Der Mörder. Georges Simenon

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Mörder - Georges Simenon страница 5

Der Mörder - Georges  Simenon Die großen Romane

Скачать книгу

wird es geschehen‹, nahm er sich vor.

      Und er dachte so heftig daran, dass er fürchtete, halblaut gedacht zu haben.

      »Kuperus! …«, rief jemand.

      Er sollte bei einem verwickelten Coup den Schiedsrichter spielen. Tröge voll warmer Asche unter den Billardtischen sorgten dafür, dass das Holz nicht arbeitete.

      »Kees behauptet, sein Partner hätte …«

      Er hatte das Spiel nicht verfolgt. Er ließ sich das Vergnügen nicht entgehen, die vorgelegte Frage gegen den gesunden Menschenverstand zu entscheiden. Außerdem war Kees ein Freund Schutters!

      »Kees hat unrecht … Ich komme oft genug nach Amsterdam, und dort würde man sich über einen Coup wie diesen hier gar nicht erst streiten.«

      Kees hatte unrecht und fiel in der Meisterschaft um drei Plätze zurück.

      Das war ein erster Sieg!

      »Gute Nacht … Meine Frau wird sich schon Gedanken machen …«, gelang ihm zu behaupten.

      Sie alle waren derart behext, dass sie weiterhin glaubten, es sei Mittwoch und seine Frau warte tatsächlich auf ihn …

      Während Doktor Kuperus draußen die Zugbrücke überquerte, dachte er nur noch daran, wie Neel ihm die Tür öffnen würde, im Nachthemd, den braunen Mantel über die Schultern geworfen und ganz sicher barfuß!

      2

      Kuperus hatte schon erlebt, an Bord eines Schiffes zu erwachen, unter anderem während einer Kreuzfahrt nach Spitzbergen, und beim ersten Mal hatte er, als er seine Augen öffnete, das Gefühl der Orientierungslosigkeit genossen, hatte sich immer wieder gesagt, dass er sich auf hoher See befand und an Bord eines Linienschiffes dem Eismeer entgegenfuhr.

      Was sollte er von dem jetzigen Abenteuer halten? Es musste sieben Uhr sein, denn es wurde allmählich hell, und man hörte schon die Arbeitslosen Schnee von den Gehsteigen schippen. Kuperus schlug die Augen nicht ganz auf: Gerade so viel, um das vertraute Grau in Grau des Zimmers, seines Zimmers, in sich aufzunehmen.

      Er hörte ganz nah bei sich ein Atmen. Jemand schlief, und dieser Jemand war nicht Alice Kuperus, sondern Neel, das Dienstmädchen! Es war Neels warmes Bein, das sein Bein berührte!

      Was war nur aus seiner Welt geworden? Von nun an konnte Kuperus jeden Tag und jede Nacht Neel bei sich haben, oder jedes Mal eine andere Neel …

      Er fragte sich, was sie tun würde. Würde sie die Gelegenheit nutzen und sich einen ausgedehnten Vormittagsschlaf gönnen? Oder würde sie sich wie gewöhnlich verhalten?

      Ihr Atemrhythmus änderte sich; sie stieß einen Seufzer aus, streckte einen Arm aus und machte Bewegungen, als wollte sie sich noch tiefer in die Decken verkriechen, doch bald streckte sie das eine Bein aus dem Bett, dann das andere.

      Sicher bewegte sie sich nicht anders als sonst, wenn sie in ihrer Mansarde erwachte. Sie wirkte unausgeschlafen mit ihren trüben Augen und ihrem trägen Fleisch. Sie sah Kuperus an, der sich schlafend stellte, setzte sich auf den Bettrand, begann ihre Strümpfe und einen Hüftgürtel anzuziehen.

      Ohne sich zu waschen, ging sie schließlich hinaus, und er hörte, wie sie in der Küche Feuer machte und dann den Kaffee zubereitete.

      Alice Kuperus, sie war ein für alle Mal tot! Schutter war tot!

      Wusste Neel von ihrem Verhältnis? Als er am Vorabend nach Hause gekommen war, hatte er sie, und er staunte selbst, wie gut er diese Komödie spielte, gefragt:

      »Ist Frau Doktor schon zu Bett gegangen?«

      Denn er musste annehmen, dass seine Frau zu Hause in ihrem Bett war!

      »Frau Doktor ist nicht da«, hatte das Dienstmädchen geantwortet.

      »Was heißt das, ist nicht da?«

      »Ich glaube, sie hat ein Telegramm aus Leeuwarden bekommen … Ihre Tante ist sehr krank …«

      »Wann kommt sie zurück?«

      »Frau Doktor hat gesagt, morgen sei sie wieder zurück …«

      Und er wusste, dass sie nicht zurückkäme! Und Neel ahnte vielleicht bloß bei seinem Anblick, was nun auf sie zukommen würde! Der Beweis war, dass sie leise sagte:

      »Darf ich wieder nach oben gehen?«

      »Bring mir erst noch eine Tasse Tee in mein Zimmer …«

      Wenn man bedenkt, dass sie schon drei Jahre da war und dass er jedes Mal, wenn er allein mit ihr war, Anfälle von Begierde erlebte, und dass er es niemals gewagt hatte, sie anzufassen! Er war überzeugt, dass sie prüde, ja, unerfahren war!

      »Geh nicht gleich wieder weg …«, flüsterte er, als sie den Tee auf den Nachttisch stellte. »Komm her … Du brauchst keine Angst zu haben …«

      »Oh! Ich habe keine Angst …«

      O nein! Sie erlebte das nicht zum ersten Mal. Er aber war nervös, nicht nur ihretwegen, sondern wegen allem. Er hatte Grund zur Nervosität. Sie äußerte sich in einer Art Liebesfieber, und Neel hatte etwas Unerwartetes, Unglaubliches gesagt:

      »Wie leidenschaftlich Sie sein können!«

      Die Tür ging endlich auf. Neel stellte das Tablett mit dem Frühstück auf dem Nachttisch ab, zog die Vorhänge zurück und gab dabei den Blick auf schwarze Äste vor einem Schneehimmel frei. Sie hatte Zeit gefunden, sich ordentlich anzuziehen, ihre Haare waren gekämmt, sie trug eine saubere Schürze, und ihre rosigen Arme dufteten nach Seife.

      Doktor Kuperus hätte nicht zu sagen vermocht, ob sie ein hübsches Mädchen war. Sie hatte die breiten Backenknochen einer Bäuerin, und ihre Züge waren unregelmäßig. Ihr Körper besaß gewiss keine akademischen Proportionen, ihr Fleisch aber war so üppig und fest, dass er sie auch jetzt noch lüstern betrachtete.

      »Neel, wie viel Uhr ist es?«

      »Acht Uhr, Herr Doktor.«

      Sie hatte das im gleichen Ton wie an anderen Tagen gesagt, und das beruhigte ihn.

      »Hat es Frost gegeben?«

      »Nein, aber wir werden Schnee bekommen. Welchen Anzug wird Herr Doktor anziehen?«

      »Den schwarzen … Sagen Sie mal, Neel …«

      Manchmal duzte er sie, manchmal siezte er sie.

      »Herr Doktor?«

      »Finden Sie es nicht etwas komisch, in meinem Bett zu schlafen?«

      »Weshalb, Herr Doktor?«

      »Haben Sie vor mir schon viele Liebhaber gehabt? Hören Sie, Neel … Ich möchte gerne wissen, wann Sie damit angefangen haben, in welchem Alter …«

      »Mit fünfzehn, als ich Kindermädchen in Amsterdam war …«

      »Und seitdem?«

      »Seitdem

Скачать книгу