Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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verzichtete jedoch darauf, als ihm klar wurde, dass er damit ein nicht abzuschätzendes Risiko einging. Im dichten Ufergebüsch versteckt, würde ihn der Mann, so er sich näherte, wie einen Hasen abschießen und sich dann, ein Stück weiter flussaufwärts, seelenruhig zurück in den Wald schlagen.

      Absurd. Es ist alles völlig absurd.

      Schlagartig wurde Falk das Unwirkliche der Situation bewusst. Ein dem Kerker entsprungener Waldensermeister, der sich das Gesicht mit Ruß schwärzte, angeblich eine Frau vergewaltigt hatte und über eine äußerst seltene, aber überaus tödliche Waffe verfügte, wollte ihm, Falk von Falkenstein – beauftragt, den Mord an einer Frau aufzuklären und gegenwärtig vom Regen durchnässt vor einer einsamen Hütte stehend, in welcher der Leichnam eines ermordeten Bienenzüchters lag – ans Leder.

      Es war zum Totlachen. Oder zum Verzweifeln. Je nachdem, wie man die Sache betrachtete.

      »Der Stadtrichter schickt uns, die Leiche zu holen, Herr. Außerdem sollen wir Euch ausrichten, dass ein Schreiben Euer harrt. Ein Bote aus Melk überbrachte es«, unterbrach einer der Knechte, die inzwischen herangekommen waren, das Grübeln Falks.

      »So?« Er runzelte die Brauen. Das wurde ja immer besser. Ein an ihn gerichtetes Schreiben aus Melk. Ein schneller Reiter benötigte für die Strecke Melk – Steyr etwa einen Tag. Was gab es Wichtiges, das man ihm mitzuteilen hatte? So wichtig, dass der Bote offenbar die Nacht hindurch geritten war und schon in aller Herrgottsfrühe an die Pforte des stadtrichterlichen Hauses geklopft hatte, um das Schreiben loszuwerden? Vor wenigen Tagen erst war er von seiner Reise nach Melk zurückgekehrt, die er unternommen hatte, um dem dortigen Prior Bodo von Schachnitz einen Besuch abzustatten. Allerdings hatte dieser ihn nicht empfangen können, da er schwer krank darniederlag. Hing das Schreiben damit zusammen? Falks Erinnerungen wanderten viele Jahre zurück. Einen großen Teil seines Lebens hatte er in der Umgebung des Stiftes zu Melk zugebracht; Jahre, die ihn geprägt und sein Schicksal mitbestimmt hatten, bevor er vor drei Jahren Christine kennengelernt und mit ihr nach Salerno gezogen war.

      Achselzuckend machte sich Falk auf den Weg zu seinem Rappen.

      In einigen Stunden würde er mehr wissen.

      Kapitel 13

      Schon seit Stunden bewegte sich der Tross, dem acht Berittene und ein schwerer, von zwei Pferden gezogener Reisewagen angehörten, in Richtung Steyr. Früh am Morgen, noch im Dunkeln, hatte er die Herberge verlassen und war trotz der schlammigen Straße gut vorangekommen. Man hatte bereits die Ortschaft Wolfern passiert, als sich zum eintönigen Rumpeln der Räder mit einem Mal ein verdächtiges Ächzen gesellte – offenbar schickte sich die gepeinigte Vorderachse an, ihren Geist aufzugeben.

      Der Befehlshaber der Berittenen – er führte den Zug an und war ein Stück weit vorausgeritten – brachte sein Pferd zum Stehen und wartete, bis das Gefährt auf gleicher Höhe mit ihm war.

      »Verdammt, Anton, glaubst du, die Achse wird halten? Seit einer halben Stunde ächzt und stöhnt sie wie meine Alte beim Kinderkriegen«, wandte er sich mit verhaltener Stimme an einen der beiden Männer auf dem Kutschbock. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben, schließlich war er für die Sicherheit des einzigen Fahrgastes, den der Wagen mit sich führte, persönlich verantwortlich.

      Anton zuckte die Schultern. »Wer weiß das schon. Hoffen wir’s. Bert behauptet, er sei mit einer solchen Achse schon mal ’nen ganzen Tag lang gefahren. Als sie brach, war er fast am Ziel, nich wahr, Bert?«, sagte Anton und stieß den neben ihm sitzenden Kutschgefährten in die Seite.

      »Ja, aber da war die Straße nicht so beschissen schlammig gewesen. Kostet die Achse ganz schön Kraft, wenn der Boden so durchgeweicht is’.«

      Offenbar schien die Achse Berts Worte augenblicklich bestätigen zu wollen, denn gleich darauf bereitete ein dumpf-berstendes Geräusch dem Ächzen ein jähes Ende. Die beiden Vorderräder knickten zur Seite weg, was das klobige Fahrzeug abrupt zum Halten brachte und nach vorne neigen ließ. Die Pferde, durch den plötzlichen Ruck irritiert, wieherten laut und stampften mit den Hufen.

      »Zum Teufel, da haben wir die Bescherung!«, fluchte Anton und sprang vom Kutschbock.

      »Mist, als ob die verdammte Achse es gehört hätte«, schimpfte auch Bert und sprang hinterher.

      Fast gleichzeitig wurde ein Vorhang an einem der beiden Fenster des Wagenkastens zur Seite geschoben und das strenge Gesicht eines Mönchs erschien.

      »Was gibt es? Könnt Ihr denn nicht acht geben?«, fragte er ungehalten.

      »Verzeiht, hochehrwürdiger Herr, aber es ist die Achse. Sie ist gebrochen. Dafür können die Männer nichts«, antwortete der Anführer der Berittenen.

      Das tonsierte Haupt verschwand hinter dem Vorhang, gleich darauf öffnete sich auf der Rückseite des Wagens die Einstiegsklappe. Offenbar beabsichtigte der Mönch auszusteigen. Das aber war in diesem Fall nicht so einfach; der Bruch der Achse hatte das Gefährt in eine Schieflage gebracht, sodass der Aufsatz, der zum Ein- und Aussteigen diente, sich deutlich höher über dem Boden befand als gewöhnlich.

      »Helft mir herunter, Hauptmann!«, forderte der Mönch deshalb mit einer Stimme, der man anhörte, dass sie das Befehlen gewohnt war.

      Der Anführer sprang aus dem Sattel. »Bitte, ehrwürdiger Vater«, sagte er und trat mit ausgestreckter Hand an den Wagen heran.

      Der Mönch raffte seine Gewandung zusammen, ergriff die Hand des Hauptmanns und sprang heraus. Schlamm spritzte unter seinen Stiefeln und beschmutzte sowohl den schwarzen Reiseumhang als auch die weiße Kutte, die sich darunter verbarg.

      »Was gedenkt Ihr nun zu tun, Grasser?«, fragte er; der Ärger von vorhin schien verflogen.

      Hans Grasser, Hauptmann einer bewaffneten Abteilung, die dem Bischof von Passau zu Diensten stand, sah zu der Anhöhe links des Weges hinauf. Dort duckten sich die Gebäude eines Bauernhofs unter die tiefhängende Wolkendecke; dunkle, massige Silhouetten, deren Konturen sich im verwaschenen Grau des Morgens auflösten.

      »Ich denke, da oben gibt es einen Hof, wo Ihr vorübergehend Quartier einfordern könntet, hochehrwürdiger Herr. So lange, bis wir das Malheur behoben haben. Die Leute dort werden uns bestimmt dabei helfen«, schlug der Hauptmann vor und deutete mit der Hand zum Hügel hinauf.

      Petrus Zwicker, Cölestinerpater und vom Bischof zu Passau bestellter Inquisitor der ketzerischen Verderbtheit, ausgezogen, um der allein wahren Kirche und dem rechten Glauben zum Sieg gegen die Häresie zu verhelfen, blickte kurz zur Anhöhe hinauf.

      »Nun denn, reiten wir«, stimmte er zu und stülpte sich die Kapuze seines Reisemantels über den Kopf. »Welches Pferd werde ich nehmen?«

      »Natürlich das meine, hochehrwürdiger Herr. Ihr seid es schon gewohnt. Ich schlage vor, dass ich und einer meiner Leute Euch begleiten. Die anderen bleiben vorerst hier beim Wagen.«

      Jos, der Knecht, war gerade damit beschäftigt, eine Ladung frischen Mist zum Dunghaufen hinüberzukarren, als er die Anhöhe hinunterblickte und drei Reiter den Weg zum Seimerhof hinauftraben sah. Verdutzt hielt er inne. Besucher, so früh am Morgen? Und bei diesem Wetter? Trotz seines Alters verfügte Jos noch immer über ein bemerkenswert scharfes Augenpaar, und da das Licht des Tages sich inzwischen immer mehr gegen den dämmrigen Morgen behauptete, erkannte er schnell, wer sich von da unten näherte. Einer davon war eindeutig ein Mönch, die anderen beiden – konnte es sein? – bewaffnete Reiter.

      Jos erbleichte, sein Blick

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