Mord bei den Festspielen. Sibylle Luise Binder

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Mord bei den Festspielen - Sibylle Luise Binder

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Möglichkeit geben, den Unterschied zwischen oben und unten festzustellen, und eine davon ist, das Wasser zu beobachten. Je näher es der Oberfläche ist, desto bewegter ist es, also aufhören zu strampeln, ausstrecken, versuchen, die Wellen zu spüren – oh Mensch, ich brauche Luft! Mein Kopf dröhnte, in meiner Brust bildete sich ein dumpfer Schmerz.

      Ich setzte alles auf eine Karte und schwamm aufwärts – beziehungsweise dahin, wo ich aufwärts vermutete. Und da war ein Geräusch, ein tiefes Brummen und gleichzeitig spürte ich Wellen und reckte den Hals. Mein Kopf brach durch die Wasseroberfläche, ich spürte den Wind auf meiner nassen Haut, ich japste und schnappte nach Luft – und das fühlte sich gut an! Ich schloss für einen Moment die Augen und trank den Sauerstoff, der wie prickelnder Champagner war.

      Aber da war dieses Brummen und jetzt war es noch lauter. Bevor ich darüber nachdenken konnte, schwamm ich in Richtung des Geräuschs. Aber da war jetzt auch ein hellerer Ton und ich sah Licht – mein Angreifer war wieder da und er schien mich zu suchen. Seine großen Scheinwerfer tasteten nur ein paar Meter von mir entfernt über das Wasser. Tja, Freundchen – so blöd, dass ich dir in den Lichtkegel schwimme, bin ich nicht! Ich versuchte, ganz flach an der Oberfläche zu bleiben, und verbarg mein Gesicht halb im Wasser, drehte den Kopf nur leicht seitlich, um atmen zu können.

      Das Brummen schien weg zu sein, aber dafür merkte ich, wie meine überforderten Beinmuskeln krampften. Und ich fror! Es war, als ob die Kälte des Sees durch meine Haut drang und die Muskeln auskühlte. Ob ich wärmer wäre, wenn ich nicht nackt wäre? Vorher, als ich ins Wasser gegangen war, war es angenehm gewesen, aber jetzt …

      Jetzt war mein Angreifer wieder aktiv. Er schien mich gesehen zu haben und steuerte auf mich zu. Ich wechselte vom Brustschwimmen zum Kraulen – und da vorne, der dunkle Schatten! Das könnte der Steg sein, von dem aus ich ins Wasser gesprungen bin! Wenn ich an den rankommen würde, könnte mir der Typ mit dem Boot nicht mehr folgen!

      Ich schaffte es nicht. Er schnitt mir den Weg ab und kam wieder auf mich zu. Ich wusste, dass ich eigentlich abtauchen sollte, aber gleichzeitig war mir klar, dass ich die Kraft nicht mehr hatte. Ich spürte Salz auf meinen Lippen und wusste: Das war nicht der See, sondern meine Tränen. Frust, Enttäuschung, Erschöpfung, Angst – ja, vor allem Angst. Und warum ist dieser Bootsfahrer hinter mir her? Ist das für ihn ein Späßchen? Er hat zufällig in dieser einsamen Bucht eine nackte Schwimmerin entdeckt und macht jetzt Jagd auf sie? Einfach so?

      Sehr zielsicher war er nicht, jedenfalls nicht, was den Steg anging. Er drehte zu spät ab, sein Boot schrappte an den Holzplanken entlang, eine flog in die Luft. Ich hoffe, er hat sich den Lack seiner Motorhaube schön zerkratzt!

      Vorher, als er eine besonders scharfe Wendung gefahren war, hatte ich eine Frau kreischen gehört. Veranstaltet der Typ die Jagd auf mich, um seiner Begleiterin zu imponieren? Wie pervers ist das denn? Wer kommt denn darauf, jemand anderen aus Jux und Tollerei in Gefahr zu bringen und in Todesangst zu versetzen? Andererseits kann so was wohl nur mir passieren! Romantischer Abend mit dem Ehemann, ein Bad im Mondschein – und ich werd dabei ersäuft!

      Die Kreise, die das Boot um mich zog, wurden immer enger. Ich musste gleich wieder abtauchen – und dabei war ich so kalt und müde! Und wo ist Lucas? Kann’s denn sein, dass er all das verschläft?

      Oh nein – da sind noch mehr Scheinwerfer! Mein erster Verfolger war südwestlich von mir, doch nun sah ich Licht aus Nordosten. Es war stärker als das meines ursprünglichen Verfolgers, näherte sich schnell und das dazu gehörende Motorengeräusch war ein sonores Brummen – genau das, das ich vorher schon gehört hatte. Und über dem Brummen das »swisch-swisch« einer Schraube – der, der da neu dazugekommen war, schien einen stärkeren Motor zu haben als Nummer eins.

      Nun drehte das Boot, das Kreise um mich gezogen hatte, ab und fuhr dabei in den Lichtkegel des Größeren. Ich erkannte zwei dunkle Gestalten in dem Speedboot.

      Eine elektrisch verstärkte Stimme tönte über das Wasser: »Hier spricht die Polizei! Stellen Sie den Motor ab. Wir kommen längsseits!«

      Das Polizeiboot schob sich zwischen mich und das Schnellboot, einer der großen Scheinwerfer vorne auf dem Bootshaus war darauf fixiert, der andere schwenkte langsam über das Wasser. Und da war noch eine Stimme und mein Herz schlug schneller! Das war Lucas, der da rief! »Vic, hierher! Komm zum Steg!« Ach, wenn ich nur wüsste, wo der Steg ist! Und wenn meine Arme und Beine nicht so schwer wären! Ich hab doch schon Mühe, mich über Wasser zu halten! Ich wälzte mich herum – ja, der dunkle Schatten da hinten könnte der Steg sein.

      Das Polizeiboot hob sein Licht und ich sah den Steg und darauf eine vertraute Gestalt. Lucas winkte und rief: »Komm – das schaffst du!« Seine Stimme machte mir Mut und ich biss die Zähne zusammen und schwamm auf den Steg zu.

      Aber jetzt hörte ich wieder einen kleineren Motor und eine schnellere Schraube – kommt etwa der Verrückte auf mich zu? Will der mich vor den Augen der Polizei angreifen?

      Nein. Der Motor des Speedbootes heulte auf, die Schnauze hob sich hoch aus dem Wasser und die Doppelschrauben wühlten weiße Gischt auf. Mein Angreifer drehte eine elegante Kurve und dann hielt er auf das offene Wasser zu. Er haute ab – und ich konnte es nicht bedauern.

      Dafür kam ein anderes, kleineres Boot auf mich zu: Orange – ein Schlauchboot mit Außenbordmotor, zwei dunkle Gestalten darin. Einer hielt einen Ring und rief mir zu: »Vorsicht – Rettungsring kommt!« Ein weiß-roter Korkring kam auf mich zu und platschte neben mir ins Wasser. Ich warf einen Arm darüber, zog mich etwas näher daran, sodass ich den zweiten Arm darüber hängen und ausruhen konnte. Welch ein Luxus, diesen Ring zu haben, der mich trug und dafür sorgte, dass mein Kopf über Wasser blieb! Ich entspannte die Arme, legte das Kinn auf den Ring – erst mal verschnaufen. Gedanken darum, wie ich auf den Steg komme? Gleich. Jetzt erst einmal verschnaufen.

      »Frau Benning, halten Sie sich gut fest – wir ziehen Sie zu uns her!«

      Ich hatte gar nicht gemerkt, dass der Rettungsring an einem Seil hing. Es wurde jetzt eingeholt, der Ring schien sich zu wehren, kam an einer Seite hoch, aber ich klammerte mich daran und mein Gewicht zog ihn wieder runter und dann war ich schon am Schlauchboot und zwei kräftige Hände fassten nach meinen. »Sehr gut!«, lobte der Polizist, der in einem orange-weißen Schutzanzug im Boot kniete. »Ich ziehe Sie jetzt vollends raus, ja?« Er beugte sich vor, ließ seine Hände an meinem Arm hinauf wandern, griff unter meine Achseln und mit einem Ruck zerrte er mich über den Gummiwulst ins Boot. Der Boden darin war weich, aber nass und kalt. Ich rollte mich zusammen und schloss die Augen, tiefe Erleichterung flutete durch mich und gleichzeitig war ich so, so müde! Aber der Polizist hatte die Hand auf meinem Arm und zerrte. »Können Sie sich aufrichten?«

      Eigentlich wollte ich nicht. Ich wollte liegen bleiben und froh sein, dass ich nicht mehr schwimmen musste. Allerdings war mir schrecklich kalt und mein vernebeltes, erschöpftes Hirn sagte, ich solle dem Polizisten gehorchen. Er würde bestimmt eine Decke oder so etwas haben, irgendetwas Warmes. Und da legte er schon ein Tuch um mich, und als ich mich mehr aufrichtete, rubbelte er meinen Rücken und fragte: »Was war das denn? Wir dachten zuerst, das war ein blöder Scherz, aber der Typ war ja tatsächlich und ganz ernsthaft hinter Ihnen her! Waren Sie mit dem auf dem Motorboot oder wie ist das passiert?« Er wickelte das ganze Tuch um mich, sein Kollege unterdessen hatte das Schlauchboot in eine elegante Kurve gelegt und fuhr auf das große Polizeiboot zu, das am Steg angelegt hatte.

      Ich schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein, ich kenne den nicht und war auch nicht bei dem an Bord. Ich wollte nur ein bisschen schwimmen und abkühlen und plötzlich war der da und wollte mich überfahren!« Warum klapperten mir jetzt die Zähne? Ich fror immer mehr, obwohl der Polizist mich in eine graue Decke gewickelt hatte.

      Das Schlauchboot war bei seinem Mutterschiff angekommen,

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