5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу 5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019 - A. F. Morland страница 12
Bruno zog die Mundwinkel nach unten. „Ich habe mich nie richtig wohl gefühlt bei den steifen Hanseaten, habe endlich begriffen, wohin ich gehöre, wo meine Wurzeln sind.“
Nicola sah ihn missgestimmt an. „Deine Wurzeln sind mit Sicherheit nicht hier\“
Er breitete die Arme aus und lachte. „Dies ist mein Elternhaus ebenso wie deines.“
„Du hast keinen Anspruch mehr darauf. Ich habe dich ausbezahlt.“ Nicola hatte einen Kredit aufnehmen müssen, um Bruno geben zu können, was ihm rechtmäßig nach dem Tod der Eltern zustand. Er war dabei sehr gut ausgestiegen, hatte sein Geld grinsend in Empfang genommen und war damit nach Hamburg gegangen, weil ihm München zu klein und zu eng gewesen war, und weil er sich hier nicht richtig entfalten konnte, wie er meinte. Hamburg wäre das Tor zur großen, weiten Welt. Dort würde er sein Erbteil gut anlegen und an seiner soliden Karriere basteln.
So war es von ihm geplant gewesen, doch anscheinend hatte er im hohen Norden Schiffbruch erlitten, und seine hochfliegenden Pläne waren wie Seifenblasen zerplatzt. Nicola war ziemlich sicher, dass von dem vielen Geld, das er von ihr bekommen hatte, nichts mehr übrig war.
„Ich mache keinen juristischen Anspruch geltend, Schwesterherz“, sagte er lächelnd, „aber einen moralischen. Du darfst es mir nicht verwehren, hier zu sein. Mich verbinden sehr viele schöne Erinnerungen mit diesem Haus.“
Wenn Nicola einen Wunsch frei gehabt hätte, hätte sie ihren ungeratenen Stiefbruder nach Hamburg zurückgewünscht. „Du hast dich also entschlossen, wieder in München zu leben“, sagte sie steif.
„So ist es.“ Er nickte.
„Und wo?“
„Ich dachte – erst mal hier. Habe ich das nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht?“
Sie starrte ihn an, als zweifele sie an seinem Verstand. „Das kommt nicht in Frage“, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf.
„Nicola, ich bin dein Bruder. Soll ich vielleicht unter einer Brücke schlafen?“
„Es gibt Hotels.“
„Ich kann mir kein Hotel leisten.“
„So abgebrannt bist du?“
Bruno Pfaff hob die Schultern. „Sagen wir, ich befinde mich finanziell vorübergehend in der schmalen Gasse. Aber das bleibt nicht so. Ich habe ein paar Geschäfte laufen …“
Er hatte schon immer ein paar Geschäfte laufen gehabt, und sie hatten ihm nie etwas eingebracht – außer Schwierigkeiten mit Privatpersonen und Behörden.
Bruno Pfaff setzte ein gewinnendes Lächeln auf. „Schwesterherz, du hast dieses große Haus für dich allein, und ich soll auf einer Parkbank schlafen? Das kann nicht dein Ernst sein. Das kannst du doch nicht wirklich wollen. Ich appelliere an dein Gewissen und an dein gutes Herz. Du hast mich vielleicht in schlechter Erinnerung, aber ich habe mich geändert. Den Bruno, der dir früher das Leben schwer gemacht hat, gibt es nicht mehr. Ich bin harmlos und friedlich geworden, mache keine krummen Sachen mehr. Das Leben hat mir die Ecken und Kanten abgeschliffen. Ich bin heute angepasst. Aus mir ist ein angenehmer Zeitgenosse geworden. Lass es mich dir beweisen.“
Nicola Sperling geriet innerlich ins Wanken. Sie ärgerte sich über sich, aber so war sie nun mal. Sie konnte so schwer nein sagen.
Vor allem bei Bruno. Das war immer schon so gewesen. Was immer er von ihr gewollt hatte – er hatte es bekommen. Weil das Blut derselben Mutter in ihren Adern floss.
Nicola schaffte es auch diesmal nicht, hart zu bleiben und ihren Stiefbruder wie einen Fremden fortzuschicken, obwohl sie ahnte, dass eine Menge Ärger auf sie zukam, wenn sie nachgab.
Bruno harmlos, friedlich, abgeschliffen und angepasst … das war für sie genauso unvorstellbar, wie wenn man ihr einzureden versucht hätte, die Isar würde seit heute aufwärts fließen. In Nicolas Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Sie sagte sich, sie müsse endlich mit Torben reden.
Er muss erfahren, dass ich einen Stiefbruder habe, auf den ich leider überhaupt nicht stolz sein kann, dachte sie. Torben möchte mich heiraten. Ich darf ihm Brunos Existenz nicht länger verheimlichen.
„An wie lange hast du gedacht?“, fragte sie knapp, und sie überlegte gleichzeitig fieberhaft, wie sie Torben erklären sollte, dass sie ihm erst jetzt von Bruno erzählte. Würde er für ihre Beweggründe Verständnis aufbringen?
„Wie?“, fragte Bruno.
„Wie lange willst du hier wohnen?“
Es funkelte triumphierend in seinen Augen. Er hatte sie wieder einmal weich gekriegt. „Nur so lange, bis ich etwas Passendes gefunden habe. Das kann schon in drei, vier Tagen sein.“
Drei, vier Tage mit Bruno unter einem Dach. Das ging gerade noch. „Hast du kein Gepäck?“, fragte Nicola.
„Es steht draußen auf der Terrasse. Danke, dass du mich nicht fortschickst. Ich wusste, dass du mich bei dir wohnen lässt. Du bist ein Engel, die Güte in Person. Der Himmel wird es dir vergelten. Ich werde keine Last für dich sein.“ Bruno ging zur offenen Terrassentür, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Dann winkte er jemanden zu sich. Ein junges Mädchen mit roten Zöpfen, billig geschminkt und auch so gekleidet, erschien.
„Darf ich vorstellen?“, sagte er. „Nicola, das ist Rosy Kupfer, mein Mädchen. Rosy, das ist Nicola Sperling, meine Schwester. Doktor Sperling. Nicola ist Kinderärztin. Sie arbeitet an der renommierten Seeberg-Klinik. Ich bin sehr stolz auf sie.“ Er gab seiner Freundin einen Klaps auf den Po. „Gib Pfötchen, Rosy. Sag hallo zu Nicola.“
„Hallo, Nicola“, grüßte Rosy Kupfer und streckte der jungen Ärztin die Hand entgegen, die diese jedoch ignorierte.
Nicola war wütend, fühlte sich von ihrem Stiefbruder hereingelegt, überfahren. Er hatte sie gebeten, ihn für kurze Zeit bei sich aufzunehmen, und nachdem sie eingewilligt hatte, zauberte er plötzlich diese – diese – Person aus dem Hut.
„Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Schwesterherz?“, fragte Bruno unschuldig.
Nicola deutete mit dem Kopf auf Rosy. „Davon war nicht die Rede.“ Bruno hob die Schultern und sagte lachend: „Nicola, ich bin ein Mann, kein Mönch.“
Sie sah ihn eisig an. „Ich bin kein öffentlicher Beherbergungsbetrieb.“
„Rosy gehört zu mir.“ Bruno legte den Arm um die Schultern seiner ordinär aufgemachten Freundin und drückte sie an sich. „Mit einem Trauschein kann ich nicht dienen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir ein Paar sind. Wir haben in Hamburg zusammen gewohnt. Rosy ist ein nettes Mädchen, sie wird dir keinen Kummer machen.“ Er griente. „Ob in deinem Gästezimmer einer schläft oder zwei – was macht das schon für einen Unterschied?“
Rosy Kupfer meldete sich zu Wort: „Wenn deine Schwester mich nicht in ihrem Haus haben will …“
„Du