Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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inspizierte er vor allem den Platz um die halb zertrümmerte Tür und schob sie, so gut es ging, zu. Dann aber, als sein Blick am Boden entlangglitt, ging er plötzlich in die Hocke – und schob mühelos die flache Hand in den Spalt, der zwischen der unteren Kante der Tür und dem Fußboden klaffte.

      »Wie ich mir das erkläre? Ganz einfach: Der Täter griff sich den Schlüssel, verschloss damit die Tür von außen und schob ihn einfach durch diesen Spalt wieder nach innen«, entgegnete er lakonisch und erhob sich. »Ihr könnt ihn jetzt herunternehmen lassen«, fügte er hinzu und deutete auf den Leichnam.

      Von Panhalm maß ihn mit einem Blick, als wollte er ihm jeden Augenblick an die Gurgel fahren. Dann drehte er sich ruckartig um. »Siegbert, Bodo, Heinrich, ihr habt es gehört. Also macht voran!«, fuhr er seine Büttel wütend an.

      Mit säuerlichem Gesicht schnitten die Knechte den Leichnam vom Balken und legten ihn auf den festgestampften Lehmfußboden. Der Tote war steif wie ein Brett.

      »Lange kann der Mann noch nicht dort hängen. Höchstens vier bis acht Stunden. Noch hält die Leichenstarre vor«, sagte der Stadtrichter. Wenigstens das hast du bemerkt, ging es Falk durch den Kopf.

      Als sie gleich darauf neben der Leiche in die Hocke gingen, fanden sich weitere Zeichen, die nahelegten, dass Gundel Schreyer sich nicht selbst umgebracht haben konnte.

      Falk deutete auf die Unterarme. »Seht Ihr diese blutunterlaufenen Striemen hier an den Handgelenken?«

      »Natürlich, ich bin ja nicht blind. Sieht aus, als wäre der Mann gefesselt gewesen«, brummte der Stadtrichter finster. Offensichtlich ärgerte er sich noch immer über die Blöße, die er sich gegeben hatte.

      Mit ein paar Handgriffen lockerte Falk den Strick, der fest um den Hals des Toten geschlungen war, und schob ihn ein wenig nach unten.

      »Ah, das ist interessant. Seht Euch das an.«

      Der verhältnismäßig dicke Strick hatte ein um den gesamten Hals verlau­fendes, bläulich verfärbtes ringförmiges Mal hinterlassen. Doch es gab noch ein anderes Muster, das sich auf grausame Weise in die Haut geprägt hatte. Bedeutend schmaler, als der dicke Strick es vermochte, und so tief, dass rundum Blut ausgetreten war.

      Diesmal kam dem Stadtrichter die Erleuchtung etwas schneller.

      »Der Mann dürfte schon tot gewesen sein, als ihn der Täter an dem Balken aufknüpfte. Er hat ihn vorher mit einer Schnur erdrosselt, die ihm regelrecht ins Fleisch schnitt«, schlussfolgerte er.

      Falk nickte. »Ja. Dafür, dass das Opfer qualvoll erstickte, sprechen auch die intensiv bläuliche Gesichtsfarbe und die hervorquellende Zunge. Wie Ihr seht, haben wir es bei dem Mörder mit einem sehr einfältigen Menschen zu tun.«

      »Einfältig?«

      »Ja. Er will uns glauben machen, dass der Zeitler selbst Hand an sich legte, und hat versucht, uns auf eine falsche Fährte zu locken. Allerdings ging er dabei äußerst stümperhaft zu Werk. Er muss schon sehr einfältig sein, wenn er glaubt, dass wir darauf hereinfallen.«

      »So gesehen, habt Ihr recht«, bekräftigte der Stadtrichter geschmeichelt. »Einen scharfen Verstand kann er nicht gerade sein Eigen nennen.«

      Das sagt der Richtige, spottete Falk in Gedanken.

      »Was sollen wir nun tun, was schlagt Ihr vor?«, fragte er.

      »Wir werden das Unterste zuoberst kehren«, sagte der Stadtrichter bestimmt und richtete sich ebenfalls auf. »Wo sich das Eine fand, findet sich vielleicht auch Weiteres. Ich würde gerne das Versteck inspizieren, das Eure Gattin entdeckt hat.«

      Falk ging zur Feuerstelle hinüber. Christine hatte ihm die Stelle in der Herdmauer, die dem Fenster gegenüberlag, genau beschrieben; er musste keine große Mühe aufwenden, um den Ziegel zu entdecken, der die Höhlung verschloss, und zog ihn heraus.

      »Hier. Bedient Euch.«

      Der Stadtrichter ging in die Hocke, griff vorsichtig in die Öffnung und tastete ausgiebig darin herum.

      »Nichts«, verkündete er nach einer Weile enttäuscht und stand auf.

      Natürlich nicht, dachte Falk und unterdrückte die abfällige Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag.

      Auch die darauffolgende Untersuchung der Kate und des danebengelegenen Schuppens förderte nichts zutage, was irgendwie von Bedeutung gewesen wäre. Dennoch beschloss Falk, so bald wie möglich zurückzukehren, um eine erneute Inaugenscheinnahme vorzunehmen, jedoch allein und unbeobachtet.

      »Ich denke, das war’s. Ich würde vorschlagen, wir reiten nach Hause. Ich habe noch einiges zu tun«, trat der Stadtrichter an ihn heran.

      »Aber natürlich. Was geschieht mit der Leiche?«

      »Die wird selbstverständlich noch heute geborgen werden. Allerdings …«, der Stadtrichter kratzte sich am Kopf, »normalerweise müsste ich den Leichnam bewachen lassen. Aber ich kann heute keinen meiner Büttel entbehren; ich benötige sie für die Suche nach dem entflohenen Waldenserschwein. Der Mann ist erst gestern wieder gesehen worden. Er hat Marthe Kranich, eine junge Frau, eine Kräutersammlerin, die in den Wäldern lebt, vergewaltigt.«

      »Ein Waldenser, der Frauen vergewaltigt?«, fragte Falk ungläubig.

      Von Panhalm schnaubte grimmig. »Ja. Es handelt sich noch dazu um einen ihrer Meister. Wir nennen ihn das ›Rußgesicht‹, weil er sein Gesicht mit Ruß färbt. Er muss mit dem Teufel im Bund stehen. Kaum dass er auftaucht, ist er im gleichen Augenblick auch schon wieder verschwunden. Da sieht man mal, wie sie wirklich sind, diese verdammten Ketzer. Tun so, als seien sie die Reinheit in Person, und dann so was. Aber ich werde ihn schon kriegen und dann gnade ihm Gott.«

      Ein kantiger Zug legte sich um Falks Mundwinkel. Waldenser. Schon vor vielen Jahren hatte er sich mit den Lehren und der Weltsicht dieser eigenartigen, im Geheimen wirkenden Bruderschaft, die in vielen Gegenden des Reiches anzutreffen war, auseinandergesetzt. Obwohl als »secta Waldensium« von der Inquisition erbarmungslos verfolgt und gejagt, gelang es ihr seit über zweihundert Jahren, sich nicht nur zu behaupten, sondern ihre Anhängerschaft zu mehren. Ihre Angehörigen verwarfen die Stellung des Papstes, prangerten den ausschweifenden Lebensstil der Geistlichen an, lehnten die meisten der Sakramente ab und zogen gegen die Ver­ehrung von Bildern, die Anrufung der Heiligen, das Fegefeuer und den Ablass zu Felde. Sie wären die Einzigen, die sich streng an die Lehren der Heiligen Schrift hielten, und somit seien sie die einzig wahre Kirche Jesu Christi – behaupteten sie. Wen wunderte es da, dass man die »Armen Christi«, wie sich die Waldenser selbst nannten, der Ketzerei sowie der ungeheuerlichsten Verbrechen und der Verübung scheußlichster Praktiken beschul­digte, was allerdings, wie Falk sehr wohl wusste, auf erbärmliche Weise an den Haaren herbeigezogen und größtenteils erstunken und erlogen war.

      Ein Waldenserprediger, der eine Frau vergewaltigt hatte – war auch das nur eine böswillige Behauptung?

      Plötzlich schoss ein Gedanke in Falk hoch, der seine Grübeleien sogleich wieder verdrängte.

      »Wenn Ihr damit einverstanden seid, bleibe ich so lange hier, bis die Fuhrknechte kommen, um die Leiche abzuholen«, schlug er dem Stadtrichter vor.

      »Das würdet Ihr tun? Da wäre ich Euch aber sehr verbunden.« Die verbissene Miene von Panhalms entspannte sich etwas; Falk glaubte, für die Dauer eines Wimpernschlags sogar eine Spur von Freundlichkeit darin entdeckt

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