Mühlviertler Blut. Eva Reichl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Mühlviertler Blut - Eva Reichl страница 3
»Landeskriminalamt Oberösterreich, Chefinspektor Oskar Stern«, sagte er ruhig, weil er die Stimmung nicht noch weiter anheizen wollte.
»Es … es tut mir leid«, stotterte der Mann und machte sofort einen Rückzieher. Die Menge teilte sich wie eine mit der Axt gespaltene Melone und ließ Stern und Grünbrecht bis zum Absperrband vor der Kirche vorfahren. Dort stellte Stern den Motor ab. Ein Polizist, der wie eine Bulldogge vor dem Kirchenportal diese vor Schaulustigen gerade noch zu verteidigen versucht hatte, kam schwitzend auf sie zu gerannt.
»He! Da können S’ aber nicht stehen bleiben!«, rief er.
Grünbrecht reckte den Kopf aus dem Fenster und fragte: »Sehen Sie eine andere Parkmöglichkeit?« Dabei wies sie auf die Menschen, die den Platz vor der Kirche bevölkerten wie bei einem Open-Air-Konzert und nach vorne drängten, als gäbe es in dem Gotteshaus den Messwein gratis. Ungeachtet des Protestes des ländlichen Kollegen stieg Stern aus dem Wagen. Grünbrecht tat es ihm gleich.
»Sind Sie schwerhörig?«, fauchte der Polizist. »Da können S’ nicht stehen bleiben, hab ich gesagt!« Er stellte sich Stern in den Weg, der gerade über das Absperrband hatte steigen wollen, und versuchte, ihn mit Körpereinsatz aufzuhalten. Trotz der Kühle an diesem Tag schwitzte der Kollege, und Stern war sich sicher, dass er einem nervlichen Zusammenbruch nahe war. Wahrscheinlich war es sein erster Mord, dachte der Chefinspektor und erinnerte sich, als er seine erste Leiche zu Gesicht bekommen hatte. Eine Wasserleiche war das damals gewesen. Die hatte mehrere Wochen im Pichlingersee mit einem Gewicht an den Füßen im Wasser gelegen und war von einem Hobbytaucher entdeckt worden. Das war kein schöner Anblick gewesen! Sofort verspürte Stern einen säuerlichen Geschmack im Mund. Er trat zurück an die Tür seines Audis, öffnete sie, sodass der ländliche Kollege sich bereits als Sieger wähnte und zurück zur Kirchenpforte eilte, fischte die Pfefferminzbonbons aus der Ablage in der Mittelkonsole und steckte sich gleich fünf davon in den Mund. Dann schlug er die Tür eine Spur zu heftig zu, was den Polizisten auf seinem Weg zur Kirche innehalten ließ, drückte auf die Fernbedienung in seiner Hand, was ein orangefarbenes Blinken am Audi auslöste und diesen absperrte.
»Hey …« Der Polizeibeamte kam mit hochrotem Kopf zurück und deutete auf den Wagen. Wahrscheinlich wollte er seine Forderung, dass Stern woanders parken solle, wiederholen, doch der Chefinspektor ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Er zog den Dienstausweis aus seiner Tasche und sagte: »Chefinspektor Oskar Stern. Das ist meine Kollegin Gruppeninspektorin Mara Grünbrecht. Wir sind vom Landeskriminalamt in Linz und übernehmen ab jetzt diesen Fall.« Wenn Stern mit einer unterwürfigen Reaktion gerechnet hatte, hatte er sich geirrt.
»Na endlich!«, schwenkte der Polizist von zuvor ungehalten auf jetzt erleichtert und ließ nichts von einer hierarchischen Dienstbeflissenheit erkennen. Viel eher klang sein nächster Satz wie ein Vorwurf. »Ich hab schon gedacht, dass die Leiche zu stinken anfängt, bevor sich die Kripo hier blicken lässt.«
Stern war verblüfft. So etwas Ähnliches hatte er heute schon mal gehört, und zwar von Grünbrecht.
»Na, so schnell geht das nun auch wieder nicht«, relativierte er den Tadel seines ländlichen Kollegen und warf Grünbrecht einen prüfenden Blick zu. Die Gruppeninspektorin trug ihre schulterlangen braunen Locken zu einem Zopf gebunden. Nur hin und wieder standen ein paar widerspenstige Haarsträhnen von ihrem Kopf ab und kräuselten sich in alle Richtungen. Als er merkte, dass sie verhalten grinste, steckte er den Dienstausweis ein, seufzte und sah sich um. Unverkennbar waren sie gleich im Zentrum des Geschehens gelandet. Der Platz vor der Kirche war der Mittelpunkt des hiesigen Lebens. Irgendwo im Ort musste dann der Brücklwirt sein. Dort würden er und Grünbrecht später Quartier beziehen und etwas Anständiges essen, hoffte er. Zuerst galt es aber, nach der Leiche zu sehen. Er wandte sich der Menschenansammlung zu und wusste, wohin er gehen musste, auch ohne dass ihm jemand den Weg wies. Aber dieser jemand ließ es sich nicht nehmen.
»Revierinspektor Josef Plattlbauer«, stellte der sich vor und fügte an: »Da lang, Herr Chefinspektor und Frau Gruppeninspektorin.« Plattlbauer deutete auf den Eingang der Kirche und redete weiter, während er für die Beamten der Kripo das Absperrband nach unten drückte. »Liebenau fällt in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich stamme von hier, wohne auch da, aber arbeiten tue ich in Weitersfelden. Das liegt zehn Kilometer von hier entfernt. Liebenau selbst hat keine Polizeidienststelle mehr, die hat man vor Jahren wegen Sparmaßnahmen geschlossen, deshalb tun die Menschen hier, was sie wollen. Sehen Sie sich das Ganze nur mal an! Wie soll ich bei so einem Fall alleine zurechtkommen?« Plattlbauer schnaubte. Ob vor Entrüstung oder weil er überfordert war, konnte Stern nicht sagen. »Gott sei Dank sind Ihre Kollegen von der Spurensicherung schon da! Die waren ein bisschen schneller als Sie und haben mir geholfen, den Tatort abzuriegeln, dass die ganzen Rindviecher da nicht hineintrampeln und alle Spuren vernichten. Weil wollen täten die schon, wissen S’!« Der Revierinspektor deutete in Richtung der neugierigen Menschen. Er wirkte heilfroh, die sensationslüsterne Menge nun nicht mehr allein unter Kontrolle halten zu müssen. Endlich hatte er Verstärkung an seiner Seite, noch dazu einen Chefinspektor und eine Gruppeninspektorin vom Landeskriminalamt Oberösterreich in Linz. Die hiesige Bevölkerung hatte sich zuvor nämlich die ganze Zeit über keinen Deut darum geschert, was er zu sagen hatte. Das würde sich jetzt aber gravierend ändern!
»Ist das Ihr erster Mord?«, fragte Stern.
»Ja, mein erster«, wiederholte Plattlbauer. Freudig erregt, wie Stern vorkam. Na gut, der erste Mord war immer etwas Besonderes, dachte er dann, also wollte er ein wenig nachsichtig mit dem Kollegen sein.
»Dann lassen Sie uns ans Werk schreiten«, sagte er und ging auf das Portal der Kirche zu. Die neugierigen Blicke der Liebenauer folgten ihm. Sie schienen sich zu fragen, was denn so Entsetzliches in ihrem Gotteshaus geschehen war, dass die Kripo aus Linz anrücken musste. Denn natürlich wusste man, dass jemand dahingeschieden war. So etwas ließ sich in so einem kleinen Ort nicht verheimlichen. Liebenau zählte gerade mal an die 1.600 Einwohner, je nachdem, wie viel gerade geboren und gestorben wurde. Aber wer das Zeitliche gesegnet hatte, und vor allem, warum er es getan hatte, wollte man halt auch erfahren.
»Um wen handelt es sich bei dem Toten?«, fragte Stern den Revierinspektor.
»Um den Pfarrer«, antwortete Plattlbauer diensteifrig.
»Den Pfarrer?« Grünbrecht blieb stehen und starrte den ländlichen Kollegen an. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass sie gleich die Leiche eines Priesters sehen würden.
»Äh … ja, der Pfarrer«, wiederholte Plattlbauer.
»Was kann ein Pfarrer denn schon angestellt haben, dass er Opfer eines Gewaltverbrechens wird?« Es war Grünbrecht anzusehen, dass ihr die Vorstellung, im Fall eines ermordeten Mannes Gottes zu ermitteln, nicht sonderlich behagte.
»Ein Pfarrer ist auch nur ein Mensch, Grünbrecht. Und alle Menschen sündigen. Die einen mehr, die anderen weniger«, erwiderte Stern und übertrat achtlos die Kirchenpforte, während Plattlbauer und Grünbrecht ihre Finger im Weihwasserbecken versenkten und sich bekreuzigten. Ein Blick nach vorne in den Altarraum ließ Stern jedoch wünschen, er hätte es ihnen gleichgetan. Ein Kreuzzeichen war hier mehr als angebracht. Jedoch helfen würde es auch nichts mehr.
»Um Gottes willen!« Dieser Ausruf sprang dem Chefinspektor wie ein Ziegenbock über die Lippen.
»Ich