Tochter der Inquisition. Peter Orontes
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tochter der Inquisition - Peter Orontes страница 3
»Ja, das ist richtig. So lautete der Vers. Aber nur ganz wenige kannten ihn. Woher ist er dir bekannt? Sag es mir!«, flüsterte die Stimme.
»Ich will es Euch ja auch sagen. Aber Ihr wisst, dass meine Informationen ihren Preis haben. Außerdem habe ich noch Weiteres in Erfahrung gebracht, das Euch nützlich sein dürfte. In dem Brief, den ich Euch schrieb, stand nicht alles. Ihr werdet mich also am Leben lassen müssen«, entgegnete der Mann und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Ungeachtet der Klinge, auf die er starrte, war seine Kaltblütigkeit zurückgekehrt.
Der Mann fühlte, wie der Arm, der sich um seinen Hals gelegt hatte, zurückgezogen wurde. Doch der Stahl vor seinen Augen blinkte noch immer.
»Du lässt dich nicht so schnell ins Bockshorn jagen, das muss man dir lassen«, tönte die Stimme erneut. Dann folgte ein leises Lachen. »Wie ich schon sagte: Vorausgesetzt, das Wissen, das du anzubieten hast, ist echt, nützt du mir tatsächlich. – In diesem Fall wäre das hier für den Anfang.« Die eine Hand schnellte wieder nach vorne. Diesmal umfasste sie einen prall gefüllten Beutel. Ein leises Klirren ertönte, als sie ihn schüttelte, und ließ das Herz des Mannes höher schlagen. Gierig griff er nach dem Beutel.
Doch sogleich schnellte die Hand wieder zurück.
»O nein. Erst die Ware, dann das Geld, mein Lieber. Wir wollen die guten Kaufmannssitten doch nicht schnöder Gier opfern, nicht wahr?«, spottete er.
Der Mann leckte sich die Lippen.
»Natürlich, Herr, Ihr habt recht. Also lasst Euch berichten.«
Kapitel 1
Montag, 01. Juni 1388 / Freitag, 19. Juni 1388
Nebelschwaden waberten über die Flussauen, als der Fischer Hermann Luger zur Enns hinunterging, um seine Reusen zu inspizieren. Er hoffte auf einen guten Fang. Den benötigte er auch, sollte er doch heute den Küchenmeister auf der Styraburg mit besonders fetten Forellen versorgen. Sie würden einen Teil des üppigen Festmahls bilden, das der Burggraf am Abend wieder einmal auszurichten gedachte.
Wie jeden Morgen stieg Luger aber erst einmal in sein Boot, das am Ufer vertäut lag, um in gewohnter Weise den mitgebrachten Imbiss zu verzehren: einen Kanten Brot, etwas gesalzenen Fisch und einen Krug Bier.
Gerade hatte er den ersten Bissen hinuntergeschlungen, als der zweite auch schon drohte, ihm im Halse stecken zu bleiben! Sein Blick war plötzlich an einer dunklen Masse hängen geblieben, die sich auf den trägen Fluten flussabwärts bewegte.
»Jesus Christus! Nicht schon wieder«, murmelte er entsetzt, während das seltsame Treibgut an ihm vorüberglitt.
Hastig löste er das Tau, mit dem das Boot am Steg befestigt war, ergriff die Ruderblätter und paddelte mit kräftigen Schlägen hinterher. Gleich darauf hatte er es eingeholt. Ohne sich lange zu besinnen, griff er nach der hakenbewehrten Stange zu seinen Füßen und zog damit nur wenige Augenblicke später eine männliche Leiche an Bord. Weil der Tote mit dem Gesicht nach unten auf die Planken zu liegen kam, vermochte Luger ihn zunächst nicht zu erkennen. Dann aber drehte er die massige Gestalt auf den Rücken – und bekreuzigte sich unwillkürlich.
»Bei allen Heiligen, der Bürgel!«, entfuhr es ihm. Entsetzt blickte er auf den Leichnam, um dessen Hals sich ein tiefer, wulstartig geränderter Schnitt zog. Irgendjemand hatte seinem Nachbarn, dem Fass- und Wagenmacher Lamprecht Bürgel, die Kehle durchgeschnitten.
Kaum eine Stunde später pochte die schwielige Hand des Ennsfischers Hermann Luger an das Tor des Stadtrichterhauses zu Steyr.
Keine drei Wochen später bewegten sich auf der Straße, die das Tal der Steyr mit dem nördlichen Ennstal verband, zwei leicht bewaffnete Reiter in Richtung Süden. Die Gerichtsknechte Bodo Schachen und Siegbert Penzlein waren, einem Befehl des Stadtrichters zu Steyr, Georg von Panhalm, folgend, auf dem Weg nach Ternberg. Auf dem dortigen Friedhof sollten sie unter der Aufsicht von Abt Nikolaus, der dem Konvent des Klosters zu Garsten vorstand, ein Grab öffnen. Es barg die Leiche eines unlängst verstorbenen Mannes, von dessen ruchloser Vergangenheit man erst jetzt erfahren hatte. Der Mann war ein Ketzer gewesen. Ketzer aber hatten in geweihter Erde nichts zu suchen. Also hatten Bodo und Siegbert die wichtige Aufgabe, die sterblichen Überreste des Elenden zu bergen, sie in eine Kiste zu verfrachten und diese nach Garsten zu überbringen, wo sie auf dem Schindanger unter reger Anteilnahme der Bevölkerung verbrannt werden sollten. Den Gläubigen zur Warnung und dem Herrn zum Zeugnis, dass seine Kirche sehr wohl über die wahre Lehre wachte und sich ihrer Widersacher erwehrte – wenn es sein musste, selbst über deren Tod hinaus.
»Warum der Panhalm ausgerechnet uns diese Drecksarbeit machen lässt; einen halb verfaulten Ketzer ausgraben«, maulte Bodo und ließ vorübergehend die Zügel fahren, um sich die klammen Finger zu reiben.
»Das fragst du noch?«, entgegnete Siegbert und sah seinen Begleiter verdrießlich an. »Denk doch an die Sache mit dem entflohenen Waldenser. Glaubst du, dass der Stadtrichter den Ärger vergessen hat, den er mit dem Burggrafen deswegen hatte? Ganz schön schlecht sieht der Panhalm seitdem aus. In uns sieht er nach wie vor die Schuldigen. Er is’ immer noch der Meinung, dass sich einer von uns beiden draußen vor dem Kerker hätte postieren sollen, direkt unter dem verfluchten Fenster. Dann hätte der verdammte Ketzerbastard gar nicht erst fliehen können, behauptet er.«
»So’n Quatsch. Die Wache versieht ihren Dienst stets im Wachraum, so steht’s in der Verordnung. Der Stadtrichter hat gewusst, dass der Kerker nicht gescheit gesichert war. Er hätte dem Seipold ordentlich in den Hintern treten müssen. Der ist schließlich der Aufseher für das Schergenhaus. Hätte er nämlich beizeiten das Gitter wieder angebracht, dann wäre nichts geschehen. So aber war das Kerkerfenster nur mit dem hölzernen Laden verschlossen. Und der war gerade mal mit einem Eisenriegel und einem Schloss gesichert. Das aufzukriegen, war ’n Kinderspiel. Ich frag mich sowieso, warum er das Gitter entfernt hat. Er hätte es ja noch dran lassen können, bis das neue fertig is’.«
»Warum, warum. Weil das alte nichts mehr taugte, du Hornochse; ’n paar von den Gitterstäben waren schon fast durchgerostet und die anderen saßen so locker in der Mauer wie die faulen Zähne im Maul meiner Schwiegermutter. Es war höchste Zeit, das Gitter zu entfernen. Der Laden hätte seinen Zweck schon erfüllt, wenn der Schmied ganze Arbeit geleistet hätte. Das Schloss war viel zu schwach«, belehrte Siegbert seinen Genossen mit Nachdruck.
Der Straße folgend, waren sie inzwischen in ein kleines Wäldchen eingedrungen, als Bodo plötzlich sein Pferd anhielt und angestrengt nach vorn starrte. Mit einer Geste bedeutete er seinem Begleiter, ebenfalls stehen zu bleiben.
»Was ist, was hast du?«, wunderte sich Siegbert.
»Da … sieh doch nur …! Da liegt jemand … Könnte ’ne Frau sein«, flüsterte Bodo aufgeregt und wies mit der Hand nach vorn.
»Wo? Ich seh nichts.«
»Hast du Kuhfladen auf den Augen? Dort, rechts vom Wege, neben dem Gebüsch!«
Seit einigen Monaten waren Siegberts Augen nicht mehr die besten; es dauerte ein wenig, bis er endlich, wenn auch nur verschwommen, die dunkle Silhouette eines Körpers wahrnahm, der etwa dreißig Schritte weiter vorn am Wegrand lag.
»Zum Teufel, du könntest recht haben«, murmelte er.
Sie gaben den Pferden die Sporen, sprengten auf die Stelle zu und sprangen aus dem Sattel.