Windmühlentage. Katrin Köhl

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Windmühlentage - Katrin Köhl

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Sie alles zusammen.«

      Gemeinsam gingen sie nach draußen.

      »Mein Auto steht gleich da drüben.«

      Eva zeigte zum Parkplatz. Ruben machte eine Kopfbewegung zur anderen Seite.

      »Ich bin mit dem Fahrrad da. Bis Rohr, wo ich wohne, ist’s nicht weit.«

      Er holte einen Schlüsselbund aus der Tasche, machte aber keine Anstalten zu gehen.

      »Vielleicht treffen wir uns hier mal wieder.«

      Sie antwortete nicht.

      »Im Übrigen hat Vaihingen auch noch ein paar nette Kneipen. Warst du mal im Krokodil?«

      Eva lächelte.

      »Lustiger Name. Nein, das kenne ich nicht.«

      »Da musst du unbedingt hin. Hast du nächsten Freitag schon was vor?«

      Eva schluckte. Suchte nach etwas, das sie sagen konnte.

      »Guck nicht so verschreckt. Ich hab nicht vergessen, dass du auf ihn wartest. Und ich wünsche dir, dass er nächsten Freitag kommt. Wenn nicht, können wir ja immer noch ins Krokodil gehen. Also tschüss, mach's gut!«

      Er schwenkte seinen Schlüsselbund, deutete ein Winken an und verschwand in Richtung Vaihinger Bahnhof.

      Am Freitag saß Eva allein unten im Wohnzimmer. Im Fernsehen lief eine Quizshow. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Lustlos stocherte Eva in einem Teller mit Spaghetti, die sie in der Küche in einem Topf gefunden und aufgewärmt hatte. Ihr Vater war nicht da. Irgendeine Sitzung mit Gewerkschaftskollegen. Frank hatte sie am Mittwoch kurz getroffen. Er war übers Wochenende auf einer Familienfeier.

      Die Spaghetti waren kalt geworden. Eva schob den Teller zur Seite. Frank saß jetzt vielleicht irgendwo und trank Wein mit seiner Frau. So wie am Mittwoch mit ihr. Sie versuchte, sich die beiden vorzustellen. Im Kreis einer Schar von Verwandten, die um einen großen Tisch herum saßen. Kinder sprangen lachend und lärmend um die Erwachsenen herum und bettelten, länger aufbleiben zu dürfen. Würde sie selbst so etwas je erleben? Frank war schon der zweite verheiratete Mann, in den sie sich verliebt hatte. Immer wieder heulte er sich bei ihr aus, wie schlecht es mit seiner Frau laufe und dass er sich eigentlich von ihr trennen wolle. Eigentlich. Aber dann kam die nächste Familienfeier. Ausgerechnet bei dieser konnte er nicht fehlen, das musste sie verstehen. Die Eltern, die Geschwister, die alte Tante, sie wären enttäuscht. Sie freuten sich so, wenn er mit Frau und Kindern kam. Und sie? Sie saß mit kalten Spaghetti vor dem Fernseher. Der Kandidat der Quizshow rief seine Mutter an, um sie zu fragen, was la cucaracha auf Deutsch bedeutete. Eva wusste es. Sie schaute auf die Uhr. Kurz vor neun. Sollte sie nach Vaihingen fahren? Genau genommen war sie mit Ruben nicht wirklich verabredet. Ob er an der Bar im Cortina saß und auf die Uhr schaute, wie sie selbst es so oft getan hatte? Plötzlich fand Eva den Gedanken tröstlich, dass irgendwo jemand auf sie wartete. Sie zog sich die Schuhe an, nahm den Autoschlüssel vom Haken und ging nach draußen.

      Auf der Kaltentaler Abfahrt fiel ihr ein, dass sie sich nicht einmal geschminkt hatte. Sie war einfach losgefahren. Was würde er denken, wenn sie ungeschminkt in Jeans und Pulli auftauchte? An den Abenden, an denen sie auf Frank gewartet hatte, hatte sie kurze Röcke und anliegende Oberteile getragen, die ihre üppigen Rundungen betonten. Die langen schwarzen Haare hatte sie hochgesteckt, Parfüm benutzt. Andererseits sollte Ruben ja auch nicht den Eindruck haben, sie wolle mit ihm anbändeln. Sie war mit Frank zusammen. Hoffte gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass er sich doch noch von seiner Frau trennen würde. Dass eines Tages sie diejenige wäre, die mit ihm im Kreis von Freunden oder Verwandten an einem Tisch saß und lachend eine Schar Kinder zur Raison brachte. Seufzend stellte Eva den Polo auf dem Parkplatz ab und ging auf die Eingangstür des Hotels zu. Sie traf einen Freund. Nicht mehr. Gut, dass sie sich nicht umgezogen oder aufwändig zurechtgemacht hatte.

      Eva betrat die Bar und schaute sich um. Am Tresen saß ein Paar. Einige Tische waren belegt. Ruben war nicht da. Sie spürte, wie Enttäuschung in ihr hochstieg. Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst. Wie konnte sie annehmen, dass er einen ganzen Abend lang hier sitzen und auf sie warten würde! Es war zwanzig nach neun. Selbst wenn er da gewesen wäre, wäre er wohl längst gegangen. Hätte angenommen, dass sie nicht kam. Als sie wieder auf den Parkplatz kam, sah sie ihn. Er stand in der Nähe des Bahnhofskiosks und schloss sein Fahrrad auf. Sollte sie sich bemerkbar machen? Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, drehte er sich um. Er winkte ihr zu.

      «Eva! Schön, dass du da bist. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«

      Eva zupfte ihren Schal zurecht, fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Ruben schloss das Rad wieder an und winkte Eva zu.

      »Komm! Wenn wir Glück haben, finden wir im Krokodil noch ein Plätzchen.«

      Sie gingen das kurze Stück zu Fuß.

      Die Kneipe war bis auf den letzten Platz besetzt. Über der Bar hingen Fußballschals diverser Clubs und ein VfB-Wimpel. Eine große Tafel an der Wand pries das Bier der Woche an. Es kam von einer kleinen Brauerei aus Isny im Allgäu. Ruben winkte einer der Bedienungen. Sie war dabei, vier Teller mit Flammkuchen zu einem Tisch zu bringen. Danach kam sie zu ihnen, umarmte Ruben. Sie sagte etwas zu ihm, das Eva nicht verstand, und zeigte auf einen kleinen Tisch in der Ecke. Die beiden Frauen, die dort gesessen hatten, waren gerade im Aufbruch. Als sie gegangen waren, schob Eva sich auf die Bank an der Wand. Ruben setzte sich ihr gegenüber. Eva ließ den Blick durch den kleinen Raum schweifen. Zwei gusseiserne Stützpfeiler in der Mitte. An einer der Wände prangte ein großes gemaltes Krokodil, an den anderen hingen gerahmte Poster. Mick Jagger, die Rolling Stones, Frank Zappa.

      Sie bestellten das Weizenbier aus dem Allgäu. Ruben erzählte Eva von seiner Arbeit an der Oper, von seiner Familie und den Orten, an denen er als Kind gelebt hatte. Sein Vater, ein Deutscher, war ein hohes Tier in einem weltweit operierenden Konzern. Die Familie war immer wieder umgezogen. Zu Hause war für Ruben der Ort, an dem seine Mutter war. Sie, die Künstlerin, eine gebürtige Spanierin, war der Ruhepol, der Hafen, zu dem er immer wieder zurückkehrte. An welchem Platz der Erde das gerade war, war ihm egal. Das Leben draußen war für ihn immer eine Einladung zum Abenteuer gewesen. Als Kind war er durch die Städte, in denen sie wohnten, gestreunt, immer mit einem Skizzenblock unterm Arm, hatte Häuser, Menschen, Stadtansichten gezeichnet, mit den Leuten auf den Märkten und Plätzen geredet. Er war überzeugt, das Meiste von dem, was er im Leben brauchte, auf den Straßen seiner Kindheit gelernt zu haben. Immer wieder wechselte die Umgebung. Auch die Häuser, in denen er wohnte, waren immer wieder andere. Was blieb, war das Atelier seiner Mutter. Ihre Bilder wurden in einem neuen Haus immer als erstes aufgehängt.

      »Meistens war das Atelier früher eingerichtet als die Küche oder das Wohnzimmer.«

      Er lachte, trank einen Schluck aus seinem Bierglas.

      »Ich bin praktisch im Atelier aufgewachsen. Du hättest mich mal sehen sollen, als sie versuchten, mich in den Kindergarten zu schicken!«

      »Du wolltest dort nicht hin?«

      »Auf keinen Fall! Wir waren damals in Paris. Meine Schwester Cristina war schon in der école maternelle. Ich sollte dann auch dort hin. Aber ich fing an zu schreien, bekam Tobsuchtsanfälle, lief immer wieder weg. Schließlich haben sie kapituliert.«

      Ruben blieb, wo er ohnehin am liebsten war, bei seiner Mutter im Atelier. Er bekam eine eigene kleine Staffelei. Fortan malten sie zu zweit. Die Mutter ermutigte ihn, zeigte ihm die verschiedenen Techniken, nahm ihn mit, wenn sie mit dem Skizzenblock

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