Mörderjagd mit Elwetritsch. Helge Weichmann

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Mörderjagd mit Elwetritsch - Helge Weichmann

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er das farbige Pulsieren der Federn, die kleinen Geweihspitzen und den grotesk großen grünen Schnabel. Nach einigen Sekunden, die Bleibier wie Stunden vorkamen, öffnete sich der Schnabel. Die Stimme von eben erklang, kieksig, etwas knarrig und irgendwie fremd: »Aber ihr Menschen habt eh komische Angewohnheiten. Ich sag nur: Wein mit Sprudel mischen. Hallo? Geht’s noch?« Mit einem missbilligenden Schnaufen schüttelte das Geschöpf den Kopf.

      Bleibiers Gedanken wussten nicht, in welche Richtung sie laufen sollten, deshalb fiel seine Antwort eher unaufgeregt aus: »Na ja, im Sommer ist das schon okay so. Soll ja den Durst löschen und nicht gleich vollmachen.«

      Das Vogelwesen kniff die Stielaugen zusammen und bog den Schnabel nach unten. Offensichtlich konnte es ihn bewegen wie einen kleinen Rüssel.

      »Durst löschen. Mit Wasser. Was für ein Quatsch. Durst löscht man mit Wein, zumindest bei uns.«

      Dafür, dass sich in Bleibiers Kopf ein Karussell drehte, gestaltete sich das Gespräch einigermaßen normal, das musste er zugeben. Vorsichtig tastete er sich einen Schritt weiter: »Bei euch, soso. Wer seid ihr denn, oder, ich sag mal: Was bist du denn?«

      Das Geschöpf plusterte sich auf, spreizte die Flügel und sortierte mit seinem beweglichen Grünschnabel die Pelzfedern auf der Brust. Dann schaute es Bleibier listig an.

      »Hm, lass uns mal überlegen. Wir beide, wir sind mitten an der Weinstraße, direkt da hinten fängt der Pfälzerwald an. Jetzt schauen wir genauer hin: Ich habe Flügel, komische Federn, platte Füße und Löffelohren, hinten sitzt ein Puschelschwanz und oben ein kleines Geweih. Na, was glaubst du, was ich wohl sein könnte?«

      Mit einer Mischung aus Resignation und Fatalismus ließ Bleibier sich zurücksinken. Jetzt war eh alles egal, der Wahn hatte ihn gepackt. Er zuckte die Achseln.

      »Tja, ich tät sagen: ganz klar eine Elwetritsch.«

      Sein nächtlicher Besucher wackelte erfreut mit den Ohren.

      »Hui, jetzt aber! Beim Jauch wärst du damit eine Gewinnstufe höher. Und das ohne Joker!«

      In seinem rieslinggedämpften Zustand wunderte es Bleibier kein bisschen, dass eine Elwetritsch über Günther Jauch und »Wer wird Millionär« Bescheid wusste. Klar, warum auch nicht. Die bernsteinfarbenen Augen fixierten ihn, wieder spürte er das Kribbeln im Nacken wie auf der Lichtung. Er holte Luft.

      »Sag mal, kann es sein, dass du heute Nachmittag im Wald gewesen bist, irgendwo zwischen den Bäumen?«

      »Blitzmerker. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile.«

      Sein Zeitlupenhirn brauchte etwas Anlauf, bis die nächste Frage kam.

      »Und, äh, warum? Was, äh, machst du jetzt hier? Also, hier bei mir?«

      Der Flügel des Vogelwesens war so beweglich, dass es sich damit am Kopf kratzen konnte.

      »Ja, gute Frage, was mache ich hier? Pass auf, ich verrat’s dir!« Verschwörerisch beugte es sich nach vorne, Bleibier machte die Bewegung unwillkürlich mit.

      »Und zwar: Ich bleibe von heute an bei dir, für eine ziemlich lange Zeit. Ich schaue mir deine Welt an, wie ihr lebt und wie ihr drauf seid. Ich lerne euch kennen, und du, du bist ab jetzt mein Mensch!«

      Die Worte hingen noch in der Luft, da raschelte es, der Besucher war verschwunden. Bleibier hing in seinem Stuhl und glotzte auf die Stelle, an der eben noch ein Vogelding mit Entenfüßen und Geweih gehockt hatte. Ich bleibe von heute an bei dir. Du bist ab jetzt mein Mensch.

      Er konnte ein Kichern nicht zurückhalten. Sonnenklar, er hatte gerade eine astreine Halluzination gehabt, und was für eine. Vielleicht waren ihm heute im Wald ein paar Pilzsporen in die Nase geweht, oder er entwickelte eine Allergie gegen Broodworschtebrot. Egal, die Show war toll gewesen. Entgegen jeder Vernunft entschloss Bleibier sich, eine weitere Flasche Riesling zu entkorken. Auch wenn es nur im Kopf stattgefunden hatte: Ein Zwiegespräch mit einer waschechten Elwetritsch musste auf jeden Fall begossen werden!

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