Kalte Nacht. Anne Nordby
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»Warte«, pfeift Göran sie zurück. »Nimm Jokke mit, der steht nur im Weg rum. Und hol auf dem Rückweg Pizza für uns alle. Im Ort gibt’s ein Restaurant. Ich hätte gern eine mit Peperoni und Schinken. Für die anderen denk dir was aus.«
Maja nickt und winkt Joakim zu sich. Der rothaarige Polizeiassistent läuft mit eifrigem Gesichtsausdruck zu ihr herüber, und gemeinsam steigen sie in den Streifenwagen. Wenig später fahren sie durch den Wald zur Landstraße. Das Haus der Nowaks liegt am Ende eines 300 Meter langen Schotterweges etwa zwei Kilometer außerhalb der Ortschaft. Von der Landstraße aus ist das Gebäude nicht zu sehen, und Maja bezweifelt, dass ein Autofahrer im Vorbeifahren etwas bemerkt haben könnte, was sich auf dem Grundstück abgespielt hat.
Sie kommen an ein paar Häusern vorbei, die linker Hand an einem kleinen See liegen. Der romantische Traum vieler Deutscher, die genau aus diesem Grund hier ihren Urlaub verbringen, das weiß Maja. Aber auch Niederländer und Dänen besuchen gerne das dünnbesiedelte Schweden, um die Natur und die Ruhe zu genießen.
Allerdings nicht die ewige Ruhe, denkt sie traurig.
Sie erreichen das Ortsschild mit dem dahinterliegenden Bahnübergang. Hultsjö hat das Glück, trotz seiner 370 Einwohner an die Bahnstrecke Karlskrona–Emmaboda angeschlossen zu sein.
Hinter dem kleinen Bahnhof, der eher wirkt wie eine Bushaltestelle, biegt Maja links ab und parkt vor dem Restaurant »Melkers Pizza«, das leicht zurückversetzt neben dem Supermarkt liegt. Eine Handvoll Autos steht davor, darunter ist ein ungewöhnlich schicker schwarzer Mercedes. Auf der Straßenseite gegenüber befindet sich eine Tankstelle. Das ist dann auch in etwa der Ortskern von Hultsjö.
Maja steigt aus und rückt ihre Mütze zurecht. Jokkes Blick wandert sehnsüchtig in Richtung des Restaurants, von dem ihnen ein leckerer Geruch entgegenweht.
»Die Pizzeria nehmen wir uns zum Schluss vor«, sagt Maja. »Zuerst die Tankstelle. Im Supermarkt waren wir ja schon. Ach, und eins noch, Jokke.«
Ihr Kollege sieht sie mit seinem babyblauen Dackelblick an.
»Ich stelle die Fragen, klar?«
»Aber ich kann doch mitschreiben, oder?«
»Spitzenidee.«
Sie überqueren die Straße und steuern auf den kleinen Laden der Tankstelle zu. Es ist eher ungewöhnlich, dass es überhaupt einen gibt. Auf dem Land findet man fast nur automatische Tankstellen ohne Personal. Diese hier hat sogar eine angeschlossene Werkstatt und eine Waschanlage. Blühendes Hultsjö.
Maja drückt die Glastür auf, und über ihren Köpfen ertönt eine Klingel.
Die Frau hinter dem Tresen ist ziemlich dick, und sie schwitzt in der Hitze. Sie trägt ein lilafarbenes T-Shirt, das sich über ihrem voluminösen Busen spannt, vor dem ein goldener Herzanhänger mit Perlen baumelt. Fragend schaut sie ihnen entgegen und streicht sich eine Strähne ihres blondgelockten Haars hinters Ohr.
»Was kann ich für Sie tun? Tanken wollen Sie ja wohl nicht, oder?«, fragt sie mit tiefer Stimme, die verrät, dass sie viel raucht.
»Vielleicht später«, sagt Maja und stellt sich vor die Kasse. »Ich hätte gern diese Kaugummis.« Sie legt eine Packung Stimorol mit Lakritzgeschmack auf den Tresen und bezahlt mit Karte. »Und mich würde interessieren, ob Sie etwas über die Deutschen wissen, die gestern in Hultsjö verunglückt sind.«
Die dicke Frau legt eine Hand mit lila lackierten Fingernägeln auf ihre Brust und seufzt, dabei klimpert der Anhänger leise. »Schlimme Sache, nicht wahr?«
»Besonders, weil ein Kind dabei gestorben ist«, sagt Maja ernst.
Die Frau nickt betroffen. »Der Mann hat bei uns getankt. Er hatte das Auto voller Bauholz. Die haben das alte Haus von den Egmans gekauft. Das stand einige Zeit leer. Ich weiß gar nicht mehr, warum. Irgendeinen Mangel gab es. Eine verschlammte Klärgrube? Oder war es der Schwamm im Holz? Na ja, jedenfalls gehört es seit dem Frühjahr den Deutschen.«
»Lief das über einen Makler?«
»Ich glaube, Gunnar Månsson hat denen das Haus verkauft. Der kümmert sich um fast alles in der Region. Er kommt ja auch von hier.« Die Frau lacht, und es schwingt ein merkwürdiger Ton mit, den Maja nicht einordnen kann. Irgendetwas zwischen Gutmütigkeit und Spott. Während Jokke fleißig mitschreibt, steckt sich Maja einen der Kaugummis in den Mund.
»Ist Ihnen an der Familie vielleicht etwas aufgefallen?«
»Was soll mir denn aufgefallen sein?«
Maja zuckt mit den Schultern. »Nun, ob sie sich irgendwie ungewöhnlich verhalten haben oder …?«
Die Frau lacht, dass ihr Busen wogt. »Die waren völlig normal, glauben Sie mir. Typische Deutsche, die Volvo fahren und sich ihren Traum von Schweden erfüllen. Na, das ging ja mächtig in die Hose.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sind verunglückt. Und die Frau ist weg. Das haben Sie doch eben gesagt.«
»Nein, dass die Frau weg ist, habe ich nicht gesagt.«
»Nicht?« Die Tankstellenlady streicht sich erneut die widerspenstige Locke hinters Ohr. »Dann muss ich es woanders gehört haben. Solche Dinge verbreiten sich schnell.«
Maja schiebt sich den Kaugummi in die Wange und mustert Madame Lila prüfend. Sie hat das Verschwinden von Tina Nowak bisher lediglich gegenüber dem Supermarktbetreiber erwähnt. Das war heute Morgen, als sie von ihm erfahren haben, welches Haus den Nowaks gehört. Hat der etwa die Buschtrommel gerührt?
»Würden Sie mir sagen, wie Sie heißen?«, fragt Maja. »Fürs Protokoll.«
»Susanne Nygård.«
»Und wie lange leben Sie schon in Hultsjö?«
»Seit meiner Geburt. Mein Großvater hat diese Tankstelle aufgebaut.« Frau Nygård dreht ihren Kopf. »Na, gefällt dir, was du siehst, Herzchen?«
Ertappt wendet Jokke seinen Blick von dem mächtigen Busen ab und starrt auf seinen Notizblock. Röte kriecht vom Kragen seiner Uniform hinauf in sein Gesicht. Maja muss sich ein Grinsen verkneifen, weil sie selbst nicht umhinkommt, immer wieder auf diese monstermäßigen Brüste zu gucken.
Hinter ihnen ertönt die Türklingel und ein grauhaariger älterer Herr mit unrasiertem Gesicht betritt den Laden. Er humpelt leicht, sein Hemd und seine Hände sind mit schwarzen Flecken übersät.
»Holla, was will denn die Polizei bei uns?«, brüllt er.
»Die sind wegen des Unfalls da, Papa.« Auch die Frau spricht jetzt lauter, vermutlich, weil der Alte schwerhörig ist.
»Tja, schlimme Sache.« Er verzieht den Mund. »Aber am Wagen lag’s nicht.«
Maja runzelt die Stirn. »Wie kann ich das verstehen?«
»Na, ich hatte das Ding auf der Rampe. Die Bremsleitung war angeknabbert. Vermutlich ein Marder. Eine echte Plage! Die Wälder sind voll mit diesen Mistbiestern. Dagegen benutzen wir normalerweise ein Spray. Das hatte der Deutsche natürlich nicht. Ich hab die Leitung repariert und mit Marder-Ex behandelt. Daran kann’s also nicht