Kalte Nacht. Anne Nordby
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»Vergessen, klar«, sagt Maja trocken. »Wann genau war das?«
»Letzten Freitag«, brüllt der Vater.
Jokke notiert sich das, während er krampfhaft versucht, nicht aufzublicken. Sein Kopf erinnert an eine Kirsche.
»Okay«, entgegnet Maja. »Eine letzte Frage noch. Könnte jemand aus dem Ort etwas dagegen gehabt haben, dass die Deutschen das Haus kaufen?«
Frau Nygård tauscht einen Blick mit ihrem Vater, dann zucken beide mit den Schultern. »Nein, wieso?«
Maja hält ihr Smartphone hoch, damit die Nygårds das Foto von dem Drohbrief sehen können. Überrascht hebt Susanne die Brauen, während ihr Vater versucht, den Text zu entziffern.
»Und den hat diese Familie bekommen?«
»Sieht so aus.«
»Aber was steht denn da nun?«, brüllt der Alte. Vermutlich kann er kein Englisch.
»Dass die Deutschen den Ort verlassen sollen, sonst würde sie jemand töten«, übersetzt Maja. »Wissen Sie, wer das verfasst haben könnte?«
»Nein!«, ruft Herr Nygård empört. »Das weiß ich nicht. Und meine Tochter auch nicht.«
Maja mustert die beiden, wie sie mit zusammengekniffenen Lippen dastehen. Natürlich verschweigen sie etwas, das ist offensichtlich. Aber Maja kann sie nicht zwingen, auszusagen. Sie hofft, dass die anderen Dorfbewohner mitteilungsfreudiger sein würden.
»Na gut«, sagt sie. »Sollten Sie die vermisste Frau sehen oder Ihnen noch ein Einfall kommen, rufen Sie mich an.« Sie reicht Susanne Nygård eine Karte, bedankt sich und verlässt mit Jokke den Laden. Im Schatten des Tankstellendaches bleibt sie stehen und atmet tief durch. Die Luft ist trocken und heiß – eher wie in der Sahara als im borealen Norden. Trotz ihres kurzärmligen Hemdes schwitzt sie heftig. Außerdem nervt ihr schwerer Ausrüstungsgürtel. Der ist bei diesen Temperaturen eine Plage. Sie zieht sich die Mütze vom Kopf und ist froh über den Luftzug, der über ihre Haare streift. Eine kalte Dusche wäre ein Traum.
»Hast du auch das Gefühl, dass in dem Ort etwas nicht stimmt?«, fragt sie Jokke.
»Nö. Ich bin in so einem Kaff aufgewachsen, ich finde es bisher ziemlich normal.«
Maja nickt. Sie hat ihr gesamtes Leben in Karlskrona verbracht. Das hat zwar gerade mal 36.000 Einwohner, ist im Vergleich zu Hultsjö jedoch eine schillernde Metropole.
»Und was jetzt?«, will Jokke wissen.
»Wir nehmen uns den nächsten Laden vor. Da hinten an der Straße ist ein Frisör.« Maja setzt ihre Mütze auf und tritt mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. Es ist, als schlüge ihr das gleißende Licht direkt ins Gesicht.
Als sie vor dem Mehrfamilienhaus stehen bleiben, atmet Maja tief durch. Die 200 Meter, die sie gegangen sind, kommen ihr in dieser Hitze eher vor wie zwei Kilometer. Ihr Herz rast und sie hat Durst wie ein Pferd. Später würde sie sich im Supermarkt eine große Flasche Wasser kaufen.
In der Hoffnung, hier gleich auf mehrere Einwohner zu treffen, tritt sie zusammen mit Jokke durch die offen stehende Tür des Frisörsalons. Der Raum ist nicht groß, fünf Köpfe drehen sich synchron in ihre Richtung. Zwei Frisörinnen und drei Kundinnen, von denen zwei sich in »Behandlung« befinden. Die dritte Dame sitzt neben der Tür, wo ein kleiner Tisch mit einem Stapel Magazine steht. Volltreffer.
»Hej hej«, sagt Maja und betrachtet der Reihe nach die Gesichter. Die Luft im Salon ist stickig und geschwängert von verschiedenen Gerüchen: Schaumfestiger, verbranntes Haar, Kaffee und Ammoniak von einer Blondierung. Im Hintergrund läuft das Radio.
»Hej hej«, tönt es geschlossen zurück. Die fünf Frauen gucken, als hätten sie etwas ausgefressen. Vielleicht haben sie gerade über den Unfall geredet, als sie und Jokke hereingestiefelt sind. Maja baut sich mitten im Raum auf und erklärt den Grund ihres Besuchs. Die Frau auf dem vorderen Frisörstuhl nickt, als wüsste sie Bescheid. Prima, dann können sie mit ihrer Befragung direkt loslegen.
Jokke notiert sich die Namen der Anwesenden, die allesamt im Ort wohnen. Zwei Frauen im Skolvägen und eine auf einem Gutshof, der auf der anderen Seite des großen Sees liegt. Außerdem Mutter Annette und Tochter Celine, die zusammen den Frisörsalon betreiben und in der Wohnung darüber wohnen.
»Na schön«, sagt Maja, die nun die volle Aufmerksamkeit genießt. »Wer von Ihnen möchte anfangen?«
Die Hand der zuvor nickenden Frau schießt in die Luft. Maj-Britt Staffansson ist ihr Name. »Wir hatten nichts mit dieser deutschen Familie zu tun«, erklärt sie in hochnäsigem Ton, »das will ich klarstellen.«
Maja wundert sich, warum sich die Dame bemüßigt fühlt, diesen Umstand derart zu betonen, und bemerkt, wie die anderen Frauen versuchen, gleichgültig dreinzuschauen. Hm, merkwürdige Reaktion. Falls Frau Staffansson damit die Absicht verfolgte, nicht weiter von der Polizei belästigt zu werden, so ist das voll nach hinten losgegangen.
»Okay. Sonst noch jemand, der nichts mit den Deutschen zu tun gehabt haben will?« Maja blickt in die Runde. Keiner rührt sich, bis Frau Hellström schließlich beginnt, unruhig auf ihrem Frisörstuhl hin und her zu rutschen. Sie ist Mitte 40 und sieht mit ihrem blonden Kurzhaarschnitt attraktiv aus.
»Ja?«, spricht Maja sie an. »Wollen Sie uns etwas sagen? Es wäre sehr wichtig, denn die Vermisste könnte verletzt sein und unsere Hilfe brauchen. Wenn es nicht schon zu spät ist.«
Die Frau räuspert sich und erntet einen brennenden Blick von Frau Staffansson. Aha, die hat wohl alle im Griff.
»Ich bitte Sie, Frau Hellström, sagen Sie mir alles, was Sie wissen. Es könnte Leben retten.«
Wieder betretenes Schweigen. Maja hört, wie Jokke in seinem Block blättert.
»Sind Sie nicht die Frau von Rune Hellström, dem Tischler im Ort?«, fragt er, woraufhin die kurzhaarige Blonde fast erschrocken nickt.
»Dann hat Ihr Mann mit Herrn Nowak zu tun gehabt. Er sollte Arbeiten für ihn am Haus erledigen, oder nicht? So hat es uns zumindest der Supermarktbetreiber erzählt.«
»Äh. Ja, das stimmt.« Frau Hellström wird rot und wirft einen kurzen Blick zu Frau Staffansson hinüber. Dann erklärt sie in knappen Worten, dass ihr Mann von den Nowaks einen Auftrag für ein paar neue Fenster erhalten hat, er aber darüber hinaus nicht viel mit denen gesprochen habe.
»Und wenn wir Ihren Mann dazu befragen, wird er uns dasselbe erzählen?«, bohrt Jokke nach.
Frau Hellström nickt.
»Prima, dann fahren wir nachher gleich mal hin. Die Adresse haben wir ja. Danke.« Jokke schiebt ein jungenhaftes Lächeln hinterher.
Nun ergreift Maja das Zepter und zeigt den Drohbrief herum. »Den haben die Nowaks erhalten. Wissen Sie etwas darüber?« Dabei lässt sie keine der Damen aus den Augen.
»Pfff, was soll denn das?«, entgegnet Frau Staffansson. »Wir schreiben doch keine Drohbriefe. So etwas Lächerliches machen wir hier nicht.«
»Nicht? Was machen Sie denn stattdessen?«, fragt Maja provokant zurück. »Einfach alles totschweigen?«
»Ich