

      »Lola, es reicht!« Tina funkelt ihre ältere Tochter an.

      »Warum ich jetzt?«, empört sich Lola. »Ronja brüllt doch rum, nicht ich.«

      »Ass! Ass! Ass!«, ruft Ronja weiter. »Mama, was ist ein Painsiass? Aaaaass! Painsiass!«

      Dieses ewige Ringen um Aufmerksamkeit der beiden, denkt Tina, und spürt den Stachel der Schuld, den sie nie aus ihrem Fleisch würde ziehen können.

      »Ronja, ist gut.« Schaltet sich Jochen ein, und ihre Jüngere verstummt sofort. Von klein auf hat Ronja besser auf ihren Vater gehört. Er dreht sich zu Lola. »Und nun zu dir, Fräulein – Mama, hat recht: Du bist diejenige, die schlechte Stimmung verbreitet. Warum musst du immer so destruktiv sein?«

      »Destruktiv?« Lola stößt wütend Luft aus. »Ihr mit eurem dämlichen Lehrergequatsche.«

      »Lotta!«

      »Ach, macht doch einen auf happy Family. Aber ohne mich.« Lola springt auf und rennt davon. Die Tür zu ihrem Zimmer schlägt zu.

      »Na super«, sagt Jochen.

      Genau, denkt Tina. Und das soll ich fünf Wochen aushalten?

      »Super, ass!« Ronja klatscht begeistert. »Papa, können wir in den Wald gehen und Trolle suchen?«

      Nach dem Frühstück bringt Tina das Geschirr in die Küche, und da sie noch keine Spülmaschine im Haus haben, beginnt sie, alles abzuwaschen.

      Als sie ihre Hände ins warme Spülwasser taucht, schnürt sich Tinas Kehle zu. Sie weiß wirklich nicht, wie sie es aushalten soll, fünf Wochen in diesem Haus zu verbringen. Ihrem Haus. Nein, Jochens Haus. Es war immer sein Traum. Ein eigenes Schwedenhaus. Sein kleines Bullerbü.

      Tina stellt einen nassen Teller auf das Abtropfgitter. Hamburg ist weit weg. Ihre Wohnung, ihre vertraute Umgebung, alles ist weit weg. Sie vermisst die laute Stadt. Das entfernte Rauschen des Verkehrs, die Martinshörner, das Glockenläuten der Kirchen, das Geplapper der Menschen. Ein Geräuschteppich, der sich stets dämpfend über ihre Gedanken legt. Doch in der beängstigenden Stille Schwedens gibt es diesen schützenden Puffer nicht. Hier liegen ihre Gedanken offen wie der entzündete Nerv eines Zahns.

      Sie muss etwas finden, mit dem sie sich ablenken kann. Muss die fünf Wochen irgendwie überleben. Jochen darf nichts von ihren Sorgen wissen. Er will zelebrieren, dass sie eine Familie sind, indem er das Haus für sie herrichtet. Eine Schöpfungsgeschichte der ganz eigenen Art. Am ersten

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