Alles Geld der Welt. Gerhard Loibelsberger

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Alles Geld der Welt - Gerhard Loibelsberger

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hielt sich Graf Stadion nicht lange mit Begrüßungs- oder Höflichkeitsfloskeln auf, sondern kam sofort zur Sache:

      »Rosenstrauch! Soweit ich mich entsinne, ist Er Geldverleiher, net wahr?«

      »Jawohl, Exzellenz.«

      »Ausgezeichnet. Ist Er liquid?«

      »Die Geschäfte könnten schlechter gehen …«

      Wann immer Antonius von Strauch in späteren Jahren diese Episode seinem Sohn, seiner Familie oder Freunden erzählte, machte er ein bekümmertes Gesicht und seufzte tief. Denn die gewaltige Summe von hunderttausend Gulden hatte er natürlich nicht verfügbar. Dennoch trieb er sie binnen einer Woche auf und ließ sie Graf Stadion zukommen. Ein Batzen Geld, den er zu einer Verzinsung von sieben Prozent an den Staat verlieh. Das war der erste entscheidende Schritt zur Gründung der späteren Privatbank A. Strauch. Ab diesem Zeitpunkt zählte er zum exklusiven Kreis der Finanziers des österreichischen Kaiserhauses sowie des österreichischen und ungarischen Hochadels. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg des Aaron Rosenstrauch hatte begonnen. Und während Salomon Rothschild die politischen und privaten Aktivitäten des Fürsten Metternich finanzierte, lieh Aaron Rosenstrauch dem Grafen Stadion, dessen Sohn und dessen adligen Freunden Geld. Als die Rothschilds 1817 das Adelspatent zugestanden bekamen und ein »von« in ihrem Namen führen durften, erblasste Aaron Rosenstrauch vor Neid. Als sie 1822 vom Kaiser schließlich sogar in den Freiherrenstand erhoben wurden, bekam er infolge von inbrünstig empfundenem Ärger und unermesslicher Missgunst einen leichten Schlaganfall. Sein Puls raste, sein Schädel war tagelang blutrot, Schwindel- und Ohnmachtsanfälle plagten seinen Körper, und als Folge zog er seit damals den linken Fuß etwas nach. Als er sich schließlich gesundheitlich erfangen hatte, begann er, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um ebenfalls in den Adelsstand erhoben zu werden. Himmel und Hölle im sprichwörtlichen Sinn, denn im Zuge seiner Bemühungen riskierte er sogar sein Seelenheil, indem er der Religion seiner Väter abschwor und vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertierte. Eine Tat, die er wie folgt kommentierte:

      »Ich will den Adelstitel. Auch wenn ich dafür muss schmoren Tausend Jahr in der Hölle.«

      Da Aaron Rosenstrauch keine halben Sachen machte, ließ er er auch gleich seinen Namen ändern. Mit Bedacht wählte er Antonius als seinen christlichen Taufnamen. Schließlich war Antonius jener Heilige, an den man sich wendete, wenn man etwas Verlorenes zurückgewinnen beziehungsweise wiederfinden wollte.

      »Möge der heilige Antonius mir allzeit beistehen, dass ich gutes Geld, was ich verleih’, auch zurückbekomm’.«

      Mit der Taufe verband er eine Änderung des Familiennamens. Er ließ die ersten beiden Silben streichen, und so wurde aus dem jüdischen Geldverleiher Aaron Rosenstrauch der katholische Bankier Antonius Strauch. Dieser Schritt erschloss ihm eine Reihe von neuen, vor allem magyarischen Kunden. Das war kein Wunder, schließlich wusste alle Welt, dass große Teile des ungarischen Adels antisemitische Ressentiments hegten. Eine Tatsache, die ihm ein ungarischer Magnat unverblümt ins Gesicht sagte:

      »Ich mag keine Juden. Da Er sich aber hat taufen lassen, ist Er ein christlicher Jud’ und somit unser Jud’.«

      Das Konvertieren zum christlichen Glauben ermöglichte Antonius Strauch, Grundbesitz zu erwerben. Ein Recht, das Juden in Wien, mit wenigen Ausnahmen und Unterbrechungen, bis 1860 nicht zugestanden worden war und worauf sogar der mittlerweile steinreiche Salomon Rothschild jahrzehntelang hatte warten müssen. Erst 1843, als er zum Ehrenbürger der Stadt erklärt wurde, konnte Salomon Rothschild in Wien Grundbesitz erwerben. Antonius von Strauch hatte für Salomon Rothschilds Festhalten am mosaischen Glauben nur Kopfschütteln über. Während dieser als Jude sein Geld nur in Aktien und Wertpapiere anlegen konnte, investierte Strauch massiv in Immobilien. Dafür hielt er sich an der Börse zurück und verlieh auch nicht an Krethi und Plethi Geld, sondern nur an seine altbewährte adelige Klientel. Dies führte dazu, dass das Bankhaus A. Strauch bei Weitem nicht so gewaltige Dimensionen und Umsätze hatte wie das der Rothschilds. Antonius von Strauch arbeitete lieber leise und wenn möglich im Verborgenen. Seine Leidenschaft war das Horten von Immobilien. Immer wenn er eine Liegenschaft erworben hatte, murmelte er:

      »Ich bin doch nicht meschugge, dass der Herrgott meine Geschäfte behindert. Ein Herrgott ist so gut wie der andere. Aber jede Immobilie ist und bleibt einzigartig.«

      Als im Frühjahr 1848 die Revolution in Wien ausbrach, begleitete Antonius von Strauch die kaiserliche Familie in ihr Exil nach Innsbruck. Dort knüpfte er noch engere Kontakte zum kaiserlichen Hof, indem er den hohen Herrschaften in ihrer Not Finanzhilfe gab. Dies war ihm im Gegensatz zu Salomon Rothschild und anderen Wiener Bankiers möglich, da er mittlerweile ertragreiche Immobilien in Ober- und Niederösterreich sowie in der Steiermark besaß. Zu dieser Zeit lernte er auch den jungen Erzherzog Franz Josef kennen, der im Herbst 1848 als Regent die Nachfolge seines Onkels Ferdinand antrat.

      »Ja, mein Herr Papa hat schon einen guten Riecher fürs G’schäft und die richtigen Freunderln gehabt«, seufzte Heinrich von Strauch, als er die harten, nunmehr leblosen Gesichtszüge seines Vaters anstarrte. Ein Klopfen an der Tür des Aufbahrungsraums riss ihn aus der Fortführung seiner Erinnerungen. Er strich mit der Hand über sein Gesicht, atmete tief durch und sagte leise:

      »Ja, bitte.«

      Die Tür wurde geöffnet, Jean, der Kammerdiener des Vaters, trat ein, verbeugte sich und sagte:

      »Herr Baron, Ihr Herr Schwiegervater wünscht Sie zu sprechen.«

      Heinrich von Strauch atmete erneut tief durch und dachte: Jössas na! Den hab’ ich gerade noch gebraucht. Laut sagte er aber:

      »Sag Er ihm, ich sei außer Haus gegangen.«

      Jean verbeugte sich neuerlich und replizierte:

      »Herr Baron, Sie mögen bedenken, dass Ihr Herr Schwiegervater von Ihrer Frau Gemahlin unterrichtet worden war, dass Sie hier seien und dass der Zeitpunkt günstig für einen Kondolenzbesuch sei.«

      Möge, sei, seien … Wie er diese Konjunktive hasste. Himmelherrgott, man hatte nicht einmal etwas Ruhe, wenn man Totenwache am Sterbebett seines Vaters hielt. Immer hieß es: Möge er doch, sollte er doch, wäre es angeraten. Mit ausdruckslosem Gesicht starrte er eine Zeit lang vor sich hin. »Ins Narrenkastl schaun« hatte sein Vater diese Angewohnheit genannt. Mein Gott, wie oft hatte er ihn deshalb gemaßregelt.

      »Heinrich, reiß dich zusammen. Man schaut nicht ins Narrenkastl. Das tut man nicht. Das ist nichts als verlorene Zeit. Wenn dich wer so sieht, denkt er, du seist meschugge.«

      Seist! Schon wieder so ein Konjunktiv. Er atmete neuerlich tief durch. Die Luft in der Kammer war stickig. Nicht zuletzt wegen der unzähligen Kerzen, die hier brannten und die zum Teil bereits verloschen waren. Der Rauch, den sie beim Absterben von sich gegeben hatten, war würzig und bitter und vermischte sich mit dem merkwürdigen Odeur, das vom Körper des Toten ausging.

      Plötzlich musste er schmunzeln. Der Geruch ging nicht von dem Toten, sondern von seinem Frack aus. Da sein Herr Papa in den letzten Jahren an keinerlei Festivitäten mehr teilgenommen hatte, war das gute Stück lange Zeit verwaist im Kleiderschrank gehangen. Eingebettet zwischen Kampferkristallen und Lavendelbüscheln. Heinrich von Strauch schüttelte die Erinnerungen ab, räusperte sich und sagte:

      »Er soll eintreten, der Herr Schwiegerpapa.«

      *

      Der

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