Der Mephisto-Club. Maria Anne Anders
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In Frau Dalmanns Augen liegt ein triumphierendes Funkeln.
„Das Waisenhaus in Afrika“, fällt mir gerade rechtzeitig wieder ein. Natürlich, im Foyer sind seit einer halben Stunde Schülerinnen und Schüler der Fünften damit beschäftigt, Weihnachtsgeschenke für die Waisenkinder zu verpacken. Die Fünftklässler werden jedes Jahr dazu verpflichtet. Ich weiß noch, wie ich selbst damals eine Stunde lang versucht habe, ein halbwegs ordentlich aussehendes Päckchen zustande zu bringen. Dieses fiese dünne Papier ist immer an den Knickkanten gerissen. Geschenkeeinpacken wird bestimmt nie meine Kernkompetenz.
„Afrika?“ Frau Dalmann zieht eine Augenbraue nach oben, was kein gutes Zeichen bei ihr ist. Sie seufzt. „Diese Idee, man könne sein Gewissen beruhigen, wenn man an irgendwen in Afrika Weihnachtsgeschenke schickt und Geld spendet. Man weiß noch nicht mal, für welches Land. Und den Ländern geht es genauso schlecht wie zuvor … Oder wisst ihr wenigstens, für welches Land es ist?“ Sie sieht mich erwartungsvoll an.
„Uganda?“, fragt Karim. Und ich befürchte schon, dass Frau Dalmann als nächstes wissen will, wo in Afrika Uganda liegt. Aber glücklicherweise wechselt meine Mutter das Thema.
„Ich habe euch etwas mitgebracht“, sagt sie und hüstelt leise. Ich mache jede Wette, dass sie auch nicht weiß, wo Uganda liegt.
Meine Mutter zieht eine Tüte aus ihrer Handtasche. Ich wundere mich immer wieder neu darüber, was alles in ihrer Handtasche Platz findet.
„Die habe ich bei der Latein-AG gekauft“, erklärt sie. „Nach einem original römischen Rezept gebacken.“
Sie stellt die Tüte vor uns auf den Tisch.
„Kekse?“, fragt Karim.
„Ich dachte, ihr könntet eine kleine Stärkung gebrauchen.“
„Vielen Dank, Frau Branner.“ Karim lächelt meine Mutter an. „Die sehen köstlich aus.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob man das Lorbeerblatt mitessen soll“, bemerkt mein Vater, gerade noch rechtzeitig, bevor Karim sich das Plätzchen in den Mund stecken kann.
„Oh!“ Karim zieht das Grünzeug ab, das unter dem Keks klebt. „Na ja, was nicht tötet, härtet ab.“ Tapfer steckt er sich das Plätzchen in den Mund.
„Gut, oder?“, fragt meine Mutter. Karim reckt beide Daumen in die Höhe, während er noch kaut.
„Ah, da sind ja die von Sterrenbergs“, flötet meine Mutter. Und schon zieht sie meinen Vater wieder am Mantelärmel. Sobald die beiden sich umgedreht haben, greift Karim nach dem Papierkorb und spuckt den Keks aus. Oder zumindest die graue Masse, die davon übrig ist.
„Widerlich“, keucht er, und sieht erschrocken auf, als die Mädchen am Stand der Mathe-AG gegenüber lauthals auflachen.
„Ich glaube, Pawlowka ist endlich auf dich aufmerksam geworden“, bemerke ich.
„Was du nicht sagst“, zischt Karim. „Dann bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als sie mit meinem Charme von mir zu überzeugen.“ Er streicht sich die Haare aus der Stirn und steht auf.
„Was hast du vor?“
Karim schlendert bereits mit betont lässigem Gang auf den Stand der Mathe-AG zu. Wie ein todesmutiger Cowboy in einem alten Western. Wenn man weiß, welches Verhältnis er sonst zur Mathematik hat, ist dieser Vergleich durchaus angebracht.
Ich kann ihn unmöglich im Stich lassen. Kurzentschlossen verlasse ich ebenfalls meinen Posten. Doch ich komme nicht weit. Plötzlich greift jemand nach meinem Arm. Es ist meine Mutter.
„Nanu“, sagt sie. „Euer Standdienst ist doch noch nicht zu Ende.“
„Äh“, ist alles, was ich hervorbringe.
„Wir wollen nur kurz zum Stand der Mathe-AG.“ Karim taucht neben mir auf. „Können Sie uns vielleicht fünf Minuten am Bastelstand vertreten? Das wäre super wichtig für uns.“ Er legt seine Hand auf meine Schulter, und ich stammle etwas von dem Mathequiz.
„Er ist zu bescheiden“, sagt Karim. „Unser kleines Mathe-Ass wird die Aufgaben bestimmt mit links lösen. Also, mit der linken Gehirnhälfte.“
„Du hast aber auch einen guten Einfluss auf Jan“, flötet meine Mutter. „Natürlich vertreten wir euch gern, wenn ihr bei diesem Mathematikwettbewerb mitmachen wollt.“ Sie wirft den von Sterrenbergs einen triumphierenden Blick zu.
„Ähm ja“, verabschiedet sich mein Vater von ihnen und folgt meiner Mutter zum Bastelstand.
„Das Mathetalent hat Jan von dir“, höre ich meine Mutter zu ihm sagen, gerade laut genug, dass es auch die von Sterrenbergs gehört haben müssen.
„Na, wenn sie da nicht mal zu viel versprochen hat“, flüstere ich Karim zu. Aber er streckt schon die Hand aus, um von Pawlowka persönlich die Aufgabenblätter entgegenzunehmen. Mir bleibt gerade noch genug Zeit, mich darüber zu wundern, warum Karim ausgerechnet hier den Kontakt zu ihr suchen muss. Immerhin wohnt sie im Haus neben ihm. Er könnte ihr auch einfach über den Gartenzaun etwas zurufen oder so. Wobei irgendjemand erzählt hat, dass sie momentan bei ihren Großeltern ist. Ihre Eltern machen eine Kreuzfahrt. Oder eine Busfahrt. Irgendetwas Langweiliges, was eben alte Leute so machen, wenn sie in Rente sind und sechs Kinder haben, von denen fünf endlich aus dem Haus sind.
Und schon liegen die Matheaufgaben vor mir.
„Mein Freund hier ist ein echtes Mathe-Genie“, erklärt Karim. „Ich bin ja mehr so sprachbegabt.“
Pawlowka hebt die Hand zum Mund und gähnt.
Karim plappert trotzdem weiter.
„Ich konnte schon alle achtundzwanzig Buchstaben schreiben, bevor ich in die Schule gekommen bin.“
„Sechsundzwanzig“, sagt das Mädchen in dem Pulli mit Weihnachtsgirlandenmuster, das neben Pawlowka steht.
„Sechsundzwanzig? Ist das ein Tipp für die Matheaufgabe?“
„Es sind sechsundzwanzig Buchstaben.“
„Im Arabischen sind es aber achtundzwanzig.“
Jetzt sieht Pawlowka ihn tatsächlich an.
„Hör zu, Karim“, sagt sie, bevor er weiteren Unsinn von sich geben kann. „Du brauchst nicht versuchen, mich zu beeindrucken. Beeindruckt hätte mich vielleicht, wenn ihr bei der Vorbereitung des Basars geholfen hättet.“
„So toll ist dieser Basar auch wieder nicht. Du müsstest mal auf einen richtigen Basar …“
„Du kapierst auch gar nichts“, unterbricht ihn Pawlowka. „Weißt du was? Du und dein Freund, ihr seid die uninteressantesten Jungs, die ich kenne. Schaut euch doch mal um. Alle anderen hier haben sich engagiert und Dinge für unsere Weihnachtsaktion vorbereitet. Aber euch ist das alles egal. Und jetzt schwänzt ihr auch noch euren Standdienst.“
Das hat gesessen.
„Ich bin total engagiert“, protestiert Karim trotzdem.
Pawlowka