Teufelskatz. Kaspar Panizza

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Teufelskatz - Kaspar Panizza

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Der Anlass für die Gründung dieser Religion war die öffentliche Diskussion um die Unterrichtung von ›Intelligent Design‹ an US-amerikanischen Schulen.«

      »Geht’s a bisserl einfacher?«

      »Also gut, ich versuch des Ganze mal zusammenzufassen. Bei den Amis ist das Unterrichten von religiösen Inhalten an Schulen nicht erlaubt. Nun gibt’s da diese Kreationisten. Die findet man vor allem unter den Republikanern. Sie sind Vertreter der Schöpfungsgeschichte, wie sie in der Bibel steht.«

      »Ah, davon hab ich schon gehört. Die sagen, dass die Erde vor ein paar Tausend Jahren, so wie’s im Alten Testament steht, erschaffen worden ist und vorher war nix«, warf Hasleitner ein.

      »So ungefähr. Jetzt wird an den amerikanischen Schulen im Biologieunterricht, wie auch bei uns, die Evolutionstheorie nach Darwin gelehrt …«

      »Mensch, Emil, komm zur Sache«, brummte Steinböck ungeduldig.

      »Also kurz, die Kreationisten klagen seit Jahren vergeblich vor amerikanischen Gerichten, dass die Schöpfungsgeschichte als Wissenschaft anerkannt wird und somit auch in den Schulen gelehrt werden darf. So, dem Henderson ist des auf den Sack gegangen und er hat einen offenen Brief an die Schulbehörde von Kansas geschrieben und darin verlangt, dass sein Glaube an das fliegende Spaghettimonster dann ebenfalls als gleichberechtigte Lehre anerkannt wird. Tja, und dieser Brief verbreitete sich dann im Netz mit so einer Geschwindigkeit, dass es nach Angaben der Ersten Vereinigten Kirche des fliegenden Spaghettimonsters in Deutschland weltweit inzwischen mehr als 10 Millionen Anhänger bei steigender Tendenz gibt«, sagte Mayer junior und freute sich offensichtlich diebisch.

      »Und was ist jetzt daran so lustig?«, fragte Ilona verwirrt.

      »Mei, Ilona, dazu müsstest du mal a bisserl im Internet nachlesen. Aber für dich, Chef, hab ich da was Schönes.« Er überflog ein Blatt murmelte vor sich hin und las dann laut vor: »Nach dem Tod stehen den Gläubigen im ›Himmel‹ unter anderem ein Biervulkan und eine Stripper- und Stripperinnen-Fabrik zur Verfügung. Im Buch ›Das Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters‹ werden unter anderem analog den zehn Geboten des Christentums die acht ›Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht …‹ beschrieben, die vom Spaghettimonster gepredigt werden. Diese sprechen sich unter anderem gegen Diskriminierung, Vorurteile, religiöse Dogmen, Nötigung und Frauenfeindlichkeit aus. Zum Beispiel das sechste Gebot: ›Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht Multimillionendollar-Kirchen, Moscheen, Tempel, Schreine für Meine Nudlige Güte erbauen. Das Geld kann man nun wirklich sinnvoller anlegen. Sucht euch etwas aus: Zum Beispiel, Armut zu beenden, Krankheiten zu heilen, in Frieden zu leben, mit Leidenschaft zu lieben und die Kosten von Kabelfernsehen zu senken. Mag ja sein, dass ich ein komplexes, allwissendes Kohlenwasserstoffwesen bin, aber ich mag die einfachen Dinge im Leben. Ich muss es wissen, ich bin der Schöpfer.‹«

      »Ich glaub, da muss ich heut Abend a bisserl googeln«, sagte Steinböck wobei er sich mit dem Finger durch seinen Dreitagebart strich und dabei die Katze musterte. »Sag mal, Emil, gibt’s irgendwo eine Beschreibung, wie des Spaghettimonster aussieht?«

      »Hier steht, wie eine große Portion Spaghetti mit Fleischbällchen und Stielaugen.«

      »Mit Fleischbällchen?«, murmelte Steinböck.

      »Na ja, bei uns sagt man kleine Fleischpflanzerl.«

      Steinböck versuchte das triumphale, hämische Grinsen der Katze zu ignorieren, und nahm sich erneut vor, nächste Woche den Polizeipsychologen aufzusuchen.

      *

      Der Mann kam aus der Gemeinschaftstoilette und blickte vorsichtig nach beiden Seiten. Zwischen den Zimmertüren zu den Schlafräumen reihten sich die Kleiderschränke der Internatsschüler, glücklicherweise übersah er den Jungen, der sich tief in den Schatten zwischen Schrank und Tür kauerte. Eigentlich suchte der Junge nach seinem Bettnachbarn, doch der vermummte Mann ängstigte ihn. Das Mondlicht war so hell, dass der Mann den ganzen Gang übersehen konnte. Noch einmal ließ er seinen Blick herumschweifen dann zog er sich die Kapuze vom Kopf und steckte sie in die Hosentasche. Er stellte dabei fest, dass sein Hosenstall noch offen war. Zufrieden lächelte er, als er den Reißverschluss mit einem kurzen Ruck zuzog. Dann fiel das Mondlicht auf sein Gesicht. Der Junge drückte sich noch tiefer in die Ecke und wagte kaum zu atmen. Der Mann verschwand eilig den Gang hinunter.

      Warum schleicht einer der Erwachsenen nachts mit einer Maske vor dem Gesicht durchs Haus?, überlegte er. Der Junge wusste nicht, wie lange er reglos in der Ecke gekauert hatte, als sich die Klinke der Toilettentür bewegte und er den Freund schluchzend auf allen vieren hinter der Tür hervorkriechen sah. Er nannte ihn immer seinen kleinen Bruder. Er hatte sich stets einen Bruder gewünscht. Vorsichtig bückte er sich zu ihm hinunter und flüsterte wiederholt seinen Namen. Er sah in dessen verzerrtes Gesicht.

      »Es tut so weh!«, wimmerte er.

      Der Junge brachte den Freund zurück zu seinem Bett, verstört blickte er auf dessen blutigen Pyjama.

      »Was ist passiert?«

      »Es tut so weh!«

      »Ich werde Pater Keller holen.«

      »Nein, du darfst niemanden holen«, sagte er mit gepresstem Ton, um keinen der anderen zu wecken. Dabei krallte er die Finger in den Arm des älteren Jungen.

      Dieser drückte den Kopf des Gequälten an seine Brust, um ihn zu beruhigen.

      »Ich weiß nicht, was war, aber morgen geh ich zu Pater Keller.«

      *

      Der ältere Junge hatte sich, wie so oft, auf dem Turm versteckt. Die offene Architektur der beiden 70 Meter hohen Zwillingstürme aus Beton, die mit einer schmalen Haube aus Edelstahl endeten, erlaubte nahezu einen Rundum-Blick über die Stadt. Es war eine moderne Kirche, deren Kuppel bis zum Boden reichte. Wie eine halbe Tomate hatte sein Vater damals gesagt, als er ihn hierhergebracht hatte. Er hasste das Internat. Aber er hatte keine andere Wahl. Seine Mutter war tot, und sein Vater, ein bekannter Tierfilmer, immer auf Reisen. Außer für seinen Zimmerkameraden interessierte er sich für niemanden. Er tat ihm leid. Die anderen mobbten ihn, und so hatte er die Rolle des großen Bruders für ihn übernommen. Doch was gestern geschehen war, übertraf alles. Bereits am frühen Morgen hatte er sich auf Pater Kellers Zimmer geschlichen und ihm erzählt, was am vorherigen Abend vorgefallen war. Dieser schien die Geschichte sehr ernst zu nehmen. Er versprach ihm, sich darum zu kümmern.

      »Du hast doch immer noch dein Versteck auf dem Turm. Warte dort auf mich. Ich werde dich holen, sobald die Sache geklärt ist.«

      Der ältere Junge holte sich eine weitere Zigarette aus der verbeulten Schachtel, die er unter dem Treppenabsatz versteckt hatte. Woher wusste Pater Keller, dass er sich immer wieder auf den Turm zurückzog? Vermutlich ahnte er auch, dass er rauchte. Ganz oben an den Kirchturmspitzen nistete ein Falkenpärchen. Er hatte noch nicht herausgefunden, in welchem der beiden Türme sie ihr Nest hatten. Er beobachtete ein paar Tauben, die sich nur wenige Meter von ihm entfernt niederließen. Im Turm waren sie sicher, aber in der Luft mussten sie sich ständig vor den Falken in Acht nehmen. Er blickte nach oben, in das sich stetig verjüngende, offene Treppenhaus. Es fiel ihm schwer, mit seinen zitternden Händen die Zigarette anzuzünden. Er musste an seinen »kleinen Bruder« denken, als sie ihn heute Morgen in die Krankenstation brachten. Unbemerkt hatte er während der Nacht seinen Pyjama gewechselt. Er hatte sich geweigert, über die Vorkommnisse auf der Toilette zu sprechen, und der ältere Junge hatte beschlossen, ihm nicht zu sagen, wer hinter der Maske steckte. Trotz des schrecklichen Erlebnisses wollte er unbedingt zur Schule gehen.

      Plötzlich

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