Teufelskatz. Kaspar Panizza

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Teufelskatz - Kaspar Panizza

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schüttelte den Kopf und sagte: »Gut, können Sie morgen im Laufe des Tages zu uns in die Ettstraße kommen? Dann nehmen wir ein Protokoll auf.«

      »Gerne. Übrigens«, dabei rückte er das Spaghetti-Sieb auf seinem Kopf zurecht, »ist es bei der Münchner Polizei üblich, dass die Kommissare zusammen mit schwarzen Katzen, ermitteln?«

      Steinböck blickte irritiert auf Frau Merkel, die er die ganze Zeit auf den Armen getragen hatte. Diese grinste und zog die Mundwinkel nach unten.

      »Touché«, sagte sie, sprang herunter und lief auf die Tür zu. »Ich laufe lieber, es sind ja schließlich vier Etagen.«

      *

      Wenn möglich, versuchte der Junge nachts nicht mehr zur Toilette zu gehen. Aber wenn er es nicht vermeiden konnte, schlich er sich barfuß aus dem Schlafraum, um keinerlei Geräusche zu machen. Meist passierte nichts und er huschte danach vorbei an den schlafenden Kommilitonen zurück in sein Bett. Auch diesmal schien alles gut zu gehen. Bis er die Toiletten-Kabine verließ. Plötzlich erlosch das Licht und jemand rief leise seinen Namen. Er hielt den Atem an und hoffte, dadurch unsichtbar zu werden. Vergeblich. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe leuchtete ihm direkt ins Gesicht. Der Junge kniff die Augen zusammen, doch bevor er etwas erkennen konnte, hatte ihm der Mann die Kapuze übers Gesicht gezogen. Dann schaltete er das Licht an. Nicht, dass der Junge etwas gesehen hätte – es war mehr die Wärme, die er auf seiner Haut zu spüren glaubte und die ihm die Gewissheit gab, dass es wieder passieren würde. Obwohl der Mann jetzt beruhigend in einer fremden Sprache auf ihn einredete, kam Panik in dem Jungen auf. Er kannte den Ablauf. Ein paar Minuten musste er das Ding des Mannes bearbeiten, dann würde dieser das Licht wieder ausschalten, ihn zum Waschbecken führen, das Wasser aufdrehen und ihm die Kapuze herunterziehen. Dabei würde er weiter in der fremden Sprache sprechen und nur einen deutschen Satz einfügen: »Wenn du ein Wort sagst, wird deine Mutter sterben.« Der Mann würde unerkannt die Toilette verlassen, der Junge sich minutenlang die Hände waschen, um dann zurück in sein Bett zu schleichen und sich in den Schlaf zu weinen.

      Doch diesmal war alles anders. Der Mann zog ihm die Schlafanzughose herunter, drehte ihn um und versuchte, in ihn einzudringen.

      Schreiend erwachte er aus dem Schlaf. Zehn Jahre hatte er diesen Traum mehrmals die Woche gehabt, und dann wurde es immer weniger. Er dachte, er wäre darüber hinweg. Weitere 20 Jahre hatte er nicht mehr davon geträumt, bis diese E-Mail kam, und mit ihr war auch der Traum wieder da.

      *

      Montag

      Nachdem Steinböck sich eine Zigarette gedreht hatte, setzte er sich mit einer Tasse Kaffee in den Korbstuhl und stellte fest, dass er Maxi Müllers Marihuanapflanzen unbedingt gießen musste. Nachdem Maxi Müller wegen zweifachen Totschlags zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden war, hatte Steinböck auf ihren Wunsch die Wohnung gewechselt, um sich besser der Pflanzen in ihrem Wintergarten annehmen zu können. Dazu hatte man ihre Möbel in seiner ehemaligen Wohnung abgestellt, und er war dafür mit seinen Sachen bei ihr eingezogen. Dafür hatte er versprochen, sich um ihre Pflanzen zu kümmern.

      Während er seinen Gedanken und Tagträumen nachhing, war die Katze durch die offene Gewächshaustür hereingekommen, sprang auf den wackeligen Korbtisch und platzierte sich vor Steinböcks Kaffeetasse.

      »Verdammt, du sollst nicht immer mit deinen dreckigen Pfoten auf den Tisch springen«, knurrte er und zündete dabei die Selbstgedrehte an.

      »Ich hab es heute Nacht getroffen«, sagte sie, ohne auf Steinböcks Vorwurf einzugehen.

      »Wen hast du getroffen?«

      »Na, es, das fliegende Spaghettimonster.«

      »Aha«, sagte er grinsend und nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette.

      »Ja, es bestand nur aus einem großen Haufen Spaghetti mit Stielaugen, und dazwischen waren kleine Fleischpflanzerl. Ungefähr wie diese ekligen Köttbullar, die du dir bei IKEA immer reinziehst.«

      Steinböck gluckste, verschluckte sich am Rauch der Zigarette und hustete wild.

      »Du nimmst mich wohl nicht ernst, und außerdem solltest du nicht so viel rauchen, wenn du es nicht verträgst.«

      Steinböck versuchte wieder zu Atem zu kommen, griff sein Feuerzeug und warf es nach der Katze, die aber bereits blitzschnell durch die Tür verschwunden war.

      »Gewalt ist auch keine Lösung«, hörte er sie noch rufen.

      Steinböcks anfängliche gute Laune war auf den Nullpunkt gesunken. Für einen kurzen Moment dachte er wieder daran, den Polizeipsychologen aufzusuchen.

      Spaghetti mit kleinen Fleischpflanzerln, das kann nicht aus meinem Hirn kommen, überlegte er, und somit verwarf er den Gedanken, mit dem Psychologen zu sprechen, zum wiederholten Male. Solange es danach aussah, dass die Katze wirklich mit ihm sprach, sah er keine Veranlassung, an seinem Geisteszustand zu zweifeln.

      Pünktlich um 8.30 Uhr verließ er mit seinem alten Käfer, begleitet von einigen Fehlzündungen, den Hof in der Fallmerayerstraße. Er hatte versprochen, seine Kollegin Ilona Hasleitner abzuholen und sie mit ins Kommissariat zu nehmen. Die Katze saß wie immer, wenn sie nicht schlief, vorne auf der Ablage, von wo sie in der Regel ihre Kommentare zu Steinböcks Fahrstil oder dem der anderen Verkehrsteilnehmer zum Besten geben konnte. Diesmal blieb sie still und es hatte auch nicht den Anschein, als ob sie den Verkehr beobachten würde. In der Schellingstraße stieg Ilona Hasleitner zu.

      »Morgen, Chef, morgen, Katze, gut geschlafen?«, sagte sie munter und ließ sich in den Beifahrersitz plumpsen. Hasleitner hatte im letzten halben Jahr deutlich abgenommen, so passte inzwischen auch der Sicherheitsgurt des alten Käfers. Steinböck brummte ein kaum verständliches »Guten Morgen«, und Frau Merkel, die Ilona Hasleitner sonst freudig begrüßte, starrte weiterhin schweigend auf die Straße.

      »Auweia, dicke Luft bei der Familie Steinböck. Soll ich aussteigen und mit der Tram fahren?«

      »Awo, die Katz hat bloß schlecht g’schlafen. Sie hat eine Erscheinung g’habt und jetzt hat sie Bauchweh«, sagte Steinböck feixend.

      »So, eine Erscheinung, und was ist ihr erschienen?«

      »Ein großer Haufen Spaghetti mit kleinen Fleischpflanzerl.«

      »Auweia, und davon hat’s zu viel gefressen?«

      Jetzt lachte Steinböck laut.

      »Kann scho sein, aber ich glaub’s nicht. Der Haufen Nudeln ist nämlich das fliegende Spaghettimonster und die Gottheit der Pastafari.«

      »Du meinst, der Rastafari, Bob Marley und so.«

      »Na, na, Pastafari ist schon richtig. Und da des alles mit einem neuen Fall zu tun hat, wirst du im Büro gleich darüber recherchieren.«

      »Ein neuer Fall?«

      »Ist noch nicht ganz sicher, aber mein Bauch sagt mir, dass es einer wird.«

      Ilona Hasleitner schwieg einen Moment und versuchte, das eben Gehörte zu verdauen. Dann schweifte ihr Blick von der Katze zum Kommissar. Der »Chef«, wie sie Steinböck am liebsten nannte, hatte sie vor einem halben Jahr während ihrer Ausbildung zum Streifendienst zur Kripo geholt. Inzwischen hatte sie ihre Prüfung abgelegt und wollte Ermittlerin werden. Steinböck war gemütlich, aber auch genial. Doch sein seltsames Verhältnis

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