Mörderische Eifel. Andreas J. Schulte

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Mörderische Eifel - Andreas J. Schulte

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rollte, überlegte ich ernsthaft, sie für immer zum Schweigen zu bringen. Wenn ich mich nicht entspannte, konnte ich auch genauso gut arbeiten. Spontan fielen mir 20 Methoden ein, jemanden mit bloßen Händen zu töten, und das waren nur die, die hinterher wie ein Unfall aussahen.

      Kricks. »So, da wären wir. Willkommen in der Eifelhauptstadt des Verbrechens. Willkommen in Hillesheim.«

      Alles klatschte begeistert, nur ich wusste nicht, warum.

      »Nun aber los, junger Mann. Uns bleiben nur zwei Stunden«, drängte Käthe.

      Kricks. »Natürlich können Sie Ihr Gepäck im Bus lassen. Hier wird ja nur gemordet, höhö.« Udos launige Bemerkung löste allgemeine Heiterkeit aus. Vielleicht sollte ich einfach im Bus bleiben und mich ausruhen, überlegte ich. Da stieß mir Käthe auch schon den Ellenbogen in die Rippen. »Auf geht’s, wir wollen doch nicht die Letzten sein.«

      Käthes Eile war, wie sich herausstellte, völlig unnötig. Denn erst einmal stellten sich draußen alle Busreisenden brav im Halbkreis auf. Udo war in seinem Element. Vor lauter Aufregung wippte er nervös auf den Fußballen, jetzt kam sein großer Auftritt. Die launigen Ansagen im Bus waren nur das Vorspiel gewesen, das wurde mir in den nächsten Minuten klar. Udo strich sich eitel ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mit seinen schwarzen Haaren und dem dunklen Schnurrbart, weißen Jeans und Hawaiihemd erinnerte er mich an den jungen Tom Selleck. Udo trug natürlich die obersten drei Hemdknöpfe offen, sodass den Damen ein Blick auf die haarige Brust samt Goldkettchen gewährt wurde. Magnum hatte sich nach Hillesheim verirrt.

      »So, wenn wir jetzt vollständig sind …«

      Ich schaute mir die Runde an. Mehr Frauen als Männer, einige in Käthes Alter, zwei junge Frauen, zwei Ehepaare, offensichtlich miteinander befreundet. Ich wollte gerade überlegen, wer von den Männern wohl mal Studienrat gewesen war, da begann Udos Show.

      Ich hatte zwei Wochen in den USA gearbeitet und war – durch Zufall – in Memphis in einen Gottesdienst geraten. Das kennen Sie sicher aus Filmen. Der Pastor an der Kanzel, der Gospelchor im Hintergrund, die aufgeputschte Gemeinde – haben Sie das Bild vor Augen? Dann haben Sie einen Eindruck von dem, was Udo abzog.

      »Leute, jetzt liegt es an euch. Ihr habt die Wahl. Hier gibt es wunderschöne Wanderwege«, Udo grinste in die Runde, »oder vielleicht die Geologisch-Mineralogische Sammlung?«

      Udo hielt sich eine Hand ans Ohr und beugte sich übertrieben nach vorne. »Ich kann euch nicht hören.«

      Die ersten Reisenden kapierten schnell, was er hören wollte. »Nö, buh, ach was!«

      »Ah, dann weiß ich das Richtige für euch. Heute ist ja der erste Donnerstag im Monat, da ist Markt. Wollt ihr den Krammarkt sehen?«

      »Buhhhh« – jetzt hatten es alle kapiert.

      »Ihr möchtet die alte Stadtmauer mit dem Hexenturm, die barocke Orgel der St. Martins Kirche oder den Eiskeller anschauen? Nein, das wollt ihr alles nicht! Ich weiß doch, was ihr wollt! Ihr wollt das Krimi-Archiv sehen, einen kurzen Blick ins Krimi-Hotel werfen, ihr wollt euren Kaffee im ›Sherlock‹ trinken.«

      Udos letzte Sätze wurden von zustimmendem Gejohle und lauten Jawohl-Rufen unterbrochen. Udo strahlte: »Denn wir sind hier auf deeer Eiiffffel …«

      »Krimitour!«

      Ach du Scheiße, sogar die beiden Studienräte brüllten begeistert mit. Udo hatte seine Meute im Griff, daran gab es keinen Zweifel.

      Ich hielt Ausschau nach einer ruhigen Parkbank, als sich Käthe bei mir unterhakte. »Gefällt es Ihnen, Michael?«

      Ich schüttelte den Kopf. »Ich soll mich entspannen, aber das kann ich wohl hier vergessen.«

      »Na, na, seien Sie nicht so streng mit sich und den anderen. Das wird lustig, glauben Sie mir. Ich war schon ein paar Mal hier. Ich habe sogar den Eifelkrimi-Wanderweg geschafft, das sind immerhin gut 20 Kilometer. Nur das mit der Krimi-Radtour habe ich gelassen, eine alte Frau sollte ihre Grenzen kennen, auf dem Rad wird mir immer schwindlig, und ich muss ja auf mein schwaches Herz achten, sagt der Arzt. Der Udo macht das doch ganz ordentlich. Es gibt hier auch eine Krimibus Tatort-Tour, die ist sehr empfehlenswert, aber wie gesagt, der Udo versteht sein Geschäft.« Käthe plapperte an meiner Seite, sie schien gar keine Antwort von mir zu erwarten. Ich meine, als Profikiller in Hillesheim nicht an die Arbeit zu denken, das war, als wolle ein Bankmanager im Geldspeicher von Onkel Dagobert mal Abstand vom Thema Geld nehmen. Wir gingen ein kurzes Stück die Straße herunter, da stießen schon die Ersten der Reisegesellschaft begeisterte Rufe aus. Eine englische rote Telefonzelle stand gut sichtbar vor einem hellen Haus. Das Kriminalhaus. Unsere Reisegesellschaft sorgte im Cafe ›Sherlock‹ für volle Tische. Auf der einen Seite gefiel mir die Einrichtung. Unzählige Fotos und alte Filmplakate an den Wänden, alte Ohrensessel, Tische und Stühle aus dunklem Holz, gemütlich war es hier. In einer Ecke stand ein Tisch in einem holzverkleideten Zugabteil, daneben ein offener Kamin. Man hatte lebensgroßen Figuren von Sherlock Holmes und einem englischen Bobby aufgestellt. Der ganze Raum atmete Krimi, Detektive und Ermittler. Nur ich, ich atmete immer schwerer. Mein Blick fiel auf einen der Tische, wo unter Glas liebevoll Accessoires des Verbrechens ausgestellt wurden. Ich sah eine Pistole und fühlte, wie mein Auge anfing zu zucken. Der bohrende Blick von Inspektor Derrick sorgte bei mir für ein unangenehmes Kribbeln. Es dauerte keine zwei Minuten. Plötzlich spürte ich, wie meine Hände anfingen zu zittern.

      »Ist Ihnen nicht gut, Michael? Himmel, Sie sehen ja ganz blass aus«, Käthe musterte mich besorgt.

      »Ich … ich werde mal kurz an die frische Luft gehen.«

      Nur wenige Meter vom Eingang des Cafés stand eine Tischgruppe aus Stein und Holz. Ich setzte mich auf eine der Bänke und atmete tief durch. Ich konzentrierte mich auf zwei aus Holz geschnitzte Frauenfiguren, und nach zwei Minuten hörte das Zittern auf. Ich blieb einfach mit geschlossenen Augen in der Sonne sitzen und spürte langsam, wie die Anspannung der letzten zwei Stunden nachließ. Dr. Wertmann hatte recht, es gab etliche Kollegen, die weniger akkurat arbeiteten und trotzdem gut ausgebucht waren. Und wenn man mal ehrlich war: Welcher Auftraggeber beschwerte sich schon gern bei einem Profikiller? Vielleicht hatte ich mir selber zu hohe Standards gesetzt. Jedenfalls konnte es so nicht weitergehen.

      »Ach, das war herrlich!«

      Mit einem seligen Seufzen setzte sich jemand neben mich. Ich musste nicht hinschauen, um zu wissen, wer da gekommen war.

      »Es war … es war so aufregend.«

      Käthes Stimme zitterte. Ich hörte ihr mit geschlossenen Augen zu. Sie redete ein bisschen durcheinander, ich verstand Krimiautoren, ein Treffen in der anderen Etage, Autogramme.

      »Und dann hat er mich angeschaut und mit seiner tiefen Stimme gesagt: ›Sieh mal an, die Tante Käthe ist wieder im Lande‹.«

      Ich hörte einen weiteren seligen Seufzer und danach einen leisen erstickten Laut. Ich öffnete die Augen und schaute zu Käthe herüber. Sie hatte die Augen geschlossen und lächelte. Die Hände hielten ein Taschenbuch fest, auf dessen Rückseite zahlreiche Unterschriften zu sehen waren. Für einen Moment konnte ich es nicht glauben, aber ich hatte genügend Tote gesehen. Ich brauchte ihren Puls gar nicht mehr fühlen, tat es zur Sicherheit dann doch. Katharina »Tante Käthe« Schmeller hatte ihre letzte Tour angetreten. So viel Aufregung kann aufs Herz schlagen. Vorsichtig nahm ich ihr das Buch aus der Hand. Dann machte ich mich auf den Weg, Udo Bescheid zu sagen, der musste schließlich alles Notwendige in die Wege leiten. Nach Bad Bertrich suchst du dir besser eine andere Reisemöglichkeit, überlegte ich.

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