Mord bei den Festspielen. Sibylle Luise Binder
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Читать онлайн книгу Mord bei den Festspielen - Sibylle Luise Binder страница 6
»Glaubst du, seine Familie steht auch auf der Liste derer, die ihn gerne im See ersäufen würden?«
»Hoffentlich tut das niemand! Der See ist Trinkwasserreservoir für halb Süddeutschland inklusive Stuttgart!«, stellte Lucas fest und legte den Arm um mich. »Aber könntest du es den Miercoledi-Damen verdenken? Du würdest ihn wahrscheinlich schon nach einer Woche erschlagen! Giulia hält ihn schon 28 Jahre lang aus.«
»Kannst du mir verraten, warum? Ich weiß, in Italien sind Scheidungen immer noch sehr langwierig und teuer …«
»Teuer ist das Stichwort, mein Herz!«, gab Lucas zurück. »Vor einigen Jahren war Mario mal ernsthaft verliebt und hat über Scheidung nachgedacht. Aber dann hat ihm sein Anwalt vorgerechnet, was der Spaß kosten würde. Darauf hat er beschlossen, dass er doch nicht ohne Giulia leben kann.«
Ich gestehe, dass ich ab und zu ein bisschen Szenentratsch durchaus schätze. Lucas behauptet sogar, mein Busenfreund Mischa und ich seien wie neapolitanische Marktweiber, wenn wir wieder mal das »Wer-mit-wem« der Branche verhackstücken. Aber dadurch bin ich immer gut informiert und mir fiel etwas zu Lucas’ Geschichte ein. »War das nicht diese brünette Mezzosopranistin, die bei Operata rumgeturnt ist? Elizabeth Cranmer oder so?«
Lucas steuerte die Beifahrerseite seines Jaguars an – zu seinen vielen guten Eigenschaften gehört, dass er sich nicht einbildet, aufgrund des Besitzes eines Y-Chromosoms ein besserer Autofahrer als jede Frau zu sein. Deswegen lässt er meist mich fahren. Gleichzeitig aber korrigierte er mich: »Falsch, Frau Professor!« Er grinste. »Elizabeth Cranmer ist der zickige Alt, der mich in München als Penelope fast in den Wahnsinn getrieben hat. Ihr hat MM den zweiten Sohn zu verdanken.« Er schnallte sich an.
Ich war auf der Fahrerseite eingestiegen und ließ jetzt den Motor an. »Ja, war das nicht der potenzielle Scheidungsgrund?«
»Nein.« Lucas schüttelte den Kopf, lehnte sich zurück und schlug die langen Beine übereinander. »So bescheuert, mit einer so neurotischen Zicke leben zu wollen, ist er nicht.«
»Aber was hat seine Frau denn zu dem außerehelichen Knaben gesagt?« Ich steuerte das Auto auf die Straße und musste gleich an einer Ampel halten.
»Ausführliches!«, antwortete Lucas trocken. »Es hat ihn einen dicken Klunker und einen Mottenfiffi – wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Silbernerz – gekostet, bis sie sich mit ihm versöhnt und mir erklärt hat, dass sie ihn eben liebe. Außerdem wolle ein Mann eben Söhne und sie habe ihm nur Töchter geboren. Ergo hat sie ihm gleich zweimal verziehen.«
Ich verdrehte die Augen. »Nur zur Information: So sehr, dass du mich als Fußabtreter nutzen dürftest, liebe ich dich nicht!«
»So wollte ich auch nicht geliebt werden!«, stellte Lucas fest. »Und ich beabsichtige auch nicht, außereheliche Kinder zu zeugen.« Er grinste. »Das wäre mir zu teuer! Klunker und Pelz für dich, Anwaltskosten wegen Anerkennung …«
»Hat Miercoledi etwa abgestritten, dass er der Vater ist?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, mein Herz. Er führt seine illegitimen Sprösslinge gerne vor. Mit dem von Madame Cranmer ist es kein Problem. Der lebt zwar bei Mama in München, aber er macht ja öfter mal Urlaub bei Papi und seiner Familie. Beim anderen ist es allerdings schwierig. Dessen Mutter hat nämlich einen Ehemann, der darauf besteht, dass der Knabe seinen Lenden entsprungen ist. Dagegen wollte Mario klagen. Man hat ihm dann aber klargemacht, dass er da nicht den Schatten einer Chance hat. Nun beklagt er gerne, dass man ihm seinen Sohn vorenthalte …«
»Verhältnisse sind das!«, staunte ich. »Dagegen sind wir richtig langweilig.«
»Tja …« Lucas grinste schräg. »Das kommt davon, wenn man eine Pfarrerstochter und Kantorin heiratet.«
Ich streckte ihm die Zunge heraus. »Du wärst der Richtige für solche Abenteuer! Wer war’s denn, der mir einst schon nach ein paar Wochen erklärt hat, dass er keine ›g’schlamperten Verhältnisse‹ mag?« Wir waren auf der Seepromenade und Lucas legte seinen Arm um meine Schulter. Er ist 19 Zentimeter größer als ich, darum passe ich unter seine Achsel und kann selbst meinen Daumen ganz gemütlich in die hintere Gürtelschlaufe seiner Jeans hängen. »Aber hast du nicht erwähnt, dass Mario einmal kurz vor der Scheidung stand?«
»Zweimal«, korrigierte Lucas. »Das erste Mal war die Mutter des unehelich geborenen Knaben. Die sah Mario als die ganz große, schicksalhafte Liebe. Der Haken war nur: Sie empfand es nicht so. Sie war eine Prinzessin mit einem Stammbaum bis zurück ins alte Rom und sie hatte nie die Absicht, sich scheiden zu lassen, um sodann eine bürgerliche Signora Miercoledi zu werden. Sie hat ihn in die Wüste beziehungsweise zurück zu seiner Giulia geschickt.«
»Und dann kam diese Elizabeth Cranmer?«, erkundigte ich mich neugierig.
»Nein«, widersprach Lucas. »Wegen der wollte er sich nicht scheiden lassen. Das war nur eine Affäre und das sah er damals auch so.«
»Obwohl sie ein Kind von ihm hatte?«
»Ja. Aber dann gab es noch das Sopran-Quietschie: Katia Ulanova. Wegen der wollte er Giulia verlassen.«
»Moment!« Ich wuschelte mit der freien Hand durch mein kurzgeschnittenes, dunkles Haar. Der Name war mir vertraut, aber es brauchte einen Augenblick, bis ich ihn zuordnen konnte. »Die war doch bei Operata!« Und dann fiel mir noch etwas ein. »… und mindestens 20 Jahre jünger als Miercoledi!«
»32, Herzchen.« Lucas verdrehte die Augen. »Aber das ist bei manchen Männern kein Hinderungsgrund, sondern eine Empfehlung. Wie kann man seine Männlichkeit besser unter Beweis stellen als mit einer sehr jungen Frau?«
Er war stehen geblieben und schaute auf den See hinaus, in dessen ruhigem Wasser sich der Mond als silberne Scheibe spiegelte. Ich drehte mich in seinem Arm, lehnte den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. »Hilf mir mal drauf – du warst doch Jurymitglied bei Operata, nicht?« Obwohl ich als Kirchenmusikerin nicht mit Oper befasst war, hatte ich zumindest die Resultate des großen internationalen Sängernachwuchs-Wettbewerbs Operata immer mitbekommen. Und natürlich wusste ich auch, dass Operata das Werk von Miercoledi war. Er ließ schließlich keine Gelegenheit aus, »seinen« Wettbewerb bei Facebook, Twitter, Instagram und wo immer es sonst ging abzufeiern.
Lucas brummte ein ablehnendes »Hmm«.
Ich war neugierig und bohrte nach. »Du warst aber nur in den ersten Jahren dabei, nicht? Warum bist du so schnell wieder ausgestiegen?«
»Wegen Katia Ulanova«, gab er Auskunft.
»Warst du nicht auch begeistert von ihr?«
»Nein«, sagte er kurz und knapp. »Sie hat eine tolle Figur, aber die Stimme ist Durchschnitt und rechtfertigte in keinem Fall den ersten Preis, den Mario ihr zuschustern wollte. Ich sagte ihm, dass er Operata damit zur Farce und die Jury zu Clowns mache. Und nachdem ich gestreikt hatte, haben dann auch die anderen protestiert.«
»Ich fand sie auch nicht so großartig«, erinnerte ich mich. »Das Abschlusskonzert kam im Fernsehen, da sang sie mit dieser etwas rundlichen Ungarin das Duett ›Mira o Norma‹