Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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bin der gleichen Meinung«, bestätigte der Burg­graf und maß Falkmar von Falkenstein mit einem Blick, in dem unverhohlene Ablehnung lag. Er erhob sich aus seinem Stuhl und begann mit auf dem Rücken verschränkten Armen langsam auf und ab zu gehen.

      »Es handelt sich eindeutig um Raubmord. Sowohl was Eure Gattin betrifft, verehrter Herr von Ternberg«, der Pogner nickte in Richtung Wernhers, der neben Falk an der Längsseite des Tisches saß, »als auch, was diesen Lamprecht Bürgel angeht. Sowohl Eurer Gemahlin als auch dem Bürgel wurde der Geldbeutel entwendet. Die Indizien sprechen also eine eindeutige Sprache«, bekräftigte der Graf noch einmal mit Nachdruck. Im Gegensatz zum Stadtrichter, der stets eine etwas heiser klingende, helle Stimme besaß, verfügte Heinrich von Pogner über einen mächtigen Bass, der adäquat seinem Äußeren entsprach. Groß und massig gebaut, mit bereits leicht ergrautem Bart und ebensolchem Haar, das ihm gewellt bis auf die Schultern fiel, gab er eine imposante Erscheinung ab. Das mit Goldfäden durchwirkte Barett auf dem Haupt – die neumodische Kopfbedeckung stammte offenbar aus Venedig –, den pelzbesetzten Umhang um die Schultern gelegt und angetan mit schweren Reitstiefeln, bot er exakt das respektheischende Bild, das man von einem Grafen, der auf der Styraburg residierte, erwartete.

      Der Ternberger saß mit steinerner Miene da und schüttelte entschieden den Kopf, ersparte sich jedoch für den Moment jeglichen Kommentar.

      Falk räusperte sich. »Gehen wir einmal davon aus, dass Eure These richtig ist und es sich auch im Falle Klara von Ternbergs lediglich um Raubmord handelt, verehrter Graf: Teilt Ihr auch die Zweifel des Herrn Stadtrichters, was das Habhaftwerden des Täters angeht?«, fragte er.

      »Leider ja. Ihr wisst, dass es eine Menge Herumtreiber gibt, landesschädliches Gesindel, entwurzelte Gestalten, die es mal hierhin, mal dorthin verschlägt. Meist halten sie sich irgendwo in den Wäldern auf. Seit jener unseligen Schlacht bei Sempach vor zwei Jahren gibt es auch wieder den einen oder anderen brotlos gewordenen Kriegsknecht, der auf schnelle Weise zu Geld gelangen will. Sie tauchen auf, richten Schaden an und ziehen weiter, ohne eine Spur zu hinterlassen. Wo und wie also, bitte schön, sollen wir nach dem oder den Tätern suchen? Um Weiteres zu verhindern, beziehungsweise an den oder die Mörder heranzukommen, falls sie überhaupt noch in der Gegend sind, bleibt nur eines: die Augen offen halten. Der Stadtrichter und ich sind übereingekommen, Patrouillen einzurichten, die draußen vor den Mauern nach dem Rechten sehen, und zwar insbesondere des Nachts und in den frühen Morgenstunden. Tagsüber haben wir besonders auf Fremde ein Auge. Dass wir natürlich jeder neuen Spur nachgehen werden, sollte sie auftauchen, versteht sich von selbst.«

      »Ihr sagtet, es habe keinen weiteren Hinweis gegeben. Klaras Ahnung, dass ihr etwas zustoßen könnte – Herr von Ternberg hat Euch sicher davon berichtet –, seht Ihr also nicht als solchen an?«

      Der Graf beschloss, auf diese Frage selbst nicht einzugehen. Stattdessen sah er zum Stadtrichter hinüber, der ein verlegenes Räuspern hören ließ.

      »Nun das erscheint in der Tat auf den ersten Blick ein wenig merkwürdig«, gab von Panhalm zu. »Aber glaubt mir, es scheint nur so. Bedenkt Folgendes: Als man Frau von Ternberg fand, fehlte ihre Geldbörse. Was nicht verwundert, denn die Börse selbst besaß einigen Wert und sie war offensichtlich gut gefüllt. Daraus folgt: Frau von Ternberg wurde das Opfer eines Räubers. Der Beweggrund war eindeutig Habsucht. Das sind nun mal die Fakten. Dass sie ihren Mörder kannte, halten wir nicht für wahrscheinlich. Hätte sie im Voraus gewusst, dass sie in Gefahr schwebt, Opfer eines Raubmords zu werden, hätte sie etwas dagegen unternommen. Was also diese seltsame Ahnung angeht – man kann sie mit Sicherheit nicht auf die Umstände ihres Todes beziehen. Natürlich verstehen wir, dass Herr von Ternberg …«

      »Genug, spart Euch Eure Beteuerungen. Ich kenne Eure Ansicht über den Fall mittlerweile zur Genüge«, fiel ihm der Ternberger ärgerlich ins Wort. »Ich bleibe dabei: Klara ahnte ihren Tod voraus und sie hatte offenbar handfeste Gründe dafür. Hinter all dem steckt mehr als nur ein Raub­mord. Das Ganze damit abtun zu wollen, ist zwar einfacher für Euch, steht jedoch der Wahrheitsfin­dung entgegen.« Erregt schlug Wernher mit der Faust auf den Tisch.

      Der Stadtrichter zuckte zusammen und sandte einen hilfesuchenden Blick zum Grafen, der sich mittlerweile wieder gesetzt hatte. Eigentlich wusste er, dass es zwecklos war, Wernher von Ternberg zu widersprechen. Auch wenn er als Stadtrichter den offiziell höheren Rang bekleidete – er war der Vorsitzende des aus sechs Ratsherren bestehenden Rates der Stadt, dem auch der Ternberger angehörte –, war er sich darüber im Klaren, dass sein Einfluss im Gegensatz zu dem Wernhers recht bescheiden war. Unermesslich reich, ausgestattet mit einem beneidens­werten Charme, den er raffiniert einzusetzen vermochte, verfügte der Ternberger zudem über beste Verbindungen zum Landesfürsten und besaß so einfach den längeren Arm.

      »Hmm«, räusperte sich der Graf und schien ebenso verlegen wie vorhin der Stadtrichter. »Aber Herr von Ternberg, wir sprachen bereits mehr­fach darüber. Was die Ahnung Eurer Gattin angeht, so etwas gibt es eben. Nennt es meinetwegen Zufall, den Anflug einer schlechten Stimmung oder wie immer Ihr wollt. So ein Gefühl muss keinen konkreten Hinter­grund haben«, versuchte er in aller Ruhe, auf den Magistrat einzuwirken. Auch wenn er mit ihm nicht einer Meinung war – dass selbst er als Vertreter des Landesfürsten höchsten Respekt vor der Person des Ternbergers bekundete, war in diesem Moment unver­kenn­bar. Falk wurde bewusst, welch zwingende Autorität von dem Kaufmann ausging und wie immens sein Einfluss sein musste.

      Wernher schüttelte störrisch den Kopf. »Nein, Herr von Pogner, Ihr seid auf dem Holzweg; ich weiß es. Dieses Gespräch überzeugt mich einmal mehr davon, dass Ihr und Herr von Panhalm der Hilfe jemandes bedürft, der Euch mit seinem scharfen Verstand auf die richtige Fährte zu bringen vermag. Ich bitte Euch also, Herrn von Falkenstein in seinen Untersuchungen, die er parallel zu den Euren führen wird, rückhaltlos – ich wiederhole: rückhalt­los! – zu unterstützen. Punktum!«

      Abermals schlug der Ternberger mit der Faust auf den Tisch; in seinem Gebaren lag unbestreitbar eine ge­hörige Portion Arroganz. Falk fühlte sich peinlich berührt, insbeson­dere, da er der Gegenstand der Konfrontation war.

      »Noch ein Wort an Euch, Herr Stadtrichter. Ihr solltet nicht vergessen, dass Eure erneute Wahl im nächsten Jahr unter anderem auch davon abhängt, wie erfolgreich Ihr es vermögt, den Frieden der Stadt zu schützen und Schaden von ihr fernzuhalten«, setzte Wernher noch eins drauf.

      Georg von Panhalm wurde bis über beide Ohren rot und biss sich auf die Lippen. Die unverblümte Äußerung führte ihm nicht nur erneut vor Augen, wie abhängig er in­zwischen vom Wohlwollen des Ternbergers geworden war, sie war zudem als unverhüllte Drohung zu werten. Zwei Mal war er bis jetzt von dem in der Stadt ansässigen Adel und den angesehensten Bürgern in das Amt des Stadtrichters gewählt worden, wobei er stets auf die Unterstützung Wernhers angewiesen gewesen war. Dies würde im nächsten Jahr am Sonntag vor St. Thomas, dem Tag der Wahl, nicht anders sein. Längst wurde die Tatsache, dass Wernher von Ternberg im Rat den Ton angab, in der Stadt nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand geäußert.

      Der Stadtrichter bemerkte ein schadenfrohes Grinsen im Gesicht des Burggrafen und kniff die Lippen noch stärker zusammen. Dass er, was die Ermittlungen im Mordfall Klara von Ternbergs anging, mit ihm einig ging, bedeutete noch lange nicht, dass sie Freunde geworden waren. Es war purer Opportunismus gewesen, was beide veranlasst hatte, die größtmögliche Übereinstimmung zu suchen. Schließlich hatten sie den weitreichenden Arm des Ternbergers zu fürchten, dem man nachsagte, ein fast freundschaftliches Verhältnis zum Landesherrn zu unterhalten, was wiederum nicht von ungefähr kam, munkelte man doch, dass er diesem einst mit einer gewaltigen Summe Geldes aus einer argen Verlegenheit geholfen habe. Die Forderung Wernhers an die beiden Obrigkeitsvertreter war klar und ultimativ gewesen – ihm so schnell wie möglich den Mörder seiner Frau zu präsentieren. Nachdem allerdings mehr als zwei Wochen vergangen waren, ohne dass die gemeinsa­men Bemü­hungen nennens­­werte Fort­schritte gezeitigt hatten,

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