Haus im Grünen II. Ernst Friedrichsen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Haus im Grünen II - Ernst Friedrichsen страница 3
Auf einer Weide lag ein alter Baum, zum Teil entwurzelt. Seine dicken Äste ragten in den Himmel.
»Hier lasse ich die Sorgen gen Himmel fahren.« Er legte sich auf den Stamm, mit dem Rücken an einen Ast gelehnt, den Blick in die Wolken. »Komm, leg dich zu mir. Schließe die Augen, höre der Natur zu.« Er sagte kein Wort mehr. Nur der Wind rauschte in den Blättern und die Vögel sangen ihre Lieder.
Sie spürte, wie sich ihr Körper entspannte, als würde der Baum ihre Sorgen aufsaugen.
Durch ein Rütteln an ihrer Schulter wurde sie wach. »Oh, war ich eingeschlafen?«
»Nein, du warst in die Natur vertieft.«
»Das war ein seltsames Gefühl. Ich fühlte mich, als sei ich ein Teil der Natur. Ich habe keine Worte dafür. Bist du oft hier?«
»Einmal die Woche, dann aber abends in der Dämmerung. Das ist dann eine ganz andere Stimmung auf den Feldern. Dann ist die Natur richtig zu hören, alle Sinne sind dann wach. Man sieht kaum etwas, deshalb sind die Ohren besonders empfindlich. Das Gras wachsen hören ist kein Scherz. Dann verbringe ich hier Stunden. Ist das albern?« Er sah sie etwas unsicher an.
»Nein! Ich ziehe mich mit einem Buch zurück, um die Welt zu vergessen. Ist genauso albern.«
Er reichte ihr die Hand und half ihr vom Stamm.
In Bredstedt angekommen, zeigte er ihr die kleinen Gassen, in denen er als Schuljunge seinen Ulk mit den Anwohnern trieb.
»Klingelstreiche haben wir gerne gemacht.«
An einem Haus hielt er den Wagen an und stieg aus, lehnte sich gegen die Tür des Wagens, sah an der Fassade eines alten Gebäudes empor. Sie gesellte sich neben ihn.
»Mit diesem Haus hat es eine besondere Bewandtnis. Auch hier machten wir unsere Streiche. Es wohnte ein älteres Paar darin, die beiden leben schon lange nicht mehr. Der Alte erwischte uns. Er hatte sich auf die Lauer gelegt, weil er wusste, wann die Schule zu Ende war. Aber er war nicht zornig, wie die meisten. Er holte uns ins Haus und zeigte uns eine Art Bühne, auf der war mit kleinen Figuren die Geschichte der Bibel nachgestellt. Wir verpassten sogar unseren Bus, so spannend hatte er die Geschichten gemacht. Wir machten von da an weniger Streiche, weil wir oft bei den beiden waren. Ein Drittel der Stube machte die Bühne aus. Wir haben den Auszug der Israelis aus Ägypten immer wieder nachgespielt. Mich würde interessieren, ob es die Bühne noch gibt. Der Mann hatte auch aus der Bibel vorgelesen, ich denke, das hat meinen weiteren Weg beeinflusst und wohl dazu beigetragen, dass ich zur Polizei gegangen bin, wer weiß? Ist schon komisch, wie sich Dinge durch Ereignisse beeinflussen lassen. Oh, ich werde melancholisch.«
Sie sah ihn an und schmunzelte. »Es hat etwas Romantisches. Ich sehe einen kleinen Buben in kurzer Hose durch die Straßen rennen. Du warst bestimmt ein frecher Fratz. Deswegen liebe ich dich.« Sie küsste ihn auf die Wange.
»Die beiden sind mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Ist schon seltsam … Jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme, sehe ich sie vor mir, mit ihren grauen Haaren und abgetragenen Sachen. Ich war hier zu Hause wie sonst nirgends. Im übertragenen Sinne natürlich.«
Sie sah ein wenig Feuchtigkeit in seinen Augen.
Er parkte den Wagen auf dem Marktplatz. »Von hier gehen wir das Stück zu Fuß.«
»Ihr stapelt Schweine? Ist das eine andere Form von Hochstapelei?«, lachte sie ihn an und zeigte auf den Brunnen, der dem Platz einen Blickpunkt lieferte.
»Nein, Bredstedt ist durch die Schweine zu dem geworden, was es ist. Das erzähle ich dir später mal. Jetzt wollen wir Eis essen.«
»Hätte ein Schwein nicht genügt? Musste man die denn stapeln?«
Er gab ihr die Hand und sie schlenderten durch die Stadt, bis sie vor dem Eiscafé standen.
»Bleiben wir draußen oder gehen wir rein?«
»Draußen ist gut«, sagte sie.
Sie machte einen entspannten, lockeren Eindruck. Als seien die Ereignisse der vergangenen Wochen verflogen. Er hatte es sich zum Ziel gemacht, dass sie glücklich sein sollte. Er hatte sich vorgestellt, dass sie in den Innendienst wechseln und somit aus der Gefahrenzone kommen würde. Nur … wie sollte er ihr das plausibel machen? Sie hatte einen eigenen Kopf. Und ihren eigenen Ehrgeiz. Klar, dass er an der vordersten Linie bleiben würde, um dem Bösen die Stirn zu bieten. Würde er ihr das vorschlagen, nähme sie ihn bei den Ohren, legte ihn übers Knie und versohlte ihm den blanken Hintern – und das auch noch mit Genuss. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz flauschig im Bauch und er lächelte unbeabsichtigt.
»Ist etwas lustig?« Sie sah ihn an.
»Nein, ich stellte mir nur gerade vor, dass du mich übers Knie legst.«
»Warst du denn unartig?«
»Willst du mich heiraten?«, fragte er zum zweiten Mal.
Ihre Augen ruhten aus seiner Sicht auf einem Berg Himbeereis, aufgegangen wie zwei Sonnen, die ihn anstrahlten. Ihr Mund war wegen Eiszugang geschlossen.
Wegen ihm hatte sie Knut stehen lassen, den Ring fast am Finger. Ob sie die Liebe ihres Lebens hatte laufen lassen, oder sie nun gefunden hatte? Das war die Frage. Vor ihr saß die Sehnsucht. Zwischen ihr und ihm schmolz das Eis.
»Wenn wir uns nicht beeilen, können wir das Eis trinken.«
»Ja«, sagte sie.
»Was, ja?«, fragte er erwartungsvoll.
»Ja, wir müssen uns beeilen.« Sie ließ ihn zappeln. Das Beste am Angeln, ist das Zappeln der Fische.
Er schaute auf die Uhr.
»Haben wir es eilig?«
»Nicht direkt, wir sind zum Essen eingeladen.«
»Soll ich mich beeilen?«
»Nein, wir haben noch Zeit.« Er wollte nicht, dass sie aufhörte ihr Eis zu essen.
Sie machte eine spitze Schnute beim Zergehenlassen der kalten Köstlichkeit auf ihrer Zunge. Sie könnte sich allerdings auch die Fußnägel schneiden und er wäre begeistert von ihr.
»Wir können, wenn du willst«, sagte sie schließlich mit einem zufriedenen Lächeln.
Er fuhr durch die Köge zum Deich, einen Blick auf die Nordsee werfen. Es war nur gerade Ebbe, das hatte er nicht bedacht.
Sie standen auf der Deichkrone, der Wind war stark und kalt und blies ihnen ins Gesicht; sie kniff die Augen zu einem Spalt zusammen, breitete die Arme aus. »Ein gutes Gefühl, wenn der Wind so durch die Klamotten bläst. Hier ist aber auch ein raues Wetter.«
»Ja. Raues Wetter, raue Menschen, weiche Herzen. Lass uns nicht zu lange im Wind stehen, du bekommst noch einen Schnupfen. Du bist für den Wind zu dünn angezogen. Wir nehmen uns beim nächsten Mal mehr Zeit, wenn Flut ist. Dann könnten wir auch baden.«
Im Auto, das von der Sonne aufgeheizt war, merkte sie erst, wie kalt ihr geworden war. Ein