Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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Hilfe, Peter Seimer. Unser Wagen hat einen Achsbruch erlitten und blockiert den Weg. Der Rest meiner Eskorte befindet sich bei ihm, um ihn zu bewachen. Wir benötigen Werkzeug und paar geschickte Hände, um das Malheur zu richten. Das wird sicherlich einige Stunden in Anspruch nehmen. Bis dies geschehen ist, bitte ich angesichts des scheußlichen Wetters um Eure Gastfreundschaft. Vielleicht gibt es ja eine Kammer, in der ich die erzwungene Pause ein wenig zum Ausruhen nutzen kann; ich bin sehr müde«, ließ sich der Inquisitor mit tiefer, wohlklingender Stimme vernehmen.

      Nur ein Achsbruch! Und er ist müde! Gott im Himmel, ich danke dir …

      Peter merkte, wie sich die aufgestaute Angst durch ein zwanghaftes Lachen zu entladen drohte, und mühte sich, den gebührenden Ernst in seine Miene zu zwingen.

      »Wenn’s weiter nichts ist, ehrwürdiger Vater. Mein Knecht Jos und ich stehen zu Eurer Verfügung. Und über das geeignete Werkzeug verfügen wir natürlich auch. Habt die Güte und betrachtet solange mein Haus als das Eure.«

      Etwas mehr als drei Stunden später war Peter Seimer wieder zur Stelle. Der Wagen sei einsatzbereit und man könne weiterreisen, unterrichtete er den Inquisitor. Erfrischt durch einen ausgiebigen Schlaf und ein kräftiges Mahl, das ihm die Frau Seimers bereitet hatte, trat Petrus Zwicker in Begleitung Peters in den Hof hinaus. Der Hauptmann und ein weiterer Bewaffneter erwarteten ihn bereits mit den Pferden.

      Er richtete einen wohlwollenden Blick auf den Bauern. »Habt nochmals herzlichen Dank. Ihr habt uns einen großen Dienst erwiesen. Der Herr wird es Euch vergelten, zumal Ihr ein frommes Glied der Kirche seid, wie ich an der schönen Muttergottes erkennen konnte, die in Eurer Stube steht. Ihr habt sie selbst geschnitzt, wie Euer Weib mir berichtete?«

      Seimer nickte wortlos.

      »Ihr seid ein Künstler, Peter Seimer. Und Ihr preist den Herrn mit Eurer Kunst, das ist löblich«, bemerkte der Mönch wohlgefällig.

      Das Getäusche. Er ist tatsächlich darauf reingefallen.

      Peter Seimer richtete ein inniges Dankgebet an den Herrn, der ihm geholfen hatte, sich unschuldig wie eine Taube und listig wie eine Schlange zu erweisen. Vor Jahren hatte er einmal davon gehört, wie einer seiner Glaubensgenossen, ein Bauer wie er selbst, die bevorstehende Inspek­tion seines Hauses durch einen der Inquisition nahestehen­den Priester verhindert hatte. Ein Nachbar hatte ihn denunziert und behauptet, er verachte die Heiligen. Worauf­hin sich der Mann schnurstracks eine holzgeschnitzte Muttergottes besorgt und sie in seiner Hütte aufgestellt hatte. Als der Priester erschien, wurde er von dem Denunzierten mit größter Freundlichkeit empfangen und im Angesicht der Heiligen­figur reich bewirtet. Der Priester – verunsichert durch den freundlichen Empfang und überrascht vom Anblick der Muttergottes – war fest davon überzeugt, einem übelwollenden Denunzianten aufgesessen zu sein, und entschuldigte sich wortreich bei dem Denunzierten, bevor er sich – gestärkt durch einen großen Humpen Wein – wieder auf den Rückweg machte. Dem Beispiel seines pfiffigen Glaubensbruders folgend, hatte auch Peter Seimer schon vor geraumer Zeit eine große Madonnen­figur mit dem Jesuskind im Arm für den Fall der Fälle geschnitzt. Heute nun war er eingetreten und das »Getäusche« – wie man innerhalb der Familie das Schnitzwerk nannte – hatte seinen Zweck erfüllt. Wie geplant, hatte der Inquisitor aus dem, was er sah, seine Schlüsse gezogen, ohne dass es eines einzigen Wortes seitens der Seimers bedurft hätte. So war er zwar überlistet, aber nicht belogen worden. Letzteres hatte ein Angehöriger der »Armen« tunlichst zu vermeiden – selbst im Angesicht des Todes. Natürlich würde die Figur nach der Abreise des Inquisitors gleich wieder in der Versenkung verschwinden, wo sie hoffentlich vergeblich darauf harrte, erneut eingesetzt zu werden. Die »Armen Christi« hielten nichts von Heiligenfiguren und schon gar nichts davon, dieselben anzurufen.

      »Zu gütig, hochehrwürdiger Herr. Es war mir eine Ehre«, murmelte Peter, und meinte damit natürlich nicht das, was Petrus Zwicker meinte, das er meinte. Heilfroh, den Klauen des römischen Jägers unerkannt entronnen zu sein, jubelte sein Herz darüber, dass Gott diesen offenbar mit Blindheit oder besser gesagt mit Müdigkeit geschlagen hatte. Mit einer für sein Alter ungewöhnlichen Behändigkeit schwang sich der Cölestiner in den Sattel und ritt, gefolgt von seinen Adjutanten, ohne ein weiteres Wort davon.

      Kapitel 14

      Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, kam Falk erst um die fünfte Tagesstunde dazu, das Haus des Stadtrichters aufzusuchen, um sich das Schreiben aus Melk abzuholen. Gleich nach seiner Rückkehr war er ins Fondaco geeilt, um Christine über den Verlauf der morgendlichen Expedition zu unterrichten, hatte sie jedoch nicht angetroffen. Schon ziemlich früh sei sie ohne Angabe eines Grundes weggegangen, wollte jedoch spätestens zur Mittagszeit wieder zurück sein, war er von Irmingard in Kenntnis gesetzt worden. Falk hatte sich daraufhin kurz in die Gästekammer zurückgezogen, um ein wenig auszuruhen, war dann aber vor Erschöpfung eingeschlafen und verhältnismäßig spät erwacht.

      »Hier, das Päckchen aus Melk, Herr von Falkenstein.«

      Nachdenklich nahm Falk eine mit Leder umwickelte, gut verschnürte Rolle entgegen, die ihm der Schreiber des Stadtrichters überreichte.

      »Wer überbrachte das Schreiben?«

      »Ein Rotelbote des Klosters zu Melk, Herr. Er kam schon gestern Nachmittag an und ritt dann weiter nach Garsten. Er hatte eine Nachricht für Euch und den Stadtrichter im Gepäck. Ich vergaß, es bereits gestern auszurichten, und bitte dafür um Nachsicht.«

      Also doch nichts besonders Eiliges, dachte Falk; nichts jedenfalls, was den Boten veranlasst hatte, nur seinetwegen nach Steyr zu kommen. Falk kannte den Auftrag eines Rotelboten. Von Kloster zu Kloster ziehend, hatte er den jeweiligen Konventen die Botschaft zu überbringen, wer von den Mönchen der heimatlichen Abtei das Zeitliche gesegnet hatte. Ihre Namen waren auf einer auf einen Stab aufgewickelten Rolle, auch Totenrotel genannt, verzeichnet, was es ermöglichte, ihrer zu gedenken und sie der Fürbitte der Heiligen anzuempfehlen. Je mehr Klöster der Bote besuchte, desto länger wurde die Rolle, denn jedes der aufgesuchten Häuser war verpflichtet, durch einen kurzen schriftlichen Hinweis den Empfang der Nachricht zu bestätigen. Die Abtei zu Garsten, eine halbe Reitstunde von hier entfernt, war das eigentliche Ziel des Boten gewesen, da bot es sich geradezu an, ihm auch eine Nachricht mitzugeben, die an einen Adressaten im nahen Steyr gerichtet war.

      »Sagt, ist der Stadtrichter im Haus? Ich muss ihn unbedingt sprechen«, wandte Falk sich an den Schreiber.

      »Nein. Soviel ich weiß, wollte er zum Burggrafen, um ihn über das Ergebnis der Untersuchung von heute Morgen in Kenntnis zu setzen. Wart Ihr nicht dabei gewesen?«

      Falk nickte. »Er hätte gut getan, damit noch zu warten, bis ich zurück bin«, bemerkte er finster.

      »Wie meint Ihr das, Herr von Falkenstein?«, fragte der Schreiber neugierig.

      Falk zog es vor, ihm die Antwort schuldig zu bleiben. Noch bevor der Schreiber nachhaken konnte, hatte er die Amtsstube verlassen.

      Eine Bö fegte über den Stadtplatz und peitschte Falks Gesicht mit Nässe; zu dem nicht enden wollenden Nieselregen hatte sich ein unangenehm kühler Wind gesellt. Er wehte aus Richtung des bei Ennsdorf außerhalb der Stadtgrenzen gelegenen Gerber- und Färberviertels (dort wohnten die »Grauslichen«) und stülpte eine Glocke bestialischen Gestanks über die Stadt. Ansonsten war Steyr erfüllt vom typischen Alltagslärm betriebsamer Geschäftigkeit. Fuhr­werke lärmten über den Stadtplatz; Bauern aus der Umgebung, Handwerker, edle Bürgersfrauen und reiche Kaufherren, aber auch Bettler und Mönche drängelten sich in den Gassen, während freilaufende Hunde und einige Schweine in den mit Abfall und Kot gefüllten Ablaufrinnen nach Fressbarem wühlten; kurz: es war ein Tag wie jeder andere.

      Den

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