Tochter der Inquisition. Peter Orontes
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Falk verstand. »Ja, natürlich. – Apropos Stadtrichter und Burggraf: Ich nehme an, sie wissen, dass ich sie in ihren Ermittlungen unterstützen soll?«
Ein grimmiges Lächeln flog über die Miene des Ternbergers.
»Das schon. Aber stellt Euch lieber auf einen kühlen Empfang ein, wenn ich Euch den beiden vorstelle. Begeistert sind sie nicht gerade davon, insbesondere da sie wissen, dass ich Euch für bedeutend geeigneter halte, die schreckliche Angelegenheit aufzuklären. Ungeachtet dessen werden sie mit Euch zusammenarbeiten, auch wenn sie’s zähneknirschend tun, das verspreche ich. Ihr wisst, ich habe einiges zu sagen in dieser Stadt.«
Falk nickte, zweifelte allerdings daran, dass die Vorgehensweise des Ternbergers klug gewesen war. Harsche Kritik an der Art und Weise zu üben, wie die beiden Obrigkeitsvertreter ihre Amtsgeschäfte versahen, und ihnen im gleichen Atemzug jemanden zu nennen, der die Sache angeblich besser machen würde, zeugte nicht gerade von diplomatischem Geschick.
»Wann werde ich die beiden sehen?«
»Morgen am frühen Vormittag, wenn Ihr einverstanden seid. – Ja, was gibt es denn?« Die Frage Wernhers galt einem Klopfen an der Tür.
Eine Magd steckte den Kopf herein. »Verzeiht, Herr, aber die Tafel ist gedeckt, wie Ihr befohlen habt.«
Der Magistrat erhob sich. »Natürlich, fast hätte ich es schon wieder vergessen. Wenn Ihr mir bitte nach nebenan folgt, es ist angerichtet. Nach dem Mahl werde ich Euch Eure Kammer zuweisen lassen. Dort könnt Ihr für den Rest des Tages ausruhen. Ihr seid sicher müde von der Reise.«
Kapitel 3
Donnerstag auf Freitagnacht, 30. / 31. Juli 1388
Erschrocken fuhr Christine aus dem Schlaf. Mit angehaltenem Atem starrte sie zum Fenster hinüber. Unwillkürlich strich sie sich mit der Hand über die Stirn; sie fühlte sich feucht und kalt an. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr das Herz bis zum Halse schlug. Du träumst, es ist nur ein böser Traum, versuchte sie sich zu beruhigen und schloss krampfhaft die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war die dunkle Gestalt, die sie soeben noch neben dem Fenster zu sehen geglaubt hatte, verschwunden.
Sie spürte, wie die Panik, die sich in ihr festgekrallt hatte, zu weichen begann, und atmete auf. Sie blickte zur Seite. Das Haupt auf beide Hände gebettet, lag Falk neben ihr; ruhige, gleichmäßige Atemzüge verrieten, dass er tief und fest schlief.
Christine lächelte. Sie beugte sich über sein Gesicht und hauchte einen Kuss auf seine Stirn. Vorsichtig schlug sie die mit weißem Linnen überzogene Wolldecke zurück und stieg leise aus dem Bett. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Fenster hinüber, öffnete einen der beiden pergamentbespannten Flügel und sah auf den Innenhof hinaus. Selbst jetzt noch, im Dunkeln, ließ sich die Größe des Ternbergschen Anwesens erahnen. Es umfasste zwei Gebäude, die jeweils aus einem Vorder- und einem Hinterhaus bestanden und durch den Hof voneinander getrennt waren. Christine und Falk waren in dem Haus untergebracht, das man das »Fondaco« nannte; ein Begriff, den der Ternberger von einer seiner Reisen nach Venedig mitgebracht hatte. Es barg neben einigen Dienstbotenkammern und einer großen Küche vor allem Kontore sowie Laden- und Geschäftsräume, die nicht von ungefähr im ersten Obergeschoss untergebracht waren: Nur so ließen sich Handelserzeugnisse und Waren vor den regelmäßig wiederkehrenden Hochwässern von Enns und Steyr schützen. Auch die Gästekammern befanden sich hier; sie lagen im zweiten Obergeschoss. Das andere Gebäude wurde vom Hausherrn selbst und einigen Dienstboten, allen voran dem Majordomus, bewohnt. Darüber hinaus beherbergte es eine große Empfangshalle sowie weitere Geschäftsräume und die Schreibstube Wernher von Ternbergs. Die Hauptfassaden beider Häuser wandten ihr stolzes Antlitz zum Stadtplatz, während die Rückseiten auf eine etwas mehr als mannshohe Mauer stießen, die sich die ganze Breitseite des Anwesens entlang erstreckte und nur wenige Schritte von der Enns entfernt errichtet worden war. Trat der Fluss über die Ufer, schützte die Mauer – wenn auch unvollkommen und nur vorübergehend – zumindest den Innenhof vor seinen Fluten. Auf den Hof selbst gelangte man durch ein breites zweiflügeliges Tor, das in eine Mauer eingelassen war, welche die auf der Stadtplatzseite gelegenen Fronten beider Gebäude miteinander verband.
Christines Blick richtete sich nach rechts, wo hinter der ennsseitig gelegenen Mauer das schwarzsilberne Band des Flusses glitzerte, und schweifte dann über den Hof, auf dem tagsüber geschäftiges Treiben herrschte. Jetzt lag er einsam und leer und von nächtlicher Stille erfüllt da. Christine gähnte; sie spürte, wie erneut Müdigkeit nach ihr griff, und beschloss, sich wieder aufs Lager zu begeben.
Dann aber drang ein Knacken an ihr Ohr, gefolgt von rhythmisch leisem Klatschen.
Mit einem Mal war sie wieder hellwach. Sie trat zur Seite, um selbst nicht gesehen zu werden, und blickte mit angehaltenem Atem in den Hof hinunter.
Mit schnellen Schritten querte eine dunkel gewandete Person den Hof, blieb kurz stehen und sah sich vorsichtig um, als wollte sie sich vergewissern, dass ihr auch niemand folgte. Dabei hob sie das Haupt – und sah für einen kurzen Augenblick direkt zum Fenster der Gästekammer empor.
Christine stutzte.
Sofia!
Sofia, die Tochter Klaras, die angeblich bei einer Freundin zu Gast war und erst in einer Woche heimkehren würde. Das Licht, das der Mond hergab, genügte Christine, um zweifelsfrei ihr Profil erkennen zu können. Zudem vermochte das Tuch, mit dem die junge Frau ihr Haar verhüllt hatte, nur ansatzweise, die blonde Pracht zu bändigen, die sich darunter verbarg.
Mit schnellen Schritten lief sie weiter, erreichte den Schatten des gegenüberliegenden Hauses und bewegte sich in seinem Schutz in Richtung der am Fluss gelegenen Begrenzungsmauer. Dort verschwand sie hinter einigen Büschen, die an der Mauer entlang wuchsen.
Christine ließ die angestaute Luft mit einem scharfen Zischlaut entweichen. Sie wartete darauf, dass Sofia wieder erschien. Doch das Mädchen blieb verschwunden, als habe sie der Erdboden verschluckt.
Christine blickte zu Falk hinüber. Sollte sie ihn wecken? Nein. Das hatte bis morgen Zeit. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Bett zurück und schlüpfte vorsichtig unter die Decke. Geraume Zeit noch floh sie der Schlaf, bevor sie endlich in einen unruhigen Schlummer glitt.
Kapitel 4
Freitag, 31. Juli 1388
Als Christine Stunden später erwachte, stellte sie überrascht fest, dass der Platz neben ihr leer war. Offenbar hatte Falk beschlossen, sie schlafen zu lassen, während er selbst bereits unterwegs war. Sie sah zum Fenster hinüber, durch das bereits die warmen Strahlen der Sonne fielen; vom Hof unten drang verhaltener Lärm ins Zimmer.
Christine gähnte. Sie stieg langsam aus dem Bett und ging nach nebenan in die kleine Ankleidekammer, wo sie eine Schüssel voll frischen Wassers nebst einer duftenden Seifenkugel aus Venedig und einen Stapel sauberer Tücher vorfand.
Wenig später – sie war inzwischen vollständig angekleidet – klopfte es an ihrer Kammertür. Es war Irmingard, die oberste Hausmagd.
»Euer Gemahl ist bereits mit meinem Herrn im Stadtrichterhaus, gnädige Frau. Sie werden um die sechste Stunde zurück sein. Wenn Ihr wollt, dürft Ihr Euch derweil in der Bibliothek umsehen. Der Majordomus, Herr Söhnlein, wird sie Euch zeigen.«
Erfreut hob Christine die Brauen. Dass es im Hause Ternberg einen solchen