Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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nicht ausbleiben, Herr Stadtrichter. Das ist gut für Euch und gut für mich. Und mit dem Segen Wernher von Ternbergs lebt es sich in Steyr leichter als ohne ihn, meint Ihr nicht auch?«, entgegnete Falk und versuchte sich an einem gewinnenden Lächeln.

      Der Stadtrichter sah ihn überrascht an. Ein verlegenes Räuspern war jedoch das Einzige, was er hervorbrachte. Mit sichtlicher Hast und ohne auch nur mit einem Wort auf Falks Friedensangebot einzugehen, setzte er sich mit seinen Bütteln in Bewegung.

      Falk wartete, bis die Männer beim Gatter angelangt waren, dann betrat er erneut die Kate. In einer Ritze der Bretterwand steckte noch eine brennende Fackel. Er ergriff sie und leuchtete nochmals jeden Winkel der Hütte aus. Den toten Zeitler, der nach wie vor auf dem Boden lag, ignorierte er.

      Da waren das Bett und der Strohsack.

      Da war das Regal an der Wand mit diversen Töpfen und Gefäßen.

      Und da waren der Rauchfang und die Herdstelle.

      Die Herdstelle! Obwohl sie den ummauerten Feuerplatz bereits einer eingehenden Prüfung unterzogen hatten, hielt Falk noch einmal die Fackel in die Öffnung und spähte hinein. Asche bedeckte etwa zwei Fingerbreit hoch den Boden, der aus Ziegeln bestand, die sorgfältig in den lehmigen Grund eingelassen waren. Einer Eingebung folgend, beugte er sich hinunter, griff mit der Rechten an verschiedenen Stellen in den mehligen, grauen Staub und ließ ihn langsam durch die Finger rieseln. Überrascht registrierte er, dass er noch leicht warm war. Plötzlich aber ertasteten seine Finger etwas, das sich dünn und biegsam anfühlte. Er zog es aus der Asche – und hielt gleich darauf einen Pergamentfetzen in den Fingern; Über­bleibsel eines Schreibens, das offenbar hier im Herd verbrannt worden war. Es maß etwa vier Fingerbreit im Quadrat und war stark angekohlt. Dennoch gelang es Falk, zumindest einige wenige Wortfragmente zu entziffern. ›… Verd … Oss … Heimi …‹, las er im Licht der Fackel. Der Rest des Satzes verlor sich in dem breiten, schwarz verkohlten Rand, der unter seinen Fingern bereits zu zerbröseln begann. Was ihn verwunderte, war die Beschaffenheit des Pergaments; handelte es sich doch zweifelsfrei um den besten Beschreibstoff, den man für teures Geld bekommen konnte – um reinstes Vellum.

      Vorsichtig steckte er das Fragment in seine Gürteltasche, beugte sich abermals hinunter und fuhr, die Finger wie einen Rechen benutzend, durch die Asche, in der Hoffnung, weiteres zutage zu fördern. Doch außer ein paar verkohlten Ast­stückchen und ein paar Tonscherben, die er sorgfältig auf die Mauer legte, fand er nichts.

      Falk warf die Fackel in die Asche, wo sie bald erlöschen würde, und setzte sich grübelnd auf die Herdmauer.

      Gundel Schreyer war nicht nur im Besitz eines für Klara von Ternberg kompromittierenden Briefes gewesen; durch seine Hände musste ein weiteres Schreiben gegangen sein, das, aus welchen Gründen auch immer, in seinem Herd verbrannt worden war. Wie war er in den Besitz der Dokumente gelangt? Gab es etwas, das ihn mit Lamprecht Bürgel verbunden hatte? Vielleicht würde ein Besuch bei dessen Witwe weiteren Aufschluss geben. Falk beschloss, sie so bald wie möglich aufzusuchen.

      Nachdenklich musterte er den Leichnam Schreyers, der steif und starr auf dem Fußboden ruhte. Bald würde ein Fuhrwerk kommen und den toten Zeitler zum Friedhof karren – wie viele seiner Geheimnisse würde er wohl mit ins Grab nehmen?

      Falk erhob sich und trat ans Fenster. Es wurde immer heller. Irgendwo stoben aufgeregt krächzend zwei Krähen empor, Zeichen dafür, dass der Tag nun vollends erwacht war. Ob Christine wohl schon …

      … ssst – ein Geräusch, drüben beim Schuppen …

      … der flüchtige Anblick einer schwarzen Fratze …

      … und ein leises Sirren.

      Verbunden mit einem kalten Hauch, schwirrte etwas an Falks Ohr vorbei.

      Ein Fluch entfuhr seinen Lippen. Einem ausgeprägten Instinkt folgend, duckte er sich blitzschnell unter das Fenster, riss den Dolch aus dem Gürtel und schnellte mit zwei mächtigen Sätzen zum Eingang, wo er mit angehaltenem Atem neben der halb geöffneten Tür verharrte.

      Das »Rußgesicht«!

      Kein Zweifel – er hatte das »Rußgesicht« gesehen!

      Was zum Kuckuck hatte der Mann hier zu suchen?

      Und warum zum Henker hatte er auf ihn geschossen?

      Falks Augen tasteten suchend das Hütteninnere ab – und hefteten sich auf einen kleinen, länglichen Gegenstand fast unmittelbar zu seinen Füßen: ein winziger, gefiederter Bolzen. Er war irgendwo abgeprallt und quer durch die Hütte bis fast vor die Tür geschleudert worden.

      Falk hob das Geschoss auf und betrachtete es. Es musste von einem sogenannten Kleinschnepper abgeschossen worden sein; einer etwas mehr als faustgroßen Armbrust, auch Balestrino genannt, die in den Händen eines geübten Schützen eine heimtückische, überaus gefährliche Waffe darstellte.

      Falk sah auf. Sein Blick bohrte sich durch die groben Ritzen der Tür. Komm nur, du hinterhältiger Schuft, ich –

      Ein nicht näher bestimmbares Geräusch verhinderte, dass er den Gedanken zu Ende dachte. Gleich darauf flog ein Gegenstand durchs Fenster, schlug auf dem Lehmfußboden auf – und verwandelte sich augenblicklich in eine sich rasch ausbreitende dunkle Wolke winziger stechender Biester, die, zu Hunderten herumstiebend, die Kate mit drohendem Summen erfüllten.

      »Du Bastard!«, entfuhr es Falk. Offensichtlich hatte das Rußgesicht einen der Bienenkörbe hereingeschleudert, um ihn so zu zwingen, die Kate zu verlassen.

      Falk versuchte, sich des wütenden Flugviehs zu erwehren, und wechselte rasch auf die andere Seite des Eingangs. Ihm blieb nur noch die Flucht nach vorn. Doch dazu bedurfte es einer geeigneten Deckung. Angestrengt spähte er durch die halb geöffnete Tür ins Freie – und erblickte die Regentonne, etwa fünfzehn Schritte vom Eingang entfernt. Wenige Sprünge mussten genügen, um dorthin zu gelangen. Er rannte los und hörte, wie ein weiterer Bolzen an seinem Gesicht vorüberzischte und raschelnd im Gebüsch einschlug. Der Schuss war aus Richtung des Schuppens gekommen, über eine Distanz von mindestens dreißig Fuß, was bedeutete, dass das »Rußgesicht« ein verdammt guter Schütze sein musste. Doch noch bevor der Mann einen neuen Bolzen auflegen konnte, hatte Falk die rettende Tonne erreicht und sich dahinter niedergeworfen. Darum bemüht, seinen fliegenden Atem unter Kontrolle zu bekommen, guckte er vorsichtig hinter dem Fass hervor und musterte das vor ihm liegende Gelände.

      Er wog den Dolch in seiner Hand. Der Platz hinter der Tonne war gut gewählt. Wollte der schwarze Teufel ihn weiter attackieren, würde er sein Versteck beim Schuppen verlassen und herankommen müssen. Ungeschützt und bar jeder Deckungsmöglichkeit, würde er ein gutes Ziel für einen wohlgesetzten Dolchwurf abgeben. Was das sichere Schleudern der Waffe anging, machte Falk so schnell niemand etwas vor.

      Dann aber geschah etwas, was ihn maßlos verblüffte. Hinter einem beim Schuppen aufgeschichteten Holzstoß schoss plötzlich ein dunkler Schatten hervor und rannte mit weit ausholenden Sprüngen in Richtung Fluss!

      Das »Rußgesicht«. Er gab Fersengeld.

      Noch fragte sich Falk, was den Schurken zur plötzlichen Aufgabe seines rätselhaften Vorhabens bewegt haben mochte, als er entferntes Gemurmel hörte. Er fuhr herum – und nahm aufatmend zur Kenntnis, wie mehrere Männer am Rand des Anwesens entlangritten. Gleich darauf bemerkte er einen zweirädrigen Karren, der von einem kräftigen Gaul gezogen wurde. Die Knechte des Stadtrichters waren gekommen, um den Leichnam Gundel Schreyers zu bergen. Offenbar hatte das Rußgesicht die Männer kommen sehen und daraufhin beschlossen,

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