Frontschweine. Léon Lancee
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Читать онлайн книгу Frontschweine - Léon Lancee страница 6

Wolff stimmte ein: „Ich muss gestehen, dass Horst recht hat. Und sie scheint mir ein ziemlich junges Ding, also etwas Menschlichkeit ist hier bereits angebracht, meine ich.“
Auch Helmuth, der ausgestreckt auf seinem Rücken lag, mit einem Rucksack als Kissen und die Augen bereits geschlossen hatte, reagierte.
„Die Jungs haben recht, Mannfred. Dass du mittlerweile ein erfahrener Schlachter zu werden anfängst, bedeutet nicht, dass du jeden so scharf anzugehen brauchst. Das Kind hat heute sein Bestes getan, und das darf auch wohl mal gesagt werden. Wir wissen nicht mal, wie sie heißt und was sie dort machte.“
Mannfred sah die Gruppe ringsum an und zuckte die Achseln.
„Mir recht, ich wollte nichts Anderes als schneller weiterkommen und ihr das Laufen etwas leichter machen.“
Wolff lachte spottend: „Ja, das glaub’ ich, nur bringst du das so flott, dass so ‘n Kind sofort meint, dass es dran ist. Aber wir können nicht mit ihr quatschen, also ist es deine die Aufgabe, ihre Einsamkeit etwas zu vermindern. Loyalität und Vertrauen kann man nun mal nicht mit Gewalt reinrammen.“
Horst stand mühsam auf, ging auf das Mädchen zu und gab ihr mit einem Lächeln auf dem Gesicht seine Feldflasche.
Das Mädchen saß mit dem Rücken an einem Baum und nahm nach kurzem Zögern die Feldflasche an.
„Ich danke dir für alles, was du heute für uns getan hast. Das werde ich dir sicher niemals vergessen“, sagte er freundlich.
Er ging wieder zu der Stelle zurück, wo sein Rucksack lag, und legte sich wieder hin.
„Übersetz’ das mal, Mannfred.“
Mannfred setzte sich näher zum Mädchen und sagte zu den anderen: „Die Botschaft ist bereits klar, ich werde mal mein Bestes tun. Ich werde dazu auch sofort die ersten Stunden die Wache übernehmen, dann könnt ihr inzwischen etwas Schlaf nachholen. Es wird sowieso die ganze Nacht einer Wache stehen müssen.“
„Da hast du recht“, antwortete Helmuth. ohne die Augen zu öffnen.
„Wenn du das Wacheschieben satt hast, kannst du mich wecken, dann übernehme ich.“
Mannfred richtete seine Aufmerksamkeit auf das Mädchen.
„Meine Kameraden möchten dir für deine Hilfe danken, darüber freuen sie sich sehr, und sie bestehen darauf, dass ich dir das sage. Und das gilt natürlich auch für mich selber. Ich bedaure den Schlag in dein Gesicht, aber ich wollte dir das Laufen durch das Gebüsch nur etwas leichter machen und wollte auch keine Zeit verlieren. Das hätte ich besser anders angehen können, aber nach dem, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, bin ich in meinen Reaktionen ein bisschen kürzer angebunden. Die Kameraden fragten mich auch, wie du eigentlich heißt und was du dort in diesem Partisanenlager gemacht hast. Du sollst keine Angst vor uns haben, wir sind auf der Flucht und wollen nach Minsk oder auf jeden Fall so schnell wie möglich unsere eigenen Truppen erreichen. Und wir sorgen dafür, dass du auch nach Minsk kommst.“
Er unterbrach seine Ausführungen und sah das Mädchen ruhig an, ihre Reaktion abwartend.
Es dauerte eine Weile, bis das Mädchen Antwort gab, aber Mannfred ließ die Stille ruhig andauern, bis sie zu sprechen anfing.
„Mein Name ist Jelena und ich bin siebzehn Jahre alt. Als der Krieg unser Dorf erreichte, bin ich zusammen mit meinem Vater in die Wälder geflüchtet, weil er bei der Miliz war und wir gehört hatten, dass die Deutschen alle Milizmitglieder erschossen hatten. Deshalb hat mein Vater sich den Partisanen angeschlossen, vor allem, weil wir nirgendwo anders hinkonnten. Vorige Woche wurde mein Vater bei einem Überfall auf deutsche Lkw schwer verletzt, und es steht wohl fest, dass er seine Verletzungen nicht überleben wird. Das war auch der Grund, warum ich flüchten wollte. Ich habe bereits erzählt, was dem anderen Mädchen passiert ist, nachdem ihr Vater in einem Kampf mit euch gefallen war. Und unser Führer hatte im Lager schon herumerzählt, dass ich ihm gehören würde, sobald mein Vater nicht mehr da wäre. Meine Mutter ist vor Jahren gestorben, und deshalb wollte ich zu meinen Großeltern in Minsk. Der Führer, Wassily, war ein grausamer und herzloser Mann, ein schlechter Mensch. Ich hatte vom ersten Tag an Angst vor ihm. Er hat auch gesagt, dass ihr heute zu Tode gefoltert werden würdet. Das ist vorher mit zwei gefangenen deutschen Soldaten passiert, und das war grässlich zum Anhören.
Gesehen habe ich es nicht, denn das wollte ich nicht. Wenn ihr mich nicht mitgenommen hättet, wäre ich sowieso geflüchtet, nachdem ihr die Bewacher getötet hattet. Das wäre auch für mich eine Chance gewesen, von dort wegzukommen. Ihr habt ein Risiko genommen, indem ihr mich den Weg zeigen liest, aber vergesst nicht, dass ich mein ganzes Leben einem Haufen fremder Soldaten habe anvertrauen müssen, also ist es nicht so überraschend, dass ich Angst bekam, als du mit deinem Messer meinen Rock abschneiden wolltest. Eigentlich bin ich euch mehr oder weniger ausgeliefert, denn ihr seid vier Kerle und ich bin nur ein einsames Mädchen.“
Das Mädchen sah ihn im Halbdunkel an.
Mannfred lachte freudlos: „So hatte ich das nicht gesehen. Aber das mit diesen Kerls ist wirklich nicht so schlimm, weißt du. Ich bin erst achtzehn Jahre und die anderen sind fast alle gleich alt. Fast Jungen noch also, aber ich habe innerhalb von drei Tagen mit meinen eigenen Händen bereits vier Menschen getötet. Nur, um zusammen mit meinen Freunden überleben zu können. Und einer von uns ist vor wenigen Tagen gefallen, wir waren eigentlich immer zu fünft.
Mach´ dir also keine Sorgen wegen uns, niemand von uns wird dir etwas antun.“
Mannfred sah sie an und fragte dann: „Aber findest du es nicht schlimm, dass du keinen Abschied von deinem Vater nehmen konntest? Ich hatte dir doch gesagt, dass du ihn vermutlich nie mehr wiedersehen würdest.“
Das Mädchen gab ihm keine Antwort. In der Stille, die eintrat, hörte er sie leise weinen.
Einen kurzen Augenblick lang wusste er nicht, wie er reagieren sollte, aber aus einem unerwarteten Gefühl des Mitleids schob er sich ohne Nachdenken näher an das Mädchen heran und legte seinen Arm um ihre Schultern.
Diese kleine menschliche Gebärde machte es nur noch schlimmer, und er spürte, wie ihr Körper von heftigem Weinen geschüttelt wurde.
Mannfred zog sie an sich, und das Mädchen begrub ihr Gesicht in seiner Uniformjacke, um das Schluchzen zu dämpfen.
Mit seiner freien Hand strich er über ihre Haare, und wiederholte unterdessen immer wieder, dass alles gut werden würde.
Nach einer Weile wurde das Mädchen wieder etwas ruhiger und löste sich von ihm.
„Versuche etwas zu schlafen“, riet er ihr, „Ich muss noch ein paar Stunden Wache halten, und morgen wird wieder ein schwerer Tag.“
Das Mädchen nickte schweigend und legte sich auf den Boden mit ihrem Rucksack als Kissen.
Mannfred stand auf und ging zu den anderen, um seine Maschinenpistole an sich zu nehmen, wonach er sich dann mit seinem Rücken an einem Baum ganze nahe zu ihr setzte, um wache zu halten.
Er lauschte den Geräuschen der Natur und roch den Duft des Walds.
Unterdessen über alles nachdenkend, was geschehen war, über ihre Chancen