Mord bei den Festspielen. Sibylle Luise Binder
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Ich erinnerte Lucas nicht daran, dass er 16 Jahre älter als ich ist, sondern verwies stattdessen auf meine Eltern, die bei 19 Jahren Altersunterschied über 40 Jahre gut miteinander gelebt hatten.
Lucas zuckte mit den Schultern. »Ich vermute, dass deine Eltern sich geliebt haben. Bei dieser jungen Dame hatte ich allerdings den Eindruck, dass sie mehr an ihrer Karriere als an Mario interessiert war. Darum nahm sie ihm sehr übel, als er sie abservierte. Er hat sich dann nicht mehr um Engagements für sie bemüht und so wurde es nichts mit ihrer internationalen Karriere. Sie war so ein typischer Fall von jemandem, der es immer wieder an große Häuser schafft – aber eben nur einmal. Inzwischen ist ihr allerdings ein reicher Bauunternehmer aus der bayerischen Provinz zugelaufen, den sie dann geheiratet und dem sie einen Erben beschert hat. So ganz glücklich scheint sie dabei aber nicht zu sein. Sie reist immer noch in der Szene rum, beklagt ihre verlorene Karriere und verflucht Mario, der ihr Leben verpfuscht habe.«
»Und sie war daran nicht auch beteiligt?« Ich schüttelte den Kopf. »Manche Leute machen es sich einfach. Man muss halt immer einen finden, dem man die Schuld zuschieben kann!«
»Tja …« Lucas atmete tief durch. »Mario hat sich in der Geschichte aber tatsächlich nicht mit Ruhm bekleckert. Er hatte ein Penthouse in Wien gekauft und sein G’spusi da etabliert. Dann ging er zum Anwalt, und als der ihm vorgerechnet hat, was er bei der Scheidung von Giulia alles drangeben müsste, bekam er das Fracksausen. Er ist – wahrscheinlich direkt vom Anwalt aus – zum nächsten Juwelier gerannt, hat einen ganz dicken Klunker gekauft und ist bei Giulia zu Kreuze gekrochen. Fräulein Ulanova unterdessen bekam Post vom Anwalt – damit hat Mario die Beziehung beendet. Und weil’s in einem Aufwasch ging, wurde sie dann auch gleich aufgefordert, die Wohnung zum Quartalsende zu verlassen oder ab sofort die ortsübliche Miete – und die war saftig – zu bezahlen.«
»Junge, Junge!« Ich konnte nur noch staunen. »Darauf, den Anwalt dafür einzuspannen, muss man erst einmal kommen!« Lucas hatte offenkundig genug vom Mond im See gesehen und ging langsam weiter, wobei er mich an die Hand nahm. Ich war immer noch mit dem Schicksal der Miercoledis befasst: »Dass seine Frau ihm die unehelichen Kinder und die Geschichte mit Ulanova verziehen hat, ist eigentlich unfassbar. Und wer weiß, was er sonst noch alles angestellt hat!«
»Ich weiß es teilweise. Leider!«, schnaubte Lucas. »Giulia dagegen wollte es nicht so genau wissen.«
Ich konnte nicht anders. Ich blieb stehen, schaute ihn an und fragte provokant: »Und du? Du warst jahrelang sein Partner und er schwärmte doch immer davon, wie schön es sei, mit einem Freund zu arbeiten, und dass ihr aufeinander eingeschossen wäret wie ein altes Ehepaar. Ich erinnere mich an ein Fernsehinterview – ich glaub, es kam aus Salzburg, wo ihr zusammen ›Manon‹3 gemacht habt …«
»Daran erinnere ich mich auch!«, knurrte er, zog die Augenbrauen zusammen, sodass sich über dem inneren Ansatz der linken eine tiefe Furche bildete und fragte: »Willst du jetzt wissen, ob unsere ›Männerfreundschaft‹ sich auch darauf erstreckte, gemeinschaftlich auf Abenteuertour zu gehen?« Er klang angesäuert.
Mein Blick glitt an ihm entlang, von den weichen, grau melierten Locken über die markante Nase, die sinnlichen Lippen und das energische Kinn über den breiten Schultern.
Wir sind im fünften Jahr verheiratet – und manchmal wundere ich mich, wie einfach es ist. Wir gehören sicher nicht zu den Paaren, die sich »nie« streiten. Ab und zu mal fetzen wir uns ordentlich und bei unser beider Temperament auch durchaus lautstark. Aber solche Gewitter gehen bald vorbei und hinterlassen keine Schäden.
Wir gehören zu den Paaren, für die »frisch verliebt« schwierig war, denn da standen uns noch mein Stolz und seine Sturheit im Weg. Darum hat unser erster Anlauf miteinander nur ein paar Monate gedauert. Dann haben wir uns zerstritten, sind auseinandergelaufen, haben anderweitig geheiratet – und ich habe mir dann jahrelang eingeredet, dass es pure Sentimentalität war, wenn mir bei seinem Auftauchen die Knie weich wurden und der Puls sich erhöhte.
Vor sechs Jahren haben wir uns wiedergefunden – beide nicht nur älter, sondern definitiv auch reifer geworden. Er hat seine Chauvi-Allüren abgelegt; ich bilde mir nicht mehr ein, dauernd meine Unabhängigkeit vorführen zu müssen. Und ich finde es heute nicht mehr »weicheierig« zuzugeben, dass ich ihn liebe und dass er der wichtigste Mensch in meinem Leben ist.
Ich bilde mir heute sogar ein, dass wir uns näher sind als andere Paare – schon allein durch unsere besondere Situation. Lucas ist manchmal neun Monate im Jahr auf Reisen. Vier Wochen in New York an der Metroplitan Opera für eine Wiederaufnahme, drei Monate in Sydney für eine neue Produktion, drei Wochen in Japan für eine CD, eine Tournee mit einem Orchester, eine eigene Inszenierung in Dublin. Und ich habe meinen Job bei der Zeitung gekündigt und mir einen halben Lehrauftrag als Musikwissenschaftlerin an der Stuttgarter Musikhochschule angelacht. Den kann ich blockweise abarbeiten – zum Beispiel, wenn mein Herr und Meister gerade mal in Stuttgart singt oder inszeniert.
Ansonsten reise ich mit ihm. Wenn er inszeniert, mache ich Assistenz; wenn er singt, schreibe ich Bücher. Das hat den Vorteil, dass ich beschäftigt bin, wenn er tagelang probt und erst abends total groggy in unser Übergangsheim kommt. Aber es gibt auch Wochenenden und die Zeiten, in denen die Inszenierung läuft und er nur alle zwei, drei Tage auftritt. In diesen Phasen bewährt sich dann, dass wir nicht nur Liebende, sondern auch Freunde sind und gemeinsame Interessen haben. Wir bummeln stundenlang durch Städte, besichtigen Schlösser, Kirchen und Museen; sitzen aber auch schon mal einen halben Tag auf einer Klippe, Lucas zeichnet, ich lese, wir beobachten die Natur. So oft es möglich ist, gehen wir zu den Pferden. Ich reite, Lucas schaut zu, beschmust Pferde oder fährt. Reiten ist nicht sein Ding – auf dem Pferd fühlt er sich immer noch unsicher. Aber der Kutschbock ist sein Revier und er hat inzwischen einige Fahrkurse absolviert.
Er war stehen geblieben und schaute einem Schwanenpaar zu, das mit seinen vier Kindern am Ufer entlangpaddelte. Ich schaute ihn prüfend an. Lucas mit seinem sinnlichen Mund über dem energischen Kinn ist immer ein attraktiver Mann gewesen und ich hatte seine Wirkung auf Frauen nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen erlebt. Dennoch hatte ich ihm immer vertraut – so sehr, dass es mich manchmal selbst irritierte und ich dachte: Bist du nicht total verblendet, einem Mann so vorbehaltlos zu trauen? Hast du aus deinen Erfahrungen nichts gelernt?
Ich hatte nach unserem schiefgelaufenen ersten Anlauf und vor meiner ersten Ehe eine Geschichte mit einem Celloprofessor absolviert – und darin zwei Jahre lang nicht bemerkt, dass er mich ständig nach allen Regeln der Kunst betrogen hatte. Als ich ihm draufkam, beschwor er, dass er nur mich liebe, aber ab und zu brauche er eben ein bisschen Abwechslung. Ich überließ ihn derselben – ich bin arrogant genug zu glauben, dass ich einen Mann ganz für mich verdiene und dass ich einem solchen auch genug sein sollte.
Doch es hatte wehgetan und ich hatte einige Zeit daran geknabbert. Dennoch vertraute ich Lucas – und das sagte ich ihm auch. Aber nach dem Gespräch über Miercoledi saß mir etwas quer und mein feinfühliger Mann bemerkte es, als wir Hand in Hand auf die Terrasse des Restaurants gingen. Wir setzten uns, bestellten unser Essen – Wildschweingulasch für mich, Bodenseefellchen für Lucas – und schauten eine Weile schweigend auf den in der Abendsonne glitzernden See hinaus. Unsere Getränke kamen, Lucas schenkte Riesling ein – und dann seufzte er: »Ich habe mich immer unbehaglich gefühlt, wenn Mario unsere ›Freundschaft‹