Rhöner Nebel. Friederike Schmöe

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Rhöner Nebel - Friederike Schmöe

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unter den Reifen. Das Steuerrad umklammernd hielt sie die Spur.

      Der Sportwagen, ein superflaches, schwarzes Modell, röhrte vorbei. Sie erhaschte gerade noch einen Blick auf das höhnische Grinsen des Fahrers.

      »Honk!« Katinka schaltete die Warnblinkanlage an und hielt. »Frau Riedeisen?« Vorsichtig berührte sie ihre Klientin an der Schulter. Die zuckte zurück, hob sogar den Arm, als müsste sie sich verteidigen. »Es ist nichts passiert! Wir sind nicht im Graben gelandet.«

      Anja presste die Hände vors Gesicht. Ihr Schreien war in ein dünnes Wimmern übergegangen.

      Katinka wartete. Diese Frau brauchte ein wenig Zeit. Und sie hatte vor etwas Angst. Jedoch nicht unbedingt vor dem Zusammentreffen mit ihrer ersten Liebe vor 30 Jahren.

      *

      3.

      »Albertus-Magnus-Zentrum«, stand auf einem Hinweisschild, daneben ein größeres mit der Aufschrift: »Zur Fremdsprachenkorrespondentenschule«.

      »Sieh an. Früher hieß es nicht Zentrum«, sagte Anja Ried­eisen lächelnd.

      Katinka bog auf die schmale Zufahrtsstraße. Zwei mehrstöckige neobarocke Gebäude erhoben sich am Waldrand, Sandstein, warm in der hellen Frühlingssonne leuchtend. Frisches Grün hatte sich noch kaum in den Wald verirrt, dafür sorgten die auf einer Wiese vor dem linken Haus geparkten Autos für Farbflecke.

      »Meine Güte! Hier hat sich fast nichts verändert! Das linke Haus war das, wo die unteren Klassen wohnten. Auch die Schwestern und wir als Freiwillige hatten dort unsere Zimmer. Ich frage mich, ob sie wenigstens die gruseligen Badezimmer renoviert haben.«

      »Es sind 30 Jahre vergangen«, warf Katinka ein. »Da muss man schon mal ein Fenster auswechseln. Ich weiß, wovon ich rede.« Sie dachte an die unbezahlten Rechnungen von ihren letzten Renovierungsarbeiten. Alles in allem kam ihr dieser Auftrag entgegen. Leicht verdientes Geld mit einem gewissen Freizeitfaktor.

      »Da haben Sie recht.«

      »Wer wohnte in dem rechten Gebäude?«

      »Die älteren Schüler und ein Ehepaar. Beide waren als Pädagogen tätig.«

      »Soweit ich weiß, waren die meisten Internate in den 80ern nach Geschlechtern getrennt.«

      »Das trifft für die Städte zu, aber hier in der Einöde – da musste man gerechterweise Jungen wie Mädchen eine Chance geben.«

      »Die Schule befand sich nicht hier?«

      »Nein, in Mellrichstadt. Die Schüler besuchten entweder das Gymnasium oder die Realschule. Ein Bus brachte sie jeden Morgen hin, mittags gab es einen Rückfahrtdienst und noch einmal einen gegen 16 Uhr.«

      »Mittlerweile haben die Schwestern die Räumlichkeiten anscheinend weitervermietet. Die Fremdsprachenkorrespondentenschule muss in dem rechten Gebäude sein, oder?«

      »Offenbar, ja. An so etwas wäre früher nie zu denken gewesen. Der Platz wurde für die Schüler benötigt. Wahrscheinlich hat der Unterhalt der Anlage an der Kasse der Nonnen genagt und sie gezwungen, durch Vermietung Geld zu verdienen. Die meisten kamen uns damals schon recht alt vor. Mittlerweile müssen sie Greisinnen sein. Und Nachwuchs gibt es kaum noch.«

      Katinka stellte ihren Italiener neben einem Mustang mit Münchner Nummer ab. »Aus den Schülern sollte richtig was geworden sein, wenn man die schicken Fahrzeuge betrachtet.«

      »Ich sage Ihnen, Internatserziehung war seinerzeit begehrt. Was sollte man hier draußen denn tun, außer brav zu lernen?«

      »Knutschen im Wald?«

      Anja Riedeisen lachte. »Das stand selbstverständlich auch auf dem Programm.«

      »Sollen wir?«

      »Ich muss erst mal durchatmen.«

      Katinka wandte den Kopf. Das Gesicht ihrer Auftraggeberin war blass. Die Unterhaltung hatte sie von ihren Sorgen anscheinend nicht abgelenkt.

      »Was ist los, Frau Riedeisen?«

      »Ist nicht so einfach. Ehrlich.«

      »Sie haben es doch damals ganz gut ausgehalten. Mit 20 hat man meistens mehr Probleme als mit 50. Habe ich mir sagen lassen.«

      Wieder ein leises Lachen. »Sie haben recht. Deswegen wollte ich Sie dabeihaben.«

      »Als Motivationsfaktor?«

      Anja Riedeisen stieg aus. »Sehen Sie den flachen Anbau ganz rechts? Das war die Innenturnhalle. Sportangebote hatte man gute. Es gab sogar ein Außenschwimmbad im Sommer. Ob sie das noch haben?«

      »Wir werden es gleich feststellen.«

      Katinka schritt forsch auf den Platz zwischen den beiden Gebäuden zu. Partyzelte waren aufgestellt. Etliche Besucher in schicker Kleidung standen dort herum, einige mit Sektgläsern in den Händen. Die Unterhaltungen wirkten verhalten, man befand sich in der Aufwärmphase. Katinka bemerkte zwei Nonnen, die sich um die Gäste kümmerten. Wie Butler in zu weiten Kleidern kreisten sie um die Besucher.

      »Anja! Mein Gott, Anja Mähling? Wie ich mich freue!« Eine Schwester löste sich aus der Menge und marschierte auf Anja und Katinka zu.

      »Schwester Romana! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«

      »Anja, das ist so schön, dich zu sehen. Ich darf doch beim Du bleiben?«

      Anja Riedeisen lachte.

      »Das ist Schwester Romana, sie war stellvertretende Direktorin, als ich hier meinen Dienst versah. Eine Freundin, Katinka Palfy.«

      »Und Anja heißt jetzt Riedeisen.« Katinka streckte der Nonne die Hand hin. »Auch von mir die besten Wünsche zum Geburtstag.«

      Die Schwester griff energisch zu und schüttelte Katinkas Hand. Sie war eine von diesen korpulenten, heiteren Frauen, die mit ihrer unermüdlichen Tüchtigkeit nahezu jedes Problem aus der Welt schaffen und jeden Wunsch erfüllen konnten.

      »Freut mich, freut mich. Danke bestens. Namen sind Schall und Rauch, aber mein Gedächtnis funktioniert ansonsten wie geschmiert. Bislang lässt es allenfalls bei Telefonnummern nach.« Sie lachte herzlich. »Ihr hattet eine lange Reise, nehme ich an, also stärkt euch erst einmal! Wir haben Prosecco da sowie alkoholfreie Drinks. Schlagt mir nicht über die Stränge, die eigentliche Party steigt erst heute Abend.«

      »Wir übernachten«, wandte Anja ein. »Einen Prosecco können wir uns genehmigen, oder?«

      »Warum nicht«, nickte Katinka.

      Schwester Romana schlug sich an die Stirn. »Seht ihr, wohin Eigenlob führt. Hatte ich doch glatt vergessen, dass ihr auf der Übernachtungsgästeliste steht. Im Ernst: Ich habe die meisten Sachen wirklich im Kopf. Anders als unsere liebe Gertrudis.« Sie senkte die Stimme. »Sie steht an der Schwelle zur Demenz.«

      »Ach du Schreck.« Anja sah betroffen drein. »Das hätte ich nie gedacht. Sie war immer so eine kontrollierte Person, hatte das Internat perfekt im Griff.«

      Schwester

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