Der Mörder. Georges Simenon

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Der Mörder - Georges  Simenon Die großen Romane

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Jef schritt auf einem Parkett, das glatter war als jedes andere. Die Tische waren poliert. Für die Gläser gab es kleine Pappuntersetzer. Alles glänzte. Alles lebte in einer zufriedenen Stille, auch Loos, der Wirt, der sich, wenn er keine Gäste hatte, an dem viereckigen Ofen niederließ, seine Brille aufsetzte und stundenlang im Telegraaf las.

      Drei oder vier Männer konnten stumm beieinander sitzen. Nur ab und zu wurde ein Satz gesprochen. Es wurde geraucht. Manche, wie Van Malderen, hatten ihre Pfeife im Pfeifenständer und ihre Tabakdose hinter der Theke. Doch der Geruch von Zigarren herrschte vor, vermischt mit Geneverdunst.

      »Schutter ist nicht gekommen?«

      Das hatte Kuperus gesagt und sich dabei eine Pfeife angezündet. Durch den Glimmer sah er ins Feuer. Über dem großen, für Wettkämpfe benutzten Billardtisch mit seinen kunstvoll geformten Füßen brannten schon die Lampen.

      »Seit gestern hat er sich nicht blicken lassen …«

      Loos stocherte im Feuer herum und redete ohne Eile weiter, währenddessen er in kurzen Zügen weiterrauchte.

      »Das Merkwürdige dabei ist, dass sein Butler gerade hier war und mich fragte, ob wir nichts von ihm wüssten …«

      Van Malderen blinzelte. Er war derjenige in der Gruppe, der die meisten Witze auf Lager hatte, und er erzählte sie immer auf eine unheilschwangere Weise, die gut zu seiner Persönlichkeit passte. Denn er war mager und farblos, er kleidete sich absichtlich wie ein protestantischer Pastor.

      »Schon wieder eine Frau …«, seufzte er. »Ich für mein Teil kann da ganz ruhig sein. Frau Van Malderen ist so hässlich, dass man mir nie Hörner aufsetzen wird …«

      Und das stimmte! Und er war davon entzückt!

      »Wer spielt eine Partie mit mir?«, schlug Kuperus vor.

      »Um was spielst du?«

      »Einen Gulden …«

      Van Malderen nahm die Herausforderung an, beide zogen ihre Jacketts aus und schlangen Gummibänder um ihre Hemdsärmel. Jeder hatte sein eigenes Queue, das im Ständer festgeschlossen war.

      »Zweihundert Punkte!«

      Etwa in der Mitte des Spiels kamen zwei oder drei Kameraden dazu, darunter der Tabakhändler, der im Nachbarhaus wohnte und der sich einen Spaß daraus machte, einem bei der Begrüßung eine Zigarre in die Hand zu drücken.

      »Probier die mal …«

      Kuperus gewann. Eine Sechzigerserie für den Anfang … In einem großen Spiegel sah er sich spielen, und er konnte keine Bewegung machen, ohne sich dabei zu betrachten.

      Sich vorzustellen, dass er Schutter getötet hatte! An seine Frau dachte er weniger. Das war fast weniger schlimm. Und vor allem hatte es nur auf sein eigenes Leben Auswirkungen!

      Während Schutter! … Über ihn wurde gerade gesprochen, als man die Punkte zählte.

      »Der Bürgermeister hat mir gesagt, dass er sich in einem halben Jahr bei den Wahlen aufstellen lassen will …«

      »Auf welcher Liste?«

      »Auf der fortschrittlichen, natürlich!«

      Denn um sie zu ärgern, oder aus Snobismus, trug Schutter, der von einem Butler in weißen Handschuhen bedient wurde, revolutionäre Ansichten zur Schau.

      So war er eben!

      »Er ist ein Schwätzer …«, stieß Kuperus hervor und beugte sich über den Billardtisch.

      Er dachte: ›Er war ein Schwätzer!‹

      »Er ist ein außerordentlich intelligenter Mensch … Er macht, was er will … Was er auch anpackt, gelingt ihm … Wenn er kandidiert, wird er auch gewählt …«

      »Ich wette, dass er nicht gewählt wird!«

      Das war immer noch die Stimme von Kuperus, der eine neue Serie begann und gleichzeitig rechnete.

      »Ich denke doch, dass er Chancen hat … Der jetzige Abgeordnete ist zweiundsiebzig …«

      »Und Schutter?«

      »Er ist so alt wie ich …«

      Wieder Kuperus! Er konnte nicht anders. Und während er sprach, warf er einen Blick in den Spiegel, um seine Physiognomie zu studieren.

      Es war großartig! Er war bestens in Form! Die Schwellung vom Morgen war verschwunden. In den Mundwinkeln hatte er etwas wie den Schatten eines Lächelns, aber eines so undeutlichen Lächelns, dass nur er allein es wahrnehmen konnte.

      »Vierundvierzig?«

      »Sechsundvierzig …«

      »Er sieht jünger aus … Er pflegt sich freilich auch …«

      »Schon im Gymnasium«, behauptete Kuperus, »polierte er sich die Fingernägel und nahm täglich ein Bad …«

      Es war so weit! Zweihundert Punkte! Er hatte gewonnen und steckte den Silbergulden ein, den Van Malderen aus seinem Geldbeutel zog und dabei den Geizkragen spielte.

      »Ich werde etwas erfinden müssen, um meiner Frau diese enorme Ausgabe zu erklären«, seufzte der Anwalt.

      Es machte ihm Spaß, Theater zu spielen, denn jedermann wusste, dass seine Frau niemals wagen würde, ihm Vorhaltungen zu machen.

      »Ich weiß gar nicht, wo meine Frau steckt«, riskierte Kuperus zu sagen. »Das Dienstmädchen hat mir gesagt, dass sie ein Telegramm von einer Tante aus Leeuwarden erhalten hat und weggefahren ist …«

      Und Van Malderen antwortete:

      »Du Glücklicher!«

      Ihm wäre der anonyme Brief zuzutrauen gewesen! Kuperus hätte ihn aufbewahren sollen. Er hatte ihn in winzige Schnipsel zerrissen, die er dann verbrannte. Ja, Van Malderen war dazu fähig, allein um sich selber zu amüsieren. Und in diesem Fall würde er den Mund nicht aufmachen. Er wäre zufrieden, wenn er seine Überlegenheit genießen und dabei vielleicht ein paar zweideutige Sätze loswerden könnte wie vorhin sein ›Du Glücklicher!‹.

      Die Tür ging auf, und die Männer sahen sich auf eine eigentümliche Weise an, denn eine junge Frau kam herein, nahm hinten im Saal Platz, ohne sich an dem Rauch zu stören, der um die Lampen zog, und bestellte einen Likör.

      »Kann man hier essen?«, fragte sie.

      Jef bejahte, doch fast bedauernd. Die junge Frau war blond, blondiert, und sie war angezogen, wie sich keine Frau in Sneek jemals angezogen hätte. Ihre Lippen waren geschminkt. Ihre Absätze waren so hoch, dass man sich fragte, wie sie damit überhaupt gehen konnte. Der Gipfel war, dass sie ein goldenes Etui aus ihrer Handtasche herauszog und sich eine Zigarette anzündete.

      Dass sie aus Amsterdam kam, war offensichtlich. Belustigt und ohne die geringste Scheu schaute sie sich in dem Café um, in dem alles für Männer hergerichtet war, genauer gesagt, für echte Sneeker Bürger.

      »Sagen Sie, garçon

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