Störtebekers Erben. Susanne Ziegert

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Störtebekers Erben - Susanne Ziegert

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an die Arbeit. Danke noch für das erhellende Gespräch und weiter gute Erholung auf Neuwerk.« Diese Spitze konnte sie sich nicht verkneifen. Kurz hatte sie überlegt, ob sie etwas von dem nächtlichen Besuch von Paul und dem Schattenmann erzählen sollte. Aber warum sollte sie der aufgeblasenen Schlossherrin ihre Arbeit abnehmen? Außerdem hätte sie sich damit sogar noch verdächtiger gemacht.

      Kapitel 10

      Es war einfach lächerlich, der Typ wollte wohl einen auf Pferdeflüsterer machen. Finster sah Robert Galinowski dem Mann mit Cowboyhut hinterher, der in einem runden Holzverschlag ein dickes braunes Pferd im Kreis traben ließ. Die Menkendorf hatte ihn dafür eingeteilt, den Ortsvorsteher Kai-Uwe König nochmals zu ihren bisherigen Erkenntnissen zu befragen und mit seiner Hilfe das Beziehungsnetz von Peter Hein auf der Insel zu rekonstruieren.

      Seine Freunde hatten neidisch zugehört, als er während ihrer wöchentlichen Skatrunde den Marschbefehl für die Insel in der Nordsee bekam, doch er selbst hätte gerne darauf verzichtet. Dieses ganze Gelaufe ging ihm auf die Nerven, diese Insel war autofrei. Das musste man sich ja einmal vorstellen in unserem Jahrhundert! Bis auf die Müllabfuhr, die Feuerwehr und ein paar Traktoren gab es keine motorisierten Privatfahrzeuge. Den Vorschlag, das Feuerwehrauto zu beschlagnahmen, hatte die von Menkendorf mit empört gespitzten Lippen zurückgewiesen. Das sah der Frau ähnlich.

      Zum Glück war das entgegengesetzte Ende der Insel nicht weit entfernt, in einer Stunde hatte man Neuwerk sogar komplett umrundet. Er war aber nicht außen am Deich entlang zu den Häusern im Norden der Insel gegangen, sondern hatte den Mittelweg hinter dem Leuchtturm genommen, einen Plattenweg, der einen öden Blick auf die flache Landschaft ohne Bäume bot. Kühe glotzten ihn blöde aus ihren großen Augen an, dahinter weideten die Pferde, die wohl Königs Kutschen ziehen mussten. Vom Meer sah Galinowski nichts, der Deich im Norden versperrte den Blick auf die Nordsee. Er fragte sich, warum hier jemand seinen Urlaub verbrachte. Er würde sich schnellstmöglich mit der Dienstpistole ins Jenseits befördern, wenn er hierher versetzt würde. König ignorierte ihn noch immer, er räusperte sich schließlich.

      »Kriminaloberkommissar Galinowski. Ich ermittle in einem Mordfall, würden Sie sich bitte zur Befragung bequemen?«

      Der Cowboy knurrte: »Hab schon mit Chefin gesprochen.« Galinowski kochte innerlich– die Menkendorf, von wegen Chefin. Wenn er wüsste, mit wem die auf der Besetzungscouch gelegen hatte. Die war erst nach ihm in die Mordkommission gekommen und vollkommen unerfahren. Das wäre eigentlich sein Fall. Aber seine Stunde würde kommen, da war er ganz sicher. Gemächlich hatte der Cowboy das Pferd zur Koppel geführt, das Halfter gelöst und war gerade rechtzeitig beiseitegetreten, als das Tier mit großen Sprüngen auf die Wiese stürmte.

      »In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Toten?« Der Mann würdigte ihn keines Blickes.

      »Schulkamerad.«

      Knapper ging es nicht, dem musste man tatsächlich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.

      »Ist ja einen Moment her, oder? Und wie war das Verhältnis heute?« Galinowski folgte dem Mann, der in das Stallgebäude weiterlief und ihn einfach wie Luft behandelte. An einer Box war er stehen geblieben: »Man kann sich auf einer Insel schlecht aus dem Weg gehen.« Na, wenn das kein Ansatzpunkt war.

      »Aus dem Weg gehen– gab es Streit?«, fragte Galinowski hoffnungsvoll.

      »Nix Streit, drehen Sie mir nicht das Wort im Mund rum, sonst sag ich nichts mehr«, bellte der Cowboy drohend und fragte dann missmutig: »War’s das, ich hab einen Betrieb zu führen.«

      Ohne die Antwort abzuwarten, kehrte er Galinowski den Rücken zu und setzte mit finsterem Blick seinen Weg in die Stallgasse fort.

      Galinowski war in Rage und beschloss, sich erst mal ein Bierchen im Nachbarlokal zu gönnen, bevor er sich den nächsten redseligen Insulaner vornahm.

      Direkt nebenan lag das Restaurant »Seemannsgarn«, das in seinem Reiseführer als besonders empfehlenswert vermerkt wurde. Hier würde doch hoffentlich ein wohlschmeckendes Helles gezapft, und vielleicht hörte er sogar etwas Nützliches von den Gästen. Dann las er seine Notizen durch, war das tatsächlich der Jo Prell?

      Er war es, stellte er fest, als sich der Hüne ihm gegenüber an den Tresen stellte.

      »Womit kann ich dienen, Herr Hauptkommissar?«

      Galinowski schien ein paar Zentimeter zu wachsen und ließ den Irrtum unwidersprochen. Der wusste offenbar, wen er vor sich hatte.

      »Sie waren also auch ein Schulkamerad von Hein, Ihr Nachbar auch – alle in einer Klasse?«

      Der bekannte Musiker war eindeutig gesprächiger als sein Cowboynachbar. Alle Kinder auf der Insel hatten schon immer gemeinsam die Schulbank gedrückt. Aber damals war die Schulklasse mit 15 Kindern noch deutlich größer, während heute nur eine einzige Schülerin dort lernte.

      »Seitdem haben wir uns etwas aus den Augen verloren«, berichtete Prell. »Kein einfacher Mensch«, sagte er über den Toten und sah nachdenklich über den Tresen hinweg.

      »Er hat immer einen Konkurrenten in mir gesehen. Denn eigentlich war Peter Hein das große Unterhaltungstalent in der Klasse, er spielte die Hauptrollen bei unseren Weihnachtsstücken und sang in der Schülerband. Damit war es dann leider vorbei mit der künstlerischen Karriere. Am Ende wurde er Alleinunterhalter für Touristen, als er vom Schwiegervater den Laden übernahm. Seine Frau bediente, er machte Konversation und sonnte sich in der Bewunderung seines Publikums.« Er rieb den Daumen an den Zeigefinger. »Das ist natürlich eine Goldgrube, aber eben auch ein Goldener Käfig. Als ich meinen ersten Hit gelandet hatte, der im Radio lief, hat er das richtiggehend übel genommen und kaum noch mit mir geredet.« Prell schüttelte den Kopf, als er an seine Anfänge auf der Bühne zurückdachte.

      Kurz danach hatte Prell auch sein Restaurant »Seemannsgarn« eröffnet, doch dies hätte beinahe in der Pleite geendet. »Anfangs hatten wir in unserem Lokal zwei Jahre lang kaum Gäste. Bis zu dem Tag, als mitten in der Saison wirklich alle Lokale voll waren, und eine Familie langjähriger Inselbesucher zögerlich hereinspazierte.«

      Damals hatte ihnen das Wasser bis zum Hals gestanden, die Bank begann die Geduld zu verlieren und hatte bereits mit einer Zwangsversteigerung gedroht. »Wir waren so knapp vor dem Untergang«, theatralisch presste er Zeigefinger und Daumen zusammen. Dann war diese Familie gekommen, hatten sich umgesehen und erstaunt festgestellt, dass es im »Seemannsgarn« hübsch und sauber war. Sie waren danach jeden Tag bei ihnen essen, mit immer mehr Freunden und Bekannten. Am Ende seines Urlaubs hatte der Vater dieser Familie zu Prell gesagt: »Wissen Sie, wir haben uns lange gar nicht herein getraut, weil wir beim Kaufmann die Geschichte von den toten Ratten in der Küche gehört hatten.« Er stellte Galinowski ein volles Glas auf den Tresen und schlug dann auf den Tisch.

      »Ich fiel damals aus allen Wolken. Solche Lügen hatte mein alter Kumpel verbreitet, und da die Touristen immer zuerst beim Kaufmann landen, haben die einen großen Bogen um das ›Seemannsgarn‹ gemacht. Das hat sich dann aber schlagartig geändert«, erinnerte sich Prell.

      Galinowski hatte fleißig mitstenografiert und fragte dann: »Wo waren Sie denn gestern Abend?«

      Prell sah ihn ungläubig an: »Junger Mann, diese Ereignisse sind über 20 Jahre her, Sie wollen mich doch wohl nicht verdächtigen?«

      Reine Routine, versicherte er, allerdings wäre der Sänger höchst verdächtig, wenn er nicht ausgerechnet an dem Abend bei der Feuerwehr das Rettungsboot repariert hätte. Trotzdem hatte er einen Knüller, dachte er und beeilte sich, um rechtzeitig zur Besprechung

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