Tochter der Inquisition. Peter Orontes
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»Tatsächlich. Klara von Ternberg. Ich glaub’s nicht!«, bestätigte gleich darauf auch Siegbert. Im Gegensatz zu Bodo, der einfach nur dastand und auf die Frau herabsah, ging er neben ihr in die Hocke und legte prüfend die Finger an ihren Hals.
»Kein Zweifel, sie ist tot«, bemerkte er.
»Sag ich’s doch. Was hast du denn gedacht. Dass sie vor Müdigkeit eingeschlafen is’?«
»Spar dir deine blöden Bemerkungen«, knurrte Siegbert und hob das Sackleinen hoch. »Sieh mal, hier, man hat sie erstochen.« Siegbert deutete auf einen glatten Riss, den die Cotte der Toten auf der linken Brustseite aufwies, drum herum hatte sich ein riesiger schwarz-roter Fleck ausgebreitet. Unmittelbar über der rechten Hand, auf dem unteren Ende des Kleiderärmels, krabbelten seltsamerweise unzählige Ameisen.
Bodo starrte betroffen auf die Frau herunter. »Hm«, brummte er. »Vor Kurzem erst die beiden Mädchen, dann der Bürgel und jetzt die Ternbergerin. Ich sag dir, der Teufel geht um im Ennstal.«
»Ob es der Leibhaftige war oder einer seiner menschlichen Handlanger, das herauszubekommen, obliegt dem Stadtrichter«, entgegnete Siegbert trocken.
»Ja, wenn ihm der Burggraf nicht wieder dazwischenfährt.«
»Den geht das Ganze nichts an. Die offizielle Jurisdiktion über die Stadt und ihre Bürger obliegt dem Stadtrichter. Andererseits …«, er hielt kurz inne, um zu überlegen, »… ich glaub, diesmal könnten sie durchaus an einem Strang ziehen. Wenn sie sich auch sonst immer um die Zuständigkeiten zanken.«
»An einem Strang? Die beiden? Das glaubst du wohl selbst nicht!«
»Vergiss nicht: Hier geht’s um keinen Geringeren als Wernher von Ternberg, seines Zeichens Magistrat der Stadt Steyr und …«
»… und der hat schon lange die Nase voll von den ständigen Stänkereien des Burggrafen. Er steht eher auf der Seite des Stadtrichters«, unterbrach Bodo.
»Schon; trotzdem dürfte ihm diesmal einiges daran liegen, den Grafen mit ins Boot zu holen. Schließlich geht’s hier nicht nur um irgendein Verbrechen, sondern um den Mord an seinem Eheweib. Er wird den Täter schnellstens auf dem Richtplatz sehen wollen. Also wird er die beiden dazu bringen, die Sache gemeinsam anzugehen, und ich glaube nicht, dass sie sich ihm widersetzen werden.«
»Stimmt. Dazu ist der Ternberger zu mächtig. Schließlich is’ er stinkreich und hat verdammt gute Beziehungen zum Herzog«, räumte Bodo ein.
An ihre ursprüngliche Mission war nun nicht mehr zu denken. Der tote Ketzer würde warten müssen. Sie kamen überein, dass Bodo bei der Leiche wachte, während Siegbert so schnell wie möglich nach Steyr zurückreiten und den Stadtrichter informieren würde.
Kapitel 2
Donnerstag, 30. Juli 1388
Die beiden Reiter, die an diesem Donnerstagvormittag die Brücke über die Steyr passierten, hatten alle Mühe voranzukommen. Sie ließen sich inmitten eines nicht enden wollenden Stroms von Menschen, Tieren und Fuhrwerken, der sich schon seit den frühen Morgenstunden in die Stadt hineinwälzte, einfach treiben. Man sah den beiden Personen an, dass sie von weit her kamen. Aber nur ein Eingeweihter hätte wissen können, dass es sich bei einer von ihnen um eine Frau handelte. Denn was ihr Äußeres anging, schien sie sich um die von Gott und der Kirche gewollte Ordnung wenig zu scheren, trug sie doch von Kopf bis Fuß männliche Kleidung. Das lange, blonde Haar verbarg sie unter einer zu einem Turban gewickelten Gugel, während ein Schal, um Mund und Nase geschlungen, die Schönheit ihrer Gesichtszüge verhüllte. Allein die großen, ausdrucksstarken Augen, mit denen sie energisch die Umgebung musterte, sowie die vollendet geschwungenen Brauen ließen vermuten, dass sie nicht das war, für was sie sich ausgeben wollte.
Der Begleiter der Frau, groß und kräftig gebaut, mit schwarzem Bart und auffallend blauen Augen, seufzte.
»Wären wir bereits gestern Abend eingetroffen, wäre uns das Ganze hier erspart geblieben; Donnerstag ist immer Hauptwochenmarkt in Steyr«, sagte er und wich einem hinkenden Buckligen aus, der ihn mit seinem Handkarren gegen das Geländer der Brücke zu drücken drohte.
»Ja – hätten dran denken sollen«, entgegnete seine Begleiterin einsilbig. Sie ritt dicht hinter ihm.
Der Mann wandte sich um.
»Du bist heute nicht gerade sehr gesprächig, Liebes. Willst du mir nicht sagen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist?«
Die Frau sah kurz auf.
»Es gibt keine Laus.«
»Bitte, Christine. Du kannst mir nichts vormachen. Was bedrückt dich? Heraus mit der Sprache.«
Es dauerte etwas, bis sich die Frau zu einer Antwort durchrang.
»Also gut. Ich … ich wollte es dir schon heute Morgen sagen, aber …« Sie seufzte.
Ihr Begleiter hob witternd eine Augenbraue.
»Aber was, Christine?«
»Ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich mache mir Sorgen, Falk. Heute früh in der Herberge – du warst gerade beim Wirt, um für unsere Übernachtung zu bezahlen, ich wartete im Hof bei den Pferden – da wurde ich zufällig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Männern. Sie … sie sprachen davon, dass der Inquisitor Petrus Zwicker noch vor Einbruch des Winters in Steyr Quartier nehmen werde.«
Der Mann zügelte augenblicklich sein Pferd. Seine Begleiterin bemerkte, wie er plötzlich die Farbe wechselte.
»Was sagst du da? Der Ketzerjäger? Er kommt nach Steyr?«
Die Frau nickte bedrückt. Sie hatte ihren Falben ebenfalls zum Stehen gebracht.
»Ich habe Angst, Falk. Was, wenn er erfährt, dass du in der Stadt bist?«
Petrus Zwicker. Falks Kiefer begannen zu mahlen. Vor vier Jahren, ein Jahr, bevor er und Christine sich kennengelernt hatten, war er dem berüchtigten Ketzerjäger im Stift zu Melk begegnet. Der Cölestinermönch hatte damals auf dem Weg nach Steyr für einige Tage im Kloster Station gemacht und versucht, ihn, der damals im Dienst des Stiftes stand, in seinen Dienst zu zwingen. Ein Mann wie Falk, der die »scharfen Waffen des Geistes« besitze, so der Inquisitor, sei verpflichtet, seine Fähigkeiten der Mutter Kirche zur Verfügung zu stellen. Es war Bodo von Schachnitz, der Prior von Melk, der der Forderung des Cölestiners erfolgreich Widerstand entgegengesetzt und ihm klargemacht hatte, dass Falk als sein persönlicher Sonderbeauftragter eine Abordnung des Stiftes nach Italien geleiten müsse. So war aus dem Ansinnen des Inquisitors nichts geworden und Falk im letzten Moment seinen Klauen entwischt.
»Was genau sagten die Männer, Christine?«
»Der eine behauptete, er habe gehört, dass Petrus Zwicker noch vor Eintreffen des Winters die Stadt visitieren werde. Worauf der andere entgegnete, das sei nur ein Gerücht, und er gäbe nichts darauf. Schließlich sei Zwicker vor vier Jahren erst hier gewesen.«
Falk