Überall ist Asgard. Ulf Angerer

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Überall ist Asgard - Ulf Angerer

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wer denn die Schöne sei, für die ich meinen Leib so hingebungsvoll salbte. Ich aß keine zubereitete Mahlzeit in dieser Zeit, sondern trank nur klares Wasser – das Fasten sollte mich reinigen. Die Götter wurden auf mich aufmerksam, ich erkannte es daran, dass sie meinen Körpergeruch unangenehm werden ließen. Trotz all meiner Waschungen stank ich. Mir war, als würde aus mir alles Niedrige, Böse und Anrüchige verdunsten. Der Gestank verging, und schon bald erfüllte mich eine nie zuvor gekannte Kraft. Meine Stimmung war gut, zuweilen geradezu beängstigend heiter, und so spürte ich bald, dass der rechte Zeitpunkt für den Beginn meiner Reise gekommen war.

      Frohen Mutes und getragen in der Hoffnung auf Antwort, brach ich in der Nacht des fünften Vollmondes im Sonnenkreis auf. Zuerst führte mich mein Weg zu der Lichtung im Wald, an der ich die Runen empfangen hatte. Wie groß war jedoch meine Verwunderung, als ich an der vermuteten Stelle keinen Bach mehr fand. Immer weiter ging ich in den Wald, und nach anderthalb Tagen befand ich mich tiefer zwischen den Bäumen, als je ein Stammesmitglied gegangen war.

      Unsere tapfersten Jäger hatten diesen Tann noch nie durchstreift. Auch mir war der Forst hier vollkommen fremd. Irgendwann wurde der Boden unter meinen Füßen immer weicher. Meine Schritte hinterließen keine Geräusche mehr – lautlos folgte ich dem Ruf der Wildnis.

      Zuweilen versperrten tiefe und übel riechende Sümpfe meinen Weg. Sie waren die Tore zur dritten unserer Welten, Udgard – dem Sitz Hels, einer Tochter Lokis. Ich ahnte noch nicht, wie nahe ich ihr auf einer späteren Wanderung noch kommen würde, wusste nichts von ihrer wahren Art.

      Zu dieser Zeit, auf meiner ersten großen Wanderung, war sie für mich schlicht die Herrin des Totenreiches und damit eine Göttin, der ich auf keinen Fall zu begegnen gedachte. Aber, je öfter ich die Tore Udgards umgehen musste, je weiter entfernte ich mich von meinem geplanten Weg. Doch schon die Alten rieten: Wenn du die Götter zum Lachen bringen willst, mach‘ einen Plan!

      Immer unbekannter wurde die Landschaft, immer unsicherer wurden meine Schritte. Ich bemerkte, wie die Kräfte mich langsam verließen, und bereute nun jeden Bissen, den ich nicht gegessen hatte. Der zweite Tag ergab sich der Nacht, und das Abendrot tauchte das Tal in Feuer – Feuer, Feuer überall! Aus allen Gräsern brachen Flammen. Die Äste und Zweige der Bäume griffen mit brennenden Fackeln nach mir. Schon brannte mein Leib.

      Dann war es Nacht. Es musste die Mutter aller Nächte gewesen sein. Noch nie war eine Nacht so schwarz, so tief und so allumfassend.

      Als ich aus der Dunkelheit auftauchte, war ich der Meinung, in eine Ohnmacht gefallen zu sein. Ich war sicher, dass meine Erschöpfung mich in diese Bewusstlosigkeit geführt und so die Erinnerung an die letzten Kilometer meiner Wanderung gelöscht hatte. Eines war klar: Die Lichtung, auf der ich mich nun befand, hatte ich noch nie gesehen. Helles Blau überstrahlte eine saftige Wiese. Eine Wehrmauer übermenschlichen Ausmaßes begrenzte die grüne Fläche im Süden. Im Norden befand sich ein Waldessaum, im Osten das Ufer eines grenzenlos erscheinenden Sees, und im Westen erhob sich ein himmelhohes Gebirge. Es war von einem Regenbogen überspannt, der, sich hinter den Bergen erhebend, seinen Bogen direkt hier, auf der Wiese, zu einem Ende schlug. Das Allererstaunlichste jedoch waren die Apfelbäume, unter denen ich lief, denn die Äpfel waren reif. Das aber konnte nicht sein, denn ich war absolut sicher, fünf Umläufe vor dem Erntemond meine Wanderung angetreten zu haben.

      Voller Ehrfurcht näherte ich mich einem der Bäume. Unendlich langsam griff meine Hand nach einer Frucht. Zärtlich, fast liebevoll, umspannten meine Finger den Apfel. Ich hatte Hunger.

      „Halt!“, rief eine nicht unangenehme, aber durchaus befehlsgewohnte Frauenstimme. Schlagartig drehte ich mich um und schaute ein Antlitz von göttlicher Schönheit. „Ich bin Iduna“, sagte die Schöne.

      Sie hat meine Gedanken gelesen, dachte ich und fiel vor der Asin auf die Knie.

      „Steh auf!“, sprach sie und lächelte, als ich mich folgsam erhob. „Du möchtest also erfahren, was es mit der letzten Strophe des Runenliedes auf sich hat?“ Die Göttin dämpfte ihre Stimme.

      „Woher wisst Ihr …?“, rief ich leichtfertig und unterbrach mich, denn im selben Moment fiel mir ein, dass es für eine Göttin ein Leichtes sein musste, über die Geschehnisse in Midgard unterrichtet zu sein. Stattdessen stammelte ich schüchtern: „Ja, das möchte ich“ und senkte meinen Blick. Zu gerne nur hätte ich in dieses wunderschöne Gesicht geschaut, aber ich hatte von plötzlichen Versteinerungen und spontanen Erblindungen gehört, die dem widerfahren könnten, der direkt in das Antlitz eines Gottes schaute.

      „Nun, schau mich schon an! Der Blitz wird dich nicht treffen!“, sagte Iduna und schmunzelte.

      An die Sache mit dem Gedankenlesen würde ich mich wohl erst gewöhnen müssen. Für den Augenblick schien mir jedoch nichts angenehmer, als ihrer Aufforderung zu folgen. So hob ich meinen Blick – und erkannte den wahren Sinn des Ausdrucks ‚blendende Schönheit‘. Iduna war schöner als alles, was ich bisher gesehen hatte. Der strahlende Mittelpunkt dieser göttlichen Anmut jedoch war ihr Lächeln. Wenn die Götter die Menschen nach ihrem Ebenbild gemacht hatten, dann bewies sich dies allein dadurch, dass jeder Mensch um ein Vielfaches schöner wurde, wenn er lächelte.

      Iduna schien ungeduldig zu werden, denn ihr Lächeln gefror plötzlich. „Stell mir nun deine Fragen!“, forderte sie mich auf.

      „Die Runen aus dem Bach“, begann ich zu erzählen, „haben gesagt, Loki habe der Esche und der Ulme Liebe und Hass eingeflößt. Nun bin ich mir nicht sicher, ob …“ Ich überlegte, wie ich meine Frage formulieren sollte.

      Iduna nickte mir aufmunternd zu. „Und, weiter?“

      „Darf ich das meinem Volk verkünden? Loki ist für uns von eher zweifelhaftem Wesen, und nun sagt Ihr mir bitte, ob ich die Götter verärgere, wenn ich das Gegenteil behaupte!“

      Iduna lächelte wieder. „Egal, welche Welt du durchwanderst: Wonach sind die Menschen gemacht?“

      „Nach dem Ebenbild der Götter.“

      „Zweifelst du daran?“

      Ich erschrak. „Bei Odin! Nein!“

      „Dann schildere mir die Menschen“, forschte die Göttin weiter.

      „Sie bauen auf und reißen nieder“, beschrieb ich meinesgleichen. „Sie können heute hassen, wen sie gestern geliebt haben, und umgekehrt. Sie machen Fehler, und sie können aus diesen Fehlern lernen. Sie …“

      „Gut. Gut. Gut. Halte ein!“, befahl sie. „Schildere nun Loki, oder doch das, was ihr in Midgard von ihm wisst.“

      Ich dachte nach. Mir fielen dieselben Attribute ein, die ich eben an die Menschen vergeben hatte. Iduna, die natürlich wieder meine Gedanken gelesen hatte, nahm diese bereits als Antwort und fuhr fort:

      „Wenn nun aber die Götter die Menschen nach ihrem Ebenbild gemacht haben, und wenn Loki dieselben Eigenschaften zukommen wie deiner Art, wessen Ebenbild, meinst du, entsprecht ihr dann?“

      „Aber …“ Mir schwindelte. „Bedeutet das dann nicht, dass all unsere Fehler, unsere Zweifel, unser Sehnen und Hoffen, dass all das Hinfallen und Wiederaufstehen göttlicher Natur ist?“

      „Ahh“, lächelte die Göttin mich zärtlich an. „Du erwachst, mein Freund.“ Sie hob leicht die Augenbrauen. „Aber erst, wenn ihr das erkennt, könnt ihr beginnen, euch selbst zu lieben. Berichte deinen Leuten von Loki und seinem Geschenk an euch. Sage ihnen, dass Liebe und Hass zwei Seiten derselben Münze sind. Sie gehören zu dem großen Spiel, sind der Inbegriff des ewigen

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