Störtebekers Erben. Susanne Ziegert
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In der Heide, bei ihrer Familie, hatte sie sich erst wieder sehen lassen, als sie schon das erste Jahr an der Polizeiakademie hinter sich hatte. Ihr alter Herr hatte getobt, gebettelt und schließlich angekündigt, sie zu enterben. Ihre Mutter hatte nur vorwurfsvoll geschluchzt. Und ihre Schwester Felicitas schien das Spektakel zu genießen. »Sieh an, die Streberin … bald in blauer Uniform.«
Das war der vorletzte Kontakt, bis sie schließlich auf Omamas Beerdigung wieder mit ihrer Familie zusammentraf. Dass die alte Dame ihr Hamburger Häuschen an Rike vererbt hatte, trug nicht unbedingt zu einer Verbesserung des Verhältnisses bei.
Wie sehr erinnerte sie alles hier an Omama, die ihr noch bei vielen Gelegenheiten fehlte. Aber immer in einem solchen Moment, wenn sie die Traurigkeit und das Gefühl der Einsamkeit überfielen, kam ihr tollpatschiger verspielter Vierbeiner und warf ihr einen unwiderstehlichen Blick zu. Er stupste Rike an und legte ihr bettelnd seine schmutzige Pranke auf den Schoß, um sie zu einer kleinen Tour an den Elbstrand zu überreden. Prinz hatte ein sehr feines Gespür für die Gemütsregungen seines Frauchens. Auch heute sprang er ungeduldig um sie herum und hatte sein neuestes Lieblingsspielzeug, ein halb zerkautes Stoffkrokodil, im Maul, das er überall hin mitschleppte. Hinter dem fröhlich bellenden Hund lief sie die kleine Gasse vor ihrem Haus entlang und stieg dann eine der vielen Treppen, denen das Viertel seinen Namen verdankte, hinab zum Strand. Von unten sah ihr Treppenviertel in Blankenese mit seinen in den Berg hinein gebauten weißen Fischerhäusern fast aus wie ein kleines griechisches Dorf auf einer Mittelmeerinsel. Früher fuhren hier fast alle Männer zur See, die Frauen hielten am Ufer Ausschau und warteten manchmal vergeblich. Aus dem armen volkstümlichen Viertel war mittlerweile eine wohlhabende Wohngegend geworden. Wenn es nicht einen chronischen Mangel an Parkplätzen gäbe, würden wohl noch mehr Porsches und dicke Geländewagen vor den Häusern parken.
Als sie mit Prinz über den Sand entlang der Elbe schlenderte, kehrten Rikes Gedanken zum Fall zurück. Erst hatte es keinerlei Ansatzpunkte gegeben, aber dann hatten sich die Touristen gemeldet, die den Verdächtigen abends zum Friedhof gehen gesehen hatten, und ihn identifiziert. Bei der Hausdurchsuchung am Vortag hatten sie bei ihm 50.000 Euro und eine Quittung von Hein gefunden, die bestätigte, dass er das Geld erhalten hatte. Sie wurden gerade noch auf Fingerabdrücke untersucht. Hoffentlich konnten sie noch DNA-Spuren isolieren, und stimmten diese überein, dann konnten sie die Akte schließen. Auch wenn noch wesentliche Fragen offenblieben. Computer und Handy des Inselkaufmanns fehlten, das Haus war von Einbrechern durchsucht worden, nachdem sie die Siegel angebracht hatten. Sie hatten auch die Frage nicht klären können, was der Historiker von Hein gewollt hatte und weshalb er bereit war, diesem so viel Geld zu bezahlen.
Kapitel 13
Margo passte David ab, als dieser gerade mit einem kleinen Grüppchen Touristen mit Eimerchen und Schaufel von einer Wattwandertour zurückkehrte. Aus dem Fenster der Pensionsküche hatte sie ihn mit einigen Menschen in bunter Regenkleidung im Watt gesehen, das ohne Sonne und im Nieselregen wirkte wie ein ausgedehntes Schlammfeld. Keine zehn Pferde hätten sie bei dem Wetter mit nackten Füßen dort hineingebracht. Doch bei den Touristen waren die Wattwanderungen ein Renner. Etwas selbstironisch hatte David im Programm des Nationalparkhauses eine Safari zu den »Small Five« angekündigt und führte den Besuchern fünf kleine Tierarten vor, die im Meeresboden lebten. Margo fand die Idee ausgesprochen witzig, denn es war die ironische Antwort auf die Werbung afrikanischer Nationalparks, wo es die »Big Five« zu sehen gab. Wie viel Bitterkeit dahinter steckte, wusste sie seit ihrem ersten Nachbarschaftsbesuch. Sie hatte sich die Ausstellung angesehen und wollte sich bei ihrem Nachbarn vorstellen, um sich für die einsamen Monate vorzubereiten. David hatte sie freundlich begrüßt und spontan auf einen Tee im Dachgeschoss eingeladen, wo er ein Teleskop aufgestellt hatte, um die Sterne zu beobachten. Er war neben dem Inselkaufmann Peter Hein ihr nächster Nachbar, das Nationalparkhaus befand sich keine 50 Meter entfernt auf der anderen Seite des Mittelweges, der die Insel durchschnitt. In den unteren Räumen befand sich eine Dauerausstellung mit ausgestopften Vogelarten, Schaubildern über das Watt, einem Aquarium und einer kleinen Ausstellung über den Klimawandel arrangiert um einen Pappeisbären, der auf einem Bein auf einer winzigen Eisscholle stand. In der Etage darüber hatte die Stadt eine Wohnung für den Ranger und Chef des Nationalparkhauses eingerichtet.
Sie waren ins Gespräch gekommen und hatten mehrere Stunden lang über die Insel diskutiert und darüber, wie es sie beide hierher verschlagen hatte.
Schon als kleines Kind hatte er die Sendungen mit dem berühmten Naturfilmer Sielmann verfolgt. Antilopen, Giraffen, Elefanten oder gar der König der Tiere, der Löwe – die afrikanischen Großen Fünf waren sein Lebenstraum. Und er hatte alle Voraussetzungen, sich diesen zu erfüllen. Denn gerade, als er als bester Absolvent Studium und Promotion abgeschlossen hatte, wurde die Stelle im südafrikanischen Hagalugu-Nationalpark frei, ein internationales Naturschutzprojekt unter deutscher Führung. Im gleichen Jahr hatte sich auch eine Kommilitonin beworben, die nur mittelmäßige Noten mitbrachte, allerdings die Nichte des Umweltministers war. Also wurde mit der Frauenförderung argumentiert – und David hatte das Angebot auf der Insel in der Nordsee bekommen, das er nach langem Überlegen angenommen hatte. »Ein Heimkind hat eben keine Chancen in dieser Gesellschaft, sich selbst zu verwirklichen«, hatte er geklagt, und sie wollte lieber nicht genauer nachfragen. Das schien ein schmerzhaftes Kapital seiner Vergangenheit zu sein. Statt Löwe und Nashorn führte er nun Touristen Wattwurm und Nordseegarnele vor und träumte weiter von Afrika. Das vermutete zumindest Margo.
David lächelte, als er seine Nachbarin am Weg hinter dem Deich entdeckte. Nachdem er die Teilnehmer seiner Wattsafari verabschiedet hatte, lud er Margo zu einem frisch gebrühten Friesentee ein. »Schrecklich, das mit Peter, oder?«, begann er und setzte eine Kanne heißes Wasser auf.
»Schlimm, ich kannte ihn zwar kaum, aber ich kann es nicht glauben, dass er so ein Ende gefunden hat«, stimmte Margo ihm zu. »Ich frage mich nur, was seine Tochter gegen mich hat, sie hat mich heftig beschimpft«.
»Ach die Barbie. Seit der Hein einmal in eine lettische Kellnerin verknallt war und von Hochzeit sprach, hat die Angst um ihr Erbe. Der Mann war ja ein Großgrundbesitzer, der kam als armer Schlucker als Kind auf die Insel, sein Vater war der Müllfahrer, und hat den Bauern ihr Land Hektar für Hektar abgehandelt. Das ist sicher mittlerweile mehrere Millionen wert. Und du mit deinem polnischen Nachnamen …«, er zwinkerte ihr zu.
»Mit mir redet sie auch erst wieder, seit meine Mutter von ihm geschieden ist.« Er servierte den Tee in weißen Porzellantassen, die mit verschiedenen Möwenarten bemalt waren, in der Sitzecke vor einem Aquarium, durch das eine kleine rote Krabbe schnell humpelnd vor einem größeren Artgenossen hinter einen grünen Hügel huschte. »Ein Bein hat er ihr schon ausgerissen.« David klang belustigt, als er die Prügelei in seinem Minimeer beobachtete.
Margo sah dem Hinkebein hinterher und hätte das kleine rote Tierchen am liebsten vor seinem Verfolger gerettet und es in die Freiheit entlassen. Sie glaubte,