Kalte Nacht. Anne Nordby

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Kalte Nacht - Anne Nordby

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sei der Polizeiberuf absolut unter ihrer Würde.

      »Wissen Sie, was unterlassene Hilfeleistung ist?« Maja ist nun wirklich wütend. »Die Frau könnte in diesem Moment sterben, weil Sie alle sich von der da unterbuttern lassen!« Sie zeigt auf Frau Staffansson.

      »Wenn Sie weiter so unverschämt sind, werde ich mich über Sie beschweren!«, gibt die Alte sich entrüstet.

      Maja hätte sie am liebsten aus dem Laden geworfen, doch sie beherrscht sich. Sie blickt die anderen an und fragt mit lauter Stimme: »War es das? Keine weiteren Aussagen?«

      Alle schütteln den Kopf und sehen verlegen weg.

      »Wie Sie wollen.« Maja legt demonstrativ ihre Karte auf den Tisch am Eingang. »Darauf steht meine Telefonnummer. Bitte zögern Sie nicht, mich anzurufen. Einen schönen Tag noch die Damen.«

      Sie dreht sich um und verlässt mit Jokke den Salon. Beim Rausgehen hört sie hinter sich ein reißendes Geräusch und weiß sofort, dass das ihre Karte war.

      9

      Eine Stunde, nachdem Skagen sich von Bargstedt auf den Weg gemacht hat, sitzt er an seinem Schreibtisch im kühlen Skanpol-Büro und vergleicht für den Waffenschieber-Fall Fotos aus der Polizeidatenbank mit Videoaufnahmen vom Containerhafen in Oslo. Die teils unscharfen Aufnahmen flimmern auf dem Monitor an ihm vorüber, ein Gesicht finsterer als das andere, aber Skagen kann sich kaum konzentrieren. In seinem Innern rumort es. Der überraschende Anruf von Maja hat ihn total aus der Bahn geworfen. Immer wieder schwappen kalte Wellen der Erinnerung über ihn hinweg und hinterlassen bei ihm das Gefühl, als leide er unter Schüttelfrost. Vielleicht wird er tatsächlich krank. Kein Wunder bei der eiskalten Klimaanlagenluft im Büro und der Hitze draußen. Womöglich hat er sich etwas eingefangen.

      Schwachsinn.

      Du weißt genau, was es ist!

      Skagen versucht, sich auf die Fotos zu konzentrieren, doch die Gesichter der Verbrecher verschwimmen vor seinen Augen. Er sieht zu Jens Fram hinüber, der wie wild auf seiner Tastatur herumtippt. Hinter ihm starrt Kaisa auf ihren Monitor. Sie hat ihm dem Rücken zugedreht und rauft sich ihre weißblonden Haare. Sie alle sind überarbeitet. Zu viele Fälle für zu wenige Leute. Wie in fast jeder Polizeidienststelle. Allein Jette wirkt erholt. Sie steht am Fenster in der prallen Sonne und telefoniert, dabei lacht sie leise.

      Plötzlich klingelt Skagens Handy. Maja!

      Mit zusammengebissenen Zähnen überlegt er, das Gespräch nicht anzunehmen. Es wäre besser für ihn, wenn er vorerst Abstand von den Dingen hielte, die seine Panik weiter befeuern könnten. Und dazu gehört alles, was mit Karlskrona zu tun hat. Aber er will Maja nicht hängenlassen. Er gibt sich einen Ruck und drückt auf das Symbol mit dem grünen Hörer.

      »Hej hej, Tom. Wie geht’s?«

      Diese Stimme! Erneut bringt sie alles ins Wanken, aber Skagen versucht dagegen anzukämpfen.

      »Ja. Was gibt’s?«, fragt er kurz angebunden.

      »Ähm, ich habe einen Anschlag auf dich vor. Ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass unsere Techniker das Handy von Jochen Nowak entsperrt haben. Das ist so ein vorsintflutliches Ding, kein Smartphone. Ich schicke dir gleich eine Liste mit Telefonnummern, die, wie wir vermuten, Freunden von Herrn Nowak gehören. Könntest du die vielleicht abtelefonieren und nachfragen, ob sich Tina Nowak dort gemeldet hat? Womöglich weiß jemand, ob sie mit ihrem Mann Zoff hatte. Meine Deutschkenntnisse sind nicht so berühmt, und du würdest mir damit echt weiterhelfen.«

      Skagen wirft einen Blick zu Jette hinüber, die ihr Telefonat beendet und sich an ihren Schreibtisch neben der Tür setzt. Unvermittelt packt ihn ein neuer Schauer, und er muss kurz die Augen schließen, weil ihm schwindelig wird.

      »Klar, kein Problem«, bringt er schließlich hervor, obwohl sich alles in ihm sträubt.

      »Danke, Tom. Ich weiß das sehr zu schätzen …« Für einen Moment scheint es, als wolle Maja etwas hinzufügen, doch dann verabschiedet sie sich und legt auf.

      Skagen lässt das Telefon sinken. Er fühlt sich, als wäre er in einen kalten Strudel geworfen worden, der ihn gnadenlos nach unten zieht. Sein Herz rast, und er bekommt kaum Luft. Kontrolliert atmet er gegen die Panik an. Vor ihm taucht Maja Lövgren auf. Majaja mit den hellblonden Haaren und tiefblauen Augen.

      »He, Tom!«, schallt Jens’ Stimme durch den Raum und Skagen schreckt auf.

      »Ja?«

      »Alles klar? Du guckst, als hättest du einen Geist gesehen.«

      Ja, denkt Skagen, das ist sie auch. Ein Geist aus der Vergangenheit.

      »Wer war das am Telefon?«

      »Nur eine Kollegin aus Schweden.« Skagen tut so, als wäre alles normal, und konzentriert sich wieder auf seinen Bildschirm.

      Aber Jens lässt nicht locker. »Kenne ich sie?«

      »Nein.«

      »Werde ich sie kennenlernen?«

      »Auch nein.«

      »Aha, du willst sie uns also vorenthalten. Bist du etwa in sie verknallt? Komm schon, ich seh’s dir doch an, dass da was ist.«

      »Quatsch!«, wehrt Skagen ab, doch dank Jens’ blödem Kommentar sind nun alle Blicke auf ihn gerichtet. Entgegen seiner Bemühungen wird er rot.

      Reiß dich zusammen, verdammt. Reiß dich zusammen!

      »Und du magst sie doch!«, lacht Jens, während Kaisa vergnügt in die Hände klatscht.

      Rasch scannt Skagen seinen Schreibtisch ab. Wenn Jens nicht sofort aufhört, muss er ihm etwas an den Kopf werfen. Ah, der Locher, der ist gut, oder das Strafgesetzbuch. Er greift nach dem Wälzer und wiegt ihn demonstrativ in der Hand. Jens, der seine Geste versteht, hört auf zu grinsen und widmet sich seiner Arbeit. Jette schaut ebenfalls schnell weg, das Zucken um ihre Mundwinkel verrät jedoch, dass Kaisa hinter Skagens Rücken herumgealbert hat. Als er sich zu seiner finnischen Kollegin umdreht, ist diese betont geschäftig in ihre Unterlagen vertieft.

      In der Kaffeepause würde er auf der Hut sein müssen. Bis dahin hätte Kaisa bestimmt einen Plan ausgeheckt, um ihn zum Reden zu bringen. Eine Reihe finnischer Flachwitze zum Thema Schweden und Liebe wäre ihm jedenfalls sicher.

      Er stellt das Buch zurück an seinen Platz und kehrt zu seiner Arbeit mit den Verbrecherfotos zurück.

      Gegen 16 Uhr tippt Jens ihm auf die Schulter und Skagen sieht von seinem Bildschirm auf.

      »Kaffee in der Kantine?«, fragt der Norweger.

      »Ähm, sorry. Ich muss noch was erledigen.«

      Jens nickt und verlässt das Büro zusammen mit Kaisa, von der Skagen im Vorbeigehen einen vielsagenden Blick erhält. Sie würde ihn so schnell nicht vom Haken lassen.

      Da Jette an ihrem Platz bleibt, verzieht sich Skagen in den leeren Besprechungsraum auf dem Flur. Dort faltet er Majas Liste mit den Telefonnummern auseinander. Es sind nur acht Stück. Das könnte er in der kurzen Pause schaffen. Schnell wählt er die erste.

      Als

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