Tochter der Inquisition. Peter Orontes
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Falk sah erneut zu Christine hinüber. Diesmal sprach Erleichterung aus ihrem Blick.
»Gut. Könnt Ihr mir etwas über den bisherigen Stand der Untersuchungen sagen? Stadtrichter und Burggraf führen sie wohl gemeinsam, wenn ich Eure Nachricht recht verstanden habe?«
»Ja, nachdem ich sie mehr oder weniger dazu zwingen musste. Aber sie sind beide unfähig. In sechs Wochen sind sie mit ihren Ermittlungen nicht einen Schritt vorangekommen. Weder, was den Mord an Klara angeht, noch den an diesem Bürgel.«
»Es gibt noch einen weiteren Mord?«, vergewisserte sich Falk erstaunt.
»Ja. Lamprecht Bürgel. Ein allseits geachteter Handwerker: Fass- und Wagenmacher. Ein Fischer zog ihn aus der Enns, drei Wochen, bevor man Klara fand. Vor ein paar Monaten erst fischte der Mann fast an der gleichen Stelle zwei Mädchenleichen aus dem Fluss.«
»Vier Morde innerhalb so kurzer Zeit? Gibt es Hinweise auf Gemeinsamkeiten?«
Der Ternberger schüttelte den Kopf. »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die beiden Mädchen wurden erst geschändet, dann erwürgt. Anschließend steckte der Mörder jede in einen Sack, band ihn zu und warf ihn in die Enns. In Steyr geht das Gerücht, dass es Ketzer waren; die Leute sagen, nur wer mit dem Teufel auf Du und Du stehe, könne so etwas tun.«
»Ihre Mörder wurden also bis heute nicht gefunden?«
»Nein.«
»Und dieser Lamprecht Bürgel? Ihr sagtet, er wurde drei Wochen vor Klara getötet. Wie starb er?«
»Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Die Leiche lag wahrscheinlich schon mehrere Tage im Wasser. Um den Fuß war ein Strick geknotet, der in einer leeren Schlinge endete. Der Mörder hatte den Leichnam versenkt und wohl ein Gewicht am Fuß des Toten befestigt, aber dieses löste sich, und so kam die Leiche wieder hoch.«
»Das alles habt Ihr mir in Eurer Nachricht aber nicht mitgeteilt.«
»Ich hielt es nicht für wichtig. Das mit den beiden Mädchen geschah schon vor Monaten. Sie dürften den teuflischen Trieben eines Wahnsinnigen zum Opfer gefallen sein; ob Ketzer oder nicht, sei dahingestellt. Was den Bürgel angeht, könnte ich mir vorstellen, dass ein Raubmörder ihn auf dem Gewissen hat. Eine Anfrage bei seiner Witwe ergab immerhin, dass er einen prallen Geldbeutel hätte bei sich haben müssen. Der aber fehlte bereits, als der Fischer die Leiche aus dem Wasser zog. Bei Klara liegt die Sache anders. Obwohl Stadtrichter und Burggraf auch hier von einem Raubmord ausgehen. Aber ich sagte ja schon – sie sind unfähig, die wahren Hintergründe aufzudecken.«
»Wenn ich Euch recht verstehe, wurde also auch Klara beraubt?«
»Sagen wir es so: Man fand zwar ihre Leiche, doch ihre Geldbörse fehlte. Aber glaubt mir, es steckt mehr dahinter als nur Habgier.«
»Ach, und wie kommt Ihr zu dieser Vermutung?«
Wernher starrte einige Augenblicke vor sich hin, bevor er antwortete.
»Klara ahnte ihren Tod voraus«, sagte er schließlich leise.
Falk hob überrascht die Brauen.
»Sie ahnte, dass sie sterben würde?«
Der Ternberger nickte finster.
»Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Es gab da auch gewisse Vorzeichen. Sie machte schon seit geraumer Zeit einen … sagen wir … nun ja, einen etwas eigenartigen Eindruck. Sie war irgendwie nachdenklicher, in sich gekehrter, als sonst. Manchmal schwieg sie tagelang. Ich stritt mich sogar deswegen mit ihr. Natürlich habe ich sie gebeten, mir zu sagen, was sie bedrückt. Anfangs beteuerte sie immer, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen; es sei nur das Heimweh, das sie ab und an überfalle. Aber dann, einige Tage, bevor sie ermordet wurde, stellte sie mir eine Frage, die mich aus allen Wolken fallen ließ.«
Wernher hielt kurz inne, als müsse er sich zuerst sammeln, um weitersprechen zu können.
»Sie fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, wenn sie plötzlich und unerwartet das Zeitliche segnen sollte, Sofia zu ehelichen.«
Falk beugte sich vor. »Sie fragte Euch allen Ernstes, ob Ihr bereit wärt, ihre Tochter zu heiraten?«, hakte er nach.
Der Ternberger nickte. »Im Falle ihres plötzlichen Ablebens, wie gesagt.«
»Eine ungewöhnliche Bitte, in der Tat«, murmelte Falk und ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen. »Und wie habt Ihr reagiert?«
Wernhers vor Gram zerfurchte Stirn verdüsterte sich noch mehr. »Ich fürchte, viel zu heftig. Ich war natürlich sehr erregt. Ich schrie sie an, fragte sie, ob sie noch bei Sinnen sei und wie sie auf solche absurden Ideen käme. Überhaupt hätte ich die Nase voll von ihrem seltsamen Verhalten. Dann … dann schlug ich ihr ins Gesicht. Es war das erste Mal, dass ich derart in Harnisch geriet, und es tat mir gleich darauf auch unendlich leid.«
Abrupt erhob sich Wernher und ging zu einem der großen Fenster, die sich zum Marktplatz hin öffneten.
»Klara brach in Tränen aus … und stürzte aus dem Zimmer«, fuhr er, zum Fenster hinaussehend, leise fort. »Es war das letzte Mal, dass ich sie lebend sah. Am darauffolgenden Tag reiste ich, ohne mich von ihr zu verabschieden, nach Passau. Als ich fünf Tage später gegen Mittag zurückkehrte, teilte man mir mit, dass sie am Morgen mit unbekanntem Ziel ausgeritten sei, aber am selbigen Abend noch zurückkehren werde. Doch sie kehrte nicht zurück. Am nächsten Tag fand man ihre Leiche. Ich … ich konnte sie nicht einmal mehr um Verzeihung bitten.«
Wernher hielt inne. Gedankenverloren starrte er auf den Stadtplatz hinunter, auf dem lebhaftes Treiben herrschte.
Christine erhob sich und ging zu ihm hinüber. »Lieber Freund, Ihr solltet Euch nicht über die Maßen damit quälen. Glaubt mir, Klara hätte das nicht gewollt.«
Auch Falk trat an die Seite des Ternbergers. »Christine hat richtig gesprochen, Wernher. Hört auf, Euch deswegen Vorwürfe zu machen. – Sagt: Weiß Sofia vom Ansinnen Eurer Gattin?«
Der Magistrat schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte sie damit nicht belasten. Im Nachhinein verstehe ich Klaras Wunsch ja auch. Sie wollte ihre Tochter in Sicherheit wissen. Natürlich werde ich dafür Sorge tragen, dass es ihr an nichts mangelt – auch wenn eine Adoption aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Eine Heirat kommt ebenso wenig infrage. Das hätte Klara eigentlich wissen müssen. Was ich für Sofia empfinde, ist, was ein Vater für seine Tochter empfindet. Jenes leidenschaftliche Feuer, das im Herzen eines Mannes für eine Frau lodert – es wird wohl nie wieder in mir entfacht werden.«
»Wie hat Sofia das Ganze bewältigt?«, fragte Christine.
»Anfangs war sie natürlich völlig verzweifelt, wollte das Furchtbare einfach nicht wahrhaben. Mittlerweile wirkt sie sehr gefasst.«
»Werden wir sie heute noch sehen?«, wollte Falk wissen.
»Nein. Sofia ist bei einer Freundin zu Besuch. Sie wird erst in einer Woche zurückkehren. Allerdings bitte ich Euch, ihr gegenüber nichts über den Inhalt unseres Gesprächs verlauten zu lassen, insbesondere was den Heiratsgedanken