So große Gefühle!. Anselm Grün

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So große Gefühle! - Anselm Grün

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sind dabei zentral:

       Vom Kind aus denken (»Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!«)

       Die kindliche Persönlichkeit akzeptieren

       Mitgefühl stärkt, Mitleid schwächt

       Geborgenheit aufbauen, spirituelle Rituale entwickeln

       Geduld, Glaube und Gelassenheit helfen

      Jedes Hänschen spürt, dass es vom Erreichten wegmuss. Aber um den Übergang auszuhalten, braucht es den Stock (Psalm 23, »Dein Stecken und Stab trösten mich«) und den Hut, also die Behütung. Nur behütete Kinder (»Du schaffst es!«/»Ich vertraue dir!«) schaffen den Übergang, überbehütete Kinder (»Sei vorsichtig!«/»Soll ich dir nicht doch helfen?«) scheitern häufig. Übergänge gelingen mit vertrauten Objekten, um neues, unbekanntes Terrain zu erobern. Diese können der Reim, der magische Satz, das Gebet oder das Vertrauen auf Gott sein. Den Zauber des Neubeginns zu erfahren oder Abschiede zu erleben ist ein Grundprinzip von Begleitung und Beziehung. Dabei begeben sich Eltern wie Kinder gemeinsam auf eine Reise.

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      BEGEISTERT, WÜTEND, TODUNGLÜCKLICH

      Halt geben und begleiten, auch wenn die Stürme toben

      ERZIEHUNG OHNE HAPPY END? – ELTERN ERZÄHLEN

      In einem Gesprächskreis zum Thema Gefühle bei Kindern äußern Mütter und Väter ihre eigenen widersprüchlichen Gefühle. Denn wenn Eltern über große Gefühle bei ihren Töchtern und Söhnen reden, sind die Emotionen der Erwachsenen mindestens genauso groß und verwirrend. Doch wie befreit man sich aus dem destruktiven Strudel der eigenen Verunsicherung? Wie geht man sicher und gelassen mit großen Gefühlen um? Wie bleibt man Mensch, Haltgeber und Begleiter, auch wenn es mal schwierig wird?

      Sind wir gute Eltern?

      Maria, Mutter von zwei Jungen, vier und sieben Jahre alt: »Eigentlich bin ich mit meinen beiden schon zufrieden!« – »Was heißt eigentlich?« Sie lächelt: »Die sind total in Ordnung! – Aber da ist dieser kleine Mann im Ohr, der einem sagt: Es geht doch noch besser!« Maria schüttelt ihren Kopf: »Höher! Besser! Weiter! Nie ist man mit sich zufrieden! Vor allem«, sie atmet tief ein, »wenn’s denn tatsächlich einmal Probleme mit den Kindern gibt. – Also, wenn sie SICH ZOFFEN, wenn sie ausflippen, sofort ist der Gedanke da: Was hast du nun schon wieder falsch gemacht?« Sie wirkt ärgerlich: »Alles bezieht man auf sich, zieht sich jeden Schuh an! Fürchterlich!«

      Dann grinst sie schief: »Meine Mutter sagte immer, wenn ich frech war, sie wünsche mir später mal so ein Kind wie mich.« Sie atmet tief aus: »Das nimmt einem die Freude, verdammt!« Sie schüttelt den Kopf: »Und diese Bücher über glückliche Kinder. Was man machen muss, damit sie glücklich werden. Ich dreh’ noch durch! – Als ob es nur Glück gäbe und nicht diese anderen Gefühle, die auch noch da sind! – Ich bin doch auch nicht nur glücklich! Ich bin auch mal sauer, wütend, todtraurig! Ich bin ein Mensch! Und meine Kinder sind es auch!«

      IM AUGE DES ZORNS

      Saskia, Mutter des dreijährigen Ben und des einjährigen Florian, nickt.

      »Mit dem ersten Kind, da gab es schon Zweifel, ob ich alles richtig machen würde. Bei jedem Mucks stand ich bei Fuß. Und dann hatte Ben so heftige Gefühlsausbrüche. Der konnte WÜTEND sein, schlug um sich, flippte total aus. – Das ging manchmal so weit, bis er kotzte. Dann hörte er auf, war ganz ruhig. Und ich war komplett fertig.«

      »Und dann die guten Ratschläge, die ich überall bekam, so als wäre ich die absolute Vollidiotin.« Saskia stockt: »So kam ich mir ja auch vor. Und dann diese Selbstzweifel: Warum passiert es nur dir? Was machst du nur falsch? Und! Und!« Sie wiegt ihren Kopf: »Mit Florian, da wurde es besser. Irgendwie hatte ich mehr Vertrauen zu mir selbst! – Und ich wusste: So viel machst du gar nicht falsch!« Sie lächelt: »Ich hab es doch an Ben gesehen. Der entwickelt sich!« Sie grinst: »Trotz meiner Erziehung. Kinder sind doch stärker, als wir meinen, viel stärker!«

      Saskia wirkt nachdenklich: »Und trotzdem bleiben da Fragen: Sind solche heftigen Zornesattacken normal? Woher kommen diese wüsten Anfälle? Vor allem: Wie reagiere ich richtig? Das Kind soll doch keinen Schaden nehmen!« Sie denkt nach: »Da bleiben immer Zweifel!« Um dann schnell fortzufahren: »Aber besser, man hat seine Zweifel! Oder?«

      DAS IST NICHT BULLERBÜ!

      Als Tobias und Nina, Eltern von drei Kindern zwischen neun und fünf Jahren, das hören, haken sie ein. So wäre es! Genau so: »Man ist einfach unsicher. Von allen Seiten hört man nur die Besserwisser, diese Kinderflüsterer.« Tobias zieht seine Augenbrauen genervt hoch: »Diese Kinderflüsterer«, wiederholt er ironisch. »Die Bescheidwisser, die auf alles eine Antwort haben. Ein Patentrezept!« Nina ergänzt: »Die rütteln am Selbstvertrauen, die geben einem das Gefühl, man ist ein Versager! Oder«, ihre Augen werden schmal, »unsere Kinder seien nicht ganz dicht.« Man habe MONSTER als Kinder oder sie zu Monstern gemacht. Schlimm wäre das! Nina schaut verunsichert: »Dabei will man doch manchmal nur hören, dass ausflippende Kinder normal sind. Dass vieles normal ist! Dass das Kind, nur weil es mal durchdreht, nicht sofort zum Psychiater muss! Und die Eltern gleich mit!«

      Tobias nickt: »Dieses Konkurrenzdenken unter den Eltern«, das ginge ihm gewaltig auf den Zeiger: »Wenn du andere Mütter und Väter hörst, dann ist bei denen alles paletti. Die haben nur normale Kinder. Bullerbü-Kinder!« Er drehe mittlerweile fast durch, wenn er so etwas höre.

      DAS GROSSE SCHWEIGEN

      Tobias habe da wohl recht, nimmt Patricia, Mutter des fünfjährigen Nick, den Faden auf. Sie sehe das bei ihrem Sohn: »Der hat vor allem ANGST, vor allem und jedem. Jede neue Situation ist für ihn eine Herausforderung. Sein ständiges ›Ich kann das nicht‹ bringt mich auf die Palme. Und wenn man ihn dann lässt, dann macht er es ja doch. Er kann es ja!« Die Mutter nickt: »Er kann es ja! Verdammt!« Sie stockt: »Aber vorher dieses ängstliche Getue. – Das geht mir so was von auf den Wecker! Mannomann! Ganz schlimm ist es, wenn er fremden Personen begegnet: Die schaut er nicht an. Sein Blick ist dann starr auf den Boden gerichtet. Seine Stimme wird leise, unsicher!« Patricia schüttelt ihren Kopf: »Nicht mal seinen Namen kann er dann sagen. Er sagt nichts, presst nur seine Lippen zusammen. Aus ihm kriegt man nichts heraus, gar nichts!«

      Sie lächelt etwas verlegen: »Noch nicht mal bestechen lässt er sich.« Das fände sie aber nun wieder gut: »Der bleibt stur. Meine Schwiegermutter will ihn immer mit Bonbons zum Reden bringen. Und Bonbons sind etwas Besonderes für ihn. Bei uns gibt es die nämlich nicht!« Patricia lächelt in sich hinein: »Aber selbst da bleibt er stur und seine Oma ist dann kurz vor dem Verzweifeln. Die kann machen und tun, was sie will! Nick redet nicht!«

      Dann wird sie ernst: Sie fände das ja auf der einen Seite in Ordnung, weil sie ja wisse, er rede dann schon, wenn er wolle: »Und dann quasselt er ununterbrochen! Aber«, fährt sie mit sorgenvoller Miene fort, »in einem Jahr kommt er in die Schule. Und da wird verlangt, dass er spricht, wenn er dazu aufgefordert wird. Was machen wir denn, wenn auf Fragen nicht antworten wird?« Patricia zuckt mit den Schultern: »Da ist man schon in einer Zwickmühle: Soll man sein Kind zwingen zu sprechen? Soll man es lassen, in der Hoffnung, die Zeit löse das Problem?«

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