Data Leaks (1). Wer macht die Wahrheit?. Mirjam Mous
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Data Leaks (1). Wer macht die Wahrheit? - Mirjam Mous страница 7
Ich versuche, die Luke mit der Schulter hochzudrücken. Das Holz stöhnt und knarrt, gibt aber nicht nach. Ich brauche einen Stock, um die Luke aufzubrechen, oder noch besser: ein Beil, damit ich das ganze Ding zertrümmern kann. Aber das habe ich leider nicht mit.
Widerwillig gehe ich in den Tunnel zurück. Den Beutel lasse ich stehen. Ich nehme nur die Lampe mit und folge dem ausgerollten Faden auf dem Boden. Mein Schatten begleitet mich wie ein dunkles Gespenst und meine Fußgelenke fühlen sich an wie zerbrechliche Zweige. Trotz der Wärme überläuft es mich kalt.
Stell dich nicht so an, sagt Pa. Du weißt den Weg und du kennst die Höhle.
Trotzdem empfinde ich eine gewisse Erleichterung, als ich die Plane hängen sehe. Ich schiebe sie beiseite und stolpere in den Schutzkeller. Erneut laufe ich die langen Konservenreihen ab und komme am Regal mit den Waffen vorbei. Als wäre ich zurück auf Los.
Beim Werkzeugregal bleibe ich stehen. Auf die Schnelle kann ich kein Beil entdecken. Übrigens auch keinen Stock. Aber Moment …
Da liegt tatsächlich ein Brecheisen!
Mit neuem Mut gehe ich in den Tunnel zurück. Wenn ich das Brecheisen schwenke, ist mein Schatten noch beängstigender als vorhin. Nur kann ich jetzt darüber kichern.
Die Abenteuer von Holden, dem bewaffneten Gespenst.
Entschlossen gehe ich erneut die Stufen hinauf und klemme den Fuß des Brecheisens in den Spalt neben der Luke.
Und jetzt mit Kraft.
Ein Krachen und dann –yeah! – breche ich plötzlich durch die Luke. Das Loch ist groß genug, um die Hand durchzustrecken. Ich ertaste ein unverwüstliches Hängeschloss, aber – Shit, Shit, Shit – keinen Schlüssel.
Erneut rücke ich dem Holz mit dem Brecheisen zu Leibe. Drücken. Rütteln. Manchmal muss ich kurz innehalten, um mir den Staub und die Splitter aus dem Gesicht zu wischen, aber ich bleibe hartnäckig und zerbrösele die gesamte Luke Stück für Stück und dann endlich, endlich – da ist sie wieder, die Außenwelt!
Ich lasse das Brecheisen fallen. Den Beutel im Arm, die Augen vor dem grellen Licht zugekniffen, trete ich ins Freie. Oder eigentlich bin ich auch noch ein bisschen drinnen, denn ich stehe zwischen den Resten eines Hauses! Das Dach ist komplett verschwunden und die Mauern sind von Efeu überwuchert. Der verrottete Fensterrahmen hat keine Scheibe mehr und die Tür ist aus den Angeln gebrochen. Ich spähe durch die Öffnung in die Ferne, die Hand zum Schutz vor der Sonne über den Augen.
Ja, dahinten ist das Verbotsschild, an dem ich vorbeikam, als ich das Gelände betreten habe!
Obwohl mein großer Zeh pocht, als hätte er ein Herz, und meine Hüfte und die Knöchel ziemlich heftig stechen, fühle ich mich fantastisch. Schwungvoll werfe ich mir den Stoffbeutel über die Schulter, benutze die Tür als Laufsteg und humpele durch das Gras in Richtung Wildrost.
In Gedanken fliege ich. Ich lebe noch und ich habe eine Schatzkammer entdeckt.
Prissy
Das ist kein guter Moment für ein Gespräch über ein Kostüm von Colourcompany.
Mama sitzt mit einem Beruhigungsshake und ihrem Camphone am großen Tisch im Wohnzimmer. Die halbe Stadt hat sie abtelefoniert, in der Hoffnung, jemand könnte Holden getroffen haben. Mitschüler, Nachbarn, Familie.
»Vielleicht hat er ja eine Freundin?«, überlegt sie. »Dann ist er vielleicht bei ihr.«
»Klar, Mama«, sage ich matt.
Ich meine: Trägt sie Scheuklappen, oder was? Holden bringt nie jemanden mit nach Hause, weil er keine Freunde hat. Geschweige denn ein Date mit einem Mädchen.
Mein Camphone pingt.
»Holden?«, fragt Mama angespannt.
Ich starre auf die Nachricht auf meinem Display: Toll, dass du mich doch nicht blockiert hast.
»Jemand von der Schule«, lüge ich sie an, während ich merke, wie mir die Gänsehaut über den Hinterkopf kriecht.
Hat Mo das Gespräch mit meinen Freundinnen belauscht? Aber das kann nicht sein. Ich war allein in meinem Zimmer. Der Totenkopf mit den Mangaaugen sieht mich durchdringend an. Und dann kapiere ich es plötzlich. Dieser Mistkerl hat mein Camphone gehackt, damit er mich ausspionieren kann!
In einem Reflex schalte ich mein Gerät aus. Für drei Sekunden fühle ich mich sicher, bis ich an den Jungen im Schwimmbad denke. Als Xavi fast auf mich sprang, lag mein Camphone in meinem Schließfach – und trotzdem hat Mo es gesehen. Offenbar beobachtet er mich unablässig – egal, ob offline oder online.
Die Gänsehaut breitet sich über meinen ganzen Körper aus. Vielleicht beobachtet Mo mich in diesem Augenblick auch heimlich. Durch das Fenster suche ich die Straße ab und …
Da kommt Holden! Er trägt einen unförmigen Beutel über der Schulter. Ich vermute, da ist etwas Megaschweres drin, denn er bewegt sich noch langsamer als ich auf meinen Wolkenkratzer-Schuhen – einem Fehlkauf mit Zehn-Zentimeter-Absätzen und nur für Partys geeignet, bei denen man den ganzen Abend auf seinem Stuhl sitzen bleiben kann.
Ich wummere gegen die Scheibe.
Holden scheint kurz zu erschrecken und hebt dann die Hand.
»Du kannst wieder ruhig durchatmen«, sage ich zu Mama. »Er ist da.«
Sie eilt zur Haustür, aber Holden geht hintenrum.
»Er nimmt den Weg über die Küche!«, rufe ich.
Holden kommt ohne Beutel rein.
»Wo warst du?« Mama lacht und weint und drückt seine Schultern und Arme, als wäre er nur ein Traum. »Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht.«
»Tut mir leid«, sagt Holden. »Ich bin gestürzt.«
Und stundenlang bewusstlos gewesen, was?
»Sag doch einfach, dass du nicht zur Therapie wolltest.« Hinter mir summt der Kühlschrank. Als ich einen kurzen Blick zur Seite werfe, drängt sich das blinkende Display in mein Gesichtsfeld – laut der orangefarbenen Buchstaben sind die Jelly-Yummys fast alle und müssen dringendst nachbestellt werden.
»Glaubst du mir nicht?« Holden zieht sein T-Shirt hoch, den Hosenbund ein Stück runter und zeigt uns seine blaugrün verfärbte Hüfte.
»Schatz!«, ruft Mama erschrocken. »Wir gehen sofort zur Ambulanz!«
»War ich schon.« Holden lässt sein T-Shirt wieder fallen. »Darum bin ich ja so spät.«
»Warum hast du dann nicht einfach angerufen?«, fragt Mama.
»Nicht erlaubt. Da hingen überall Warnhinweise, man müsste das Camphone ausschalten.«
Zum Glück lehne ich am Kühlschrank, sonst wäre ich vor Verblüffung nach hinten getaumelt. In so einem Fall würde der echte Holden sein Gerät erst recht einschalten. Das ist nicht mein Bruder, sondern ein Klon.
»Na